Party im Fitnessstudio: Unser Autor Martin Haar (rechts) beim neuen Modetanz Zumba, der vor allem bei Frauen beliebt ist. Foto: Petsch

Fitness- und Tanztrend erfasst immer mehr Stuttgarter – weil er ein Glücksgefühl auslöst.

Stuttgart - Jeden Donnerstagabend rennt Jessica durch die Gegend, als habe sie eine Klinikpackung Glückspillen intus. Den Grund für ihren emotionalen Schwebezustand teilt sie ihren Freunden meistens sofort auf Facebook mit: „Hab’ wieder Zumba gemacht – war subber :-))))“

Wie Jessica denken und fühlen viele. Zumba macht offenbar glücklich. Die Elemente aus Aerobic und Intervall-Training für Herz und Kreislauf verbunden mit heißer Musik und verschiedenen Tanzschritten ist und bleibt ein Trend. Pilates, Aerobic scheinen dagegen flüchtige Erscheinungen zu sein. Dieses Work-out im Latino-Rhythmus zieht immer mehr in seinen Bann. Auch in Stuttgart. Kein Fitnessstudio und keine Tanzschule kommt derzeit eigentlich ohne ein Zumba-Angebot aus.

Aber was ist so toll daran? Unsere Glücks-Jessi meint: „Zumba reißt dich einfach mit. Egal, ob man es kann oder nicht.Zu den heißen Rhythmen muss man einfach shaken. Außerdem lernt man nebenbei Tanzen, bekommt schöne Oberschenkel und ’nen Knackpo.“

Was ist das Geheimnis von Zumba?

Alles klar. Besser gesagt: fast alles. Jessica schiebt nämlich noch hinterher: „Versuch’s doch selbst mal – oder hast du Angst?“ Typisch Jessi. Das passt zu ihrem sonnigen Gemüt. Also lächeln wir milde in uns hinein. Eine Sekunde, zwei Sekunden. Aber mit der Zeit wirkt die sanfte Provokation wie ein Nadelstich. Manche Frauen wissen eben, wann Männer sensibel reagieren. Dann, wenn sie ihm nichts zutraut. Dann schafft Mann Fakten und Beweise ran. Also stehen wir zwei Tage später in der Tanzschule von Sascha Wolf (30) in Bad Cannstatt.

Allein unter 25 Frauen. Mit Herzklopfen, aber getrieben von der Neugier.

Packst du das? Und was ist das Geheimnis von Zumba? Warum schwärmen alle davon?

Eine Teilnehmerin erklärt: „Zumba ist spanischer Slang und bedeutet Bewegung und Spaß haben.“ Damit der Spaßfaktor nicht schon mit den ersten Schritten endet, rät Vortänzer Wolf: „Anfänger sollten zunächst nur auf die Beine achten. Arm- und Rumpfbewegungen erst mal weglassen.“

Im Rausch der Musik

Ein guter Tipp. So klappt der Start überraschend gut, weckt aber sofort den Übermut. Das mitreißende „Nossa-Nossa“ in Michel Telos Lied „Ai se eu te pego“ verführt einfach zum Abheben. Nur . . . wer den Boden unter den Füßen verliert, blamiert sich schneller. Schon die nächste Sequenz endet im Chaos. Beine, Arme und Takt zu koordinieren ist was für Fortgeschrittene. In diesem Moment wird klar, warum sie Sascha Wolf hier als „den humorvollsten, kreativsten und geduldigsten Tanzlehrer“ bezeichnen. Wolf übergeht den sinnbildlichen Knoten in unseren Beinen charmant.

Durchatmen. Weitertanzen. Weiterkämpfen. Bis zur ersten Trinkpause. „Und, klappt’s?“, fragen Verena Lindow (33) und Sabine Slobodic (39). Die Antwort ist ein tiefer Seufzer. Verena und Sabine grinsen. Aber nicht schadenfroh. Die Mienen der Blondinen sind eher aufmunternd – fast fürsorglich. Mann muss nicht nachts in sein Kissen weinen, wenn’s nicht gleich perfekt läuft. „Die Schritt-Choreografien wiederholen sich. Mit der Zeit hat man es locker drauf“, sagt Sabine, „war bei mir auch so.“ Wie tröstlich, so etwas von einer früheren Ballett-Elevin zu hören.

Mit neuem Mut geht’s in die nächste Runde. Wieder reißen einen lateinamerikanische Rhythmen mit. Aber gegen anatomische Starren hilft die beste Musik nicht. Schon B-Jugend-Trainer Stegemann lästerte vor 30 Jahren: „Du bist hüftsteif.“ Der Mann war damals bei den Kickers zwar ein lausiger Coach, kannte sich aber wohl schon exzellent mit Samba und Salsa aus. Es ist für Männer ohne Latino-Blut fast unmöglich, die Hüften so lasziv zu kreisen wie Shakira. Warum es der Stuttgarter Tanzlehrer Wolf dennoch kann? Die Brisanz der Frage verliert sich mit dem Ansteigen des Pulsschlages. Mit geschätzten 160 Schlägen pro Minute hämmert das Herz jetzt Blut durch die Adern. Doch das Gute beim Zumba ist: Keiner nimmt die Belastung als extreme Anstrengung wahr. Im Rausch der Musik und Sog der Gruppendynamik wird alles leichter. Tänzerisch leicht.

In einer Zumba-Stunde 460 Kalorien verbrannt

Daraus ist wohl auch folgender Mythos entstanden: Zumba-Tänzer verbrennen 1000 Kalorien pro Stunde. „Tatsächlich sind es zwischen 300 und 600 Kalorien“, klärt Wolf auf. Den Beweis lieferte ihm neulich eine Weight-Watcher-Gruppe. Die Kalorien-Uhren der Teilnehmer zählten nach einer Zumba-Stunde 460 Kalorien.

Für viele Ladys ist das ein gewichtiges Argument. Aber nicht das wichtigste. „Es geht eher um Begeisterung“, sagt Sascha Wolf. Das sei sein Job: „Menschen mitzureißen, zu begeistern, damit sie das erleben, was das Zumba-Gefühl ausmacht.“ Worte können das nur ansatzweise beschreiben. Besser ist es, nach einer Zumba-Stunde in die Augen von Jessica, Verena oder Sabine zu schauen. Es sind Augen voller Glück. Ein Glücksgefühl, das Sabine gerne teilen möchte. „Hat doch Spaß gemacht – oder?“, fragt sie, „machst du weiter?“

Die Chancen stehen zumindest nicht schlecht.