Beim Wasserball ist voller Körpereinsatz gefragt. Foto: Schuon

Faszination Sport: Abtauchen - Jungs von WBG Villingen-Schwenningen ist Kacheln zählen zu langweilig. Mit Video

Wasserball gilt als härtester Mannschaftssport der Welt. Sogar bei den Amateuren geht es sehr heftig zur Sache. Schlagen, treten, kratzen, klammern, würgen, sogar ein Griff in die Weichteile: Im Kampf um den Ball ist quasi alles erlaubt – zumindest, so lange es die Schiedsrichter nicht sehen. In den Niederlanden mussten sich einmal zwei Schwestern wegen versuchten Totschlags vor Gericht verantworten. Sie sollen versucht haben, ihre Gegnerin zu ertränken – weil sie ein Tor erzielt hatte.

"Was unter Wasser geschieht, sehen die Schiedsrichter natürlich nicht", erklärt Adrian Roth. Wenn die 14 Spieler im Becken schnell hin und her schwimmen brodelt es wie in einem heißen Kochtopf. Adrian Roth ist 36 Jahre alt,  der stellvertretende Vorsitzende der Wasserball Gemeinde Villingen-Schwenningen (WBG VS) und selbst noch aktiv.

Es ist der Abend des ersten Saisonspiels in der Verbandsliga. Die Wasserfreunde Gemmingen sind zu Gast. Wie es der Zufall will, wird Roth gerade von einer Verletzung ausgebremst. Die Schulter macht Probleme. "Es ist ohne Einwirkung des Gegners passiert", erklärt er. Verletzungen hat er schon viele gesehen: Arm-, Nasen- und Rippenbrüche, ein geplatztes Trommelfell, zählt er auf. Dann kommt er auf die schlimmste Erinnerung zu sprechen. Ein Mal habe ein Gegenspieler einen Finger tief ins Auge bekommen und musste daraufhin Notoperiert werden. "Schlimmere Folgen hatte es jedoch – Gott sei Dank – nicht." Trotz all der schlimmen Verletzungen sei es jedoch auch beim Wasserball wie bei jeder anderen Sportart auch, findet der 36-Jährige:  "Es gibt faire und weniger faire Mannschaften."

Während sich seine Teamkollegen im Wasser aufwärmen, agiert Adrian Roth am Richtertisch und nimmt die Zeit. Der 36-Jährige ist vor dem ersten Saisonspiel sichtlich nervös. Eigentlich muss er in dieser Position neutral sein. Doch ganz geht das natürlich nicht, wenn er am liebsten selbst im Wasser wäre. Also fiebert Roth bei jeder Aktion vom Beckenrand aus mit: "Rangehen!", "Den muss er doch machen!", "Rechts, nach rechts!", "Das ist doch ein Scheiß-Pass!" Adrian Roth ist seit sieben Jahren bei der WBG dabei, er hätte es weiter bringen können. Sein Vater war Schwimmlehrer, mit sechs Jahren fängt er an, zu trainieren. Mit 16 Jahren bekommt er die Anfrage für die Bundesliga, entscheidet sich aber für das Studium. Inzwischen arbeitet er bei einer Versicherung.

Währenddessen ertönen die Pfeifen der beiden Schiedsrichter quasi im Fünf-Sekunden-Takt. Im Wasser geht es sehr hektisch zu, die Stimmung heizt sich etwas auf. Selbst ohne den Körperkontakt wäre der Sport schon hart genug. Ein Spiel dauert 32 Minuten (4 x 8), in diesen geht es ständig hin und her.  "Da spult man schon bis zu drei Kilometer ab", rechnet Adrian Roth nach. "Zudem hängt dir die ganze Zeit den Gegenspieler auf der Pelle." Verschnaufpausen gibt es nicht. Das Becken muss so tief sein, dass die Spieler nicht auf dem Grund stehen können. "Da braucht man schon starke Beine, um stabil im Wasser zu stehen", erklärt er: Sich ständig über Wasser halten, dabei mit einer Hand den Ball  fangen, sich dann aus dem Wasser abstoßen, in die Höhe schnellen und den Ball weiterspielen oder werfen. Das kostet Kraft.

Um dies alles zu beherrschen, trainieren die Jungs von der Wasserballgemeinde drei Mal die Woche. "Wem das Kacheln zählen irgendwann zu langweilig wird, kommt am besten zu uns", sagt Roth lachend. In der Doppelstadt sind sie ständig auf der Suche nach Nachwuchs. Wasserball ist eine absolute Randsportart.

Montags ist reines Schwimmtraining. "Schwimmen ist bei uns die absolute Grundvoraussetzung", sagt Roth. Dennoch ist ein guter Schwimmer nicht gleichzeitig ein guter Wasserballer. Es gehört viel mehr dazu: ein gutes Auge, sichere Ballbehandlung, Orientierung. Alles, was sonst dazugehört, wird  am Mittwoch und Samstag trainiert. Viele schieben zusätzliche Einheiten im Kraftraum.

Der Saisonauftakt ist geglückt. Mit 19:12 hat die WBG gegen Gemmingen gewonnen. Die Spieler im Wasser klatschen sich freundlich ab, als ob nichts gewesen wäre. Auch drei Tage später gegen die TSG Weinheim steigen die Doppelstädter (18:8) als Sieger aus dem Becken. "Zu Hause sind wir stark, unser Problem sind die Auswärtsspiele", erklärt Adrian Roth. In der vergangenen Saison hat die WBG alle Heimspiele gewonnen – bis auf eines. Trotzdem wurden sie  nur Vierter.

Bei Auswärtsspielen zieht die WBG meistens den Kürzeren. Obwohl der Verein nur in der Verbandsliga spielt, sind die Fahrten weit – Weil am Rhein, Heilbronn, Heidenheim heißen die Gegner. "Auswärts sind wir oft nur sechs oder sieben Leute", nennt Roth den anderen Grund. Früher war das noch anders, da spielte die WBG in der Oberliga und war erfolgreich. "Wir sind besser als oberes Verbandsliga-Mittelfeld", ist Roth überzeugt. Wenn es um die Geschichte von Wasserball in Villingen-Schwenningen geht, fragt man am besten einen Mann: Oliver Müller, 50 Jahre alt, WBGler durch und durch. Er war bereits beim ersten Spiel der Wasserballgemeinde mit dabei – und ist es bis heute.

Vor 29 Jahren war die WBG der erste doppelstädische Verein. 1989 schlossen sich der SSC Schwenningen und der SC Villingen zusammen, um ein gemeinsames Team zu stellen. "Das war schon hart damals, ein richtiger Kampf. In beiden Vereinen gab es Leute, die diesen Schritt nicht gehen wollten", denkt Müller zurück. Gesiegt hat die Vernunft. "Der Zusammenschluss war auf jeden Fall der richtige Schritt." Dieser war damals eine kleine Sensation.

Müller selbst hat zuvor jahrelang beim SSC in Schwenningen gespielt. "Die Highlights waren immer die Derby gegen Villingen, diese gab es – weil Villingen im badischen, Schwenningen im württembergischen Verband gespielt hat – nicht so oft", erklärt er. Unvergessen seien auch die beiden Spiele in der ersten Runde des deutschen Wasserballpokals gewesen. "1993 mussten wir für diese Partie nach Freiburg ausweichen, weil das Villinger Hallenbad zu klein ist. Leider haben wir mit zwei Toren verloren." Dazu kommen drei Vierte Plätze bei den German Masters, zwei Oberliga-Pokal-Siege und etliche Meisterschaften.

Mit 15 Jahren hat er mit dem Wasserball begonnen, zuvor schwamm er jahrelang im Verein. Er ist also den klassischen Weg vom Kacheln zählen zum Wasserball gegangen.  Wieso er sich dies 35 Jahre später immer noch antut? "Ganz einfach, weil es mir immer noch Spaß macht", erklärt er. "Und weil ich sonst bestimmt schon 15 Kilo zugenommen hätte", fügt er lachend an.

Etwa 30 Minuten zuvor hat die WBG-VS  die TSG Weinheim geschlagen, Oliver Müller, der auf der Center-Position spielt, sechs Tore erzielt. Vor der Partie hatte er einen elf oder zwölf Stundentag im Büro. Müller ist Kämmerer bei der Stadt Villingen-Schwenningen. Er weiß, dass es eine Qual wird, an den nächsten beiden Tagen morgens aufzustehen. Doch er will noch so lange weiterspielen, wie es der Körper zulässt.

Gerade vor dem Tor, wo er sich als Center aufzuhalten hat, geht es sehr ruppig zu. Hier passieren die meisten Fouls, weil es die torgefährlichste Zone ist. Um den Center herum spielen vier Spieler auf den Außenbahnen. Meistens schnelle Schwimmer, die den Ball  vor das Tor bringen, wo der Center lauert und abschließt. Oliver Müller, wegen seiner trickreichen Würfe im Verein auch "Mr. Rückhand" genannt, hat in seiner  Karriere jedoch "Glück gehabt". Ausgekugelte oder gebrochene Finger, ein paar  Cuts im Gesicht, zählt Müller auf – "nichts ernstes".