Zu Wasser, zu Land und aus der Luft: Greenpeace-Aktivisten machten gestern auf die Sicherheitslücken in Fessenheim aufmerksam. Foto: dpa

Rund 60 Umweltschützer besetzen Atomkraftwerk in Fessenheim und offenbaren große Sicherheitsdefizite. Politik will reagieren.

Fessenheim - Das umstrittene Atomkraftwerk Fessenheim ist Ziel einer Greenpeace-Aktion geworden: Dutzende Aktivisten haben am Dienstag das Gelände nahe der Grenze zum Südwesten besetzt.

Im Schutze der Dunkelheit rückten sie an: Die rund 60 Umweltschützer aus 14 verschiedenen Ländern, darunter Frankreich, Deutschland, Italien, Dänemark und Großbritannien, gelangten gegen 5.30 Uhr auf das Gelände. Die Polizei setzte im Laufe des Vormittags drei Hundertschaften Beamte und die besondere Eingreiftruppe GIGN gegen die Protestler ein.

Am Nachmittag hieß es vonseiten des AKW-Betreibers EdF, dass alle 56 gewaltfrei protestierenden Aktivisten vorläufig festgenommen worden seien. Drei seien leicht verletzt worden. Der französische Umweltpolitiker Pascal Durand, Sprecher der Ökopartei EELV, sagte, dass die Greenpeace-Aktion aufgezeigt habe, welch große Sicherheitsprobleme das AKW habe.

Die Demonstranten hatten mit einem 19 Tonnen schweren Lastwagen zunächst ein Metalltor durchbrochen. Anschließend gelangten sie über den Sicherheitszaun des Reaktorgeländes und hängten ein 210 Quadratmeter großes Banner mit der Aufschrift"Stop risking Europe"(„Hört auf, Europa aufs Spiel zu setzen“) an der Fassade von Reaktorblock 1 auf.

Da sich Mitglieder der Gruppe mit Kletterseilen in rund 20 Metern Höhe an dem Banner festzurrten, konnte es von Polizei und AKW-Mitarbeitern nicht ohne Weiteres entfernt werden. Gegen 11 Uhr seilten sich die Aktivisten freiwillig ab.

Doch kaum war das XXL-Spruchband entfernt, startete Greenpeace einen weiteren"Angriff"auf das AKW – mit fünf Schlauchbooten auf dem Rheinseitenkanal. Die Umweltschützer schafften es zudem, aus einem Helikopter heraus das AKW von oben zu fotografieren.

BUND: eine der"gefährlichsten Anlagen der Welt"

Der Direktor des französischen Kernkraftwerks, Thierry Rosso, und der Direktor des Büros der Präfektur Oberrhein, Laurent Lenoble, erklärten bei einer Pressekonferenz, dass es zudem 15 Aktivisten gelungen sei, auf die zentrale Kuppel des AKW zu spazieren. Andere Demonstranten hätten sich auf dem Gelände am Boden fest gekettet.

Von der EdF wurde als erste Reaktion die Mitteilung gestreut, dass das Eindringen der Greenpeace-Mitglieder nicht die Sicherheit der Atomanlage gefährdet habe: Niemand habe die Reaktorgebäude betreten können. Die Werkspolizei habe sofort erkannt, dass es sich um friedliche Demonstranten handelte und deshalb zurückhaltend reagiert, so Rousso. Von Greenpeace hingegen war zu hören, dass das Eindringen aufs AKW-Gelände zunächst unbemerkt geblieben sei.

Scharfe Kritik am Sicherheitsstandard im AKW kam gestern umgehend vom Umweltverband BUND aus Freiburg. Geschäftsführer Axel Mayer sagte, die"erschreckend problemlose"Besetzung des AKW habe bewiesen, dass Fessenheim eine der"gefährlichsten Atomanlagen der Welt"sei. Auch die regionale grenzüberschreitende Überwachungsvereinigung CLIS kritisierte die Sicherheitsdefizite und forderte eine Untersuchung der Vorfälle. Frankreichs Umweltminister Philippe Martin kündigte noch gestern bessere Schutzmaßnahmen für die Atommeiler in Frankreich an.

Mit dem Protest will Greenpeace die Politik zu mehr Tempo und Ernsthaftigkeit beim Thema Energiewende ermahnen, das Atomkraftwerk in Fessenheim sei ein Symbol. Der angekündigten Stilllegung Ende 2016 müssten weitere Taten folgen, sagte Greenpeace-Sprecher Cyrille Cormier dem französischen Fernsehen. Fessenheim habe ein akutes Sicherheitsproblem und sei außerdem nach 37 Jahren am Netz völlig überaltert, erklärte Cormier weiter.

Erst vor knapp zwei Wochen hatte Greenpeace in einer ähnlichen Aktion das Atomkraftwerk Beznau in der Nordschweiz besetzt.