Neuer Asphalt, neuer Fahrbahnteiler: Die A 8, hier zwischen Oberaichen und Möhringen, ist wieder frei befahrbar. Foto: Max Kovalenko

Mitte November soll die neue Verkehrsbeeinflussungsanlage an der A8 zwischen dem Kreuz Stuttgart und Möhringen in Betrieb gehen. Gibt es dann nachts kein Tempolimit mehr? Es sieht eher nicht danach aus.

Stuttgart - Endlich wieder freie Fahrt: Nach etwas mehr als sieben Monaten ist die Dauerbaustelle auf der Autobahn 8 im Süden Stuttgarts verschwunden, auf der 5,6 Kilometer langen Strecke gibt es drei Fahrstreifen auf leiserem Asphalt, einen Standstreifen, der bei Staus als Zusatzspur genutzt werden kann, und eine neue Betonschutzwand in der Mitte, die das Durchbrechen schleudernder Lkw verhindern soll. Drei Wochen früher fertig als gedacht – am Montag war das Vertretern des Bundes- und Landesverkehrsministeriums, des Regierungspräsidiums, der Region und der Kommunen an der Fußgängerbrücke bei Leinfelden-Oberaichen eine offizielle Einweihungsfeier wert.

„Das Paradestück eines Nadelöhrs“, so der Parlamentarische Staatssekretär des Bundesverkehrsministeriums, Andreas Scheuer (CSU), über die Strecke zwischen dem Kreuz Stuttgart und der Ausfahrt Möhringen, über die sich 130.000 Fahrzeuge täglich in den letzten Monaten durch eine Baustelle quälen mussten. Jetzt ist alles wieder tipptopp. Für 15 Millionen Euro aus Bundesmitteln bezahlt.

Nur die neuen Schilderbrücken mit flexiblen Tempolimits und Verkehrshinweisen sind noch dunkel. Diese Verkehrsbeeinflussungsanlage, die sich der Bund zusätzlich 21 Millionen Euro kosten lässt, soll erst Mitte November in Probebetrieb gehen. Dahinter steckt freilich ein Politikum: „Bei den Regeln gibt es noch Nachbesserungsbedarf“, sagt Gisela Splett (Grüne), Staatssekretärin im baden-württembergischen Verkehrsministerium. „Denn es ist nicht sinnvoll, wenn man den Verkehr in betriebsschwachen Zeiten einfach nur so laufen lässt.“ An dieser Frage, sagt sie, „arbeiten wir noch“. Kürzlich hatte sich die Stadt Stuttgart massiv beschwert: Früher galt auf dem Streckenabschnitt Tempo 120, und für die Anwohner in Rohr wäre zur Lärm- und Abgasminderung sogar weniger wünschenswert gewesen. Mit der neuen Verkehrssteuerung, die das Tempo je nach Lage von Leonberg bis Wendlingen regelt, dürften Autofahrer nachts ungeniert aufs Gaspedal treten. Das plagt freilich das Gewissen der Grünen.

„Die Geschwindigkeitsunterschiede der Fahrzeuge vermindern sich, dadurch sinkt das Unfallrisiko“

Proteste kamen auch von der Polizei: Auf der Gefällstrecke vom Kreuz Stuttgart hinunter zum Dreieck Leonberg sei es auch nachts zu gefährlich, das Tempo freizugeben. Zumal Autofahrer immer wieder unvermittelt die Fahrspur wechselten, weil sie erst im letzten Moment erkennen, wo es weiter nach Karlsruhe oder nach Würzburg geht.

Der Bund hat die 21 Millionen freilich nicht dafür gestiftet, dass es auf Autobahnen starre Tempolimits gibt. Als 2007 die schwarz-gelbe Landesregierung die Segnungen in Anspruch nahm, war das auch nicht umstritten. „Einen Meilenstein“ bezeichnete das von der CDU geführte Verkehrsministerium die Anlage, die vor Staus, Nässegefahren und langsamen Lkws warnt, das Tempo bei Staus oder Unfällen automatisch heruntersetzt. „Die Geschwindigkeitsunterschiede der Fahrzeuge vermindern sich, dadurch sinkt das Unfallrisiko“, so Staatssekretär Rudolf Köberle damals.

Was das nachts in der verkehrsarmen Zeit bedeutet, war weniger bedacht worden. Im August dieses Jahres schlug jedoch die Stadt Stuttgart Alarm: Während auf der B 27 beim Fasanenhof nachts wegen Lärm und Luftreinhaltung nur 80 km/h gefahren werden darf, gilt auf der nahen Autobahn Vollgas. CDU-Bürgermeister Schairer protestierte.

Der Bund weist die Verantwortung dafür von sich: „Für die Geschwindigkeitsregelungen sind die jeweiligen Landesbehörden zuständig“, sagt Staatssekretär Scheuer, „da mischen wir uns nicht ein.“

Statistisch gibt es jeden Tag mindestens ein Unfall

Der Schwarze Peter liegt nun beim Regierungspräsidium. „Wir prüfen das derzeit“, sagt der Stuttgarter Regierungspräsident Johannes Schmalzl (FDP). Ein Tempolimit wäre dann möglich, wenn Sicherheitsgründe dafür sprechen würden.

Nach Informationen unserer Zeitung gab es im letzten Jahr auf dem 13 Kilometer langen Abschnitt zwischen Leonberg und Möhringen 371 Unfälle – statistisch jeden Tag mindestens einen. Einer der schwersten spielte sich am 25. August 2011 um 0.45 Uhr ab, als ein rasender BMW-Fahrer einen Transporter rammte und zwei Lkw in Flammen aufgingen. Bilanz: Zwei Tote, eine halbe Million Euro Schaden.

Vieles spricht dafür, dass es trotz neuer Anlage auch nachts ein Tempolimit von 120 km/h geben wird. Dies sei nicht zuletzt eine politische Frage, heißt es in informierten Kreisen. Dass ausgerechnet ein grüner Verkehrsminister die Autobahn zur Vollgasstrecke freigebe, sei undenkbar.