Fechten ist der etwas andere Sport. Foto: Kienzler

Faszination Sport: Punktgenau - Auf der Planche und an der Waffe ist höchste Disziplin gefragt. Mit Video

Ein blitzschneller Ausfallschritt, den Arm unter Spannung gestreckt und die Spitze des Degens trifft Sarahs Trainingspartnerin am Oberkörper. Treffer!

Es ist Mittwochabend und die jungen Sportler der Fechtabteilung der Turngemeinde (TG) Schwenningen trainieren in der Hirschberg-Turnhalle unter den Augen von ehrenamtlichen Trainerinnen und Abteilungsleiter Klaus Löschel. Schon nach wenigen Minuten wird deutlich, dass die Sportart viel mehr als ein Duell zweier Kontrahenten ist, die sich mit einer Waffe gegenüber stehen. Es ist eine Mischung aus Ausdauer, Kraft, Koordination und vor allem Taktik.

Doch das war nicht immer so, erinnert sich Klaus Löschel, der mit dem Sport, der seine Ursprünge in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts hat, 1975 anfing. "Fechten war früher viel eleganter, Frauen trugen Röcke und fochten bis in die 1990er-Jahre nur Florett." Heute sei Fechten viel athletischer, schneller und kraftvoller. Die Folge eines intensiveren Trainings, wie Löschel begründet: "Die Sportler haben mit der Zeit mehr trainiert, sind kräftiger geworden und diese Kraft wird bis heute natürlich auch eingesetzt", erklärt er. Dadurch sei der Sport aber nicht nur schneller geworden, sondern auch gefährlicher – zumindest, wäre er es, wenn nicht gleichzeitig die Sicherheitsbestimmungen deutlich erhöht worden wären.

"Sicherheit ist in unserer Sportart ein wichtiger Bereich, der sich auch viel öfter und schneller verändert, als das Fechten selbst." So sind die Sportler mit Westen und Anzügen aus Kevlar geschützt. "Wir tragen eine einfache Schicht, die vor einem Stoß von bis zu 800 Newton schützt. Die schusssicheren Westen der Polizei sind aus demselben Material, nur siebenfach so stark", erklärt Löschel. Auch seien die Waffen in den Jahren immer wieder überarbeitet worden. Zu seiner aktiven Zeit habe Löschel ständig neue Waffen gebraucht, weil die Klingen gebrochen seien, erinnert er sich. Nicht nur eine kostspielige Angelegenheit, sondern auch eine gefährliche. Denn der russische Fechter Wladimir Smirnow wurde 1982 beim Weltmeisterschaftskampf in Rom gegen den Deutschen Matthias Behr durch eine gebrochene Florettklinge, die sich durch Maske und Auge ins Gehirn des Sportlers bohrte, so schwer verletzt, dass er acht Tage später verstarb.  Zum Glück ein seltener Fall in der Geschichte des Sports. Nicht zuletzt deshalb, weil am Material gearbeitet wurde. "Während ich früher in einem gewissen Zeitraum fünf Degen brauchte, reicht den Sportlern heute einer", stellt Löschel den Qualitätsunterschied in Zahlen dar.

Während Löschel von der Entwicklung der Sportart berichtet, üben die Nachwuchssportler der TGS im Hintergrund an sogenannten Stoßkissen. Auf Kommando erfolgt der markante Ausfallschritt und die Spitze des Degens trifft einen schwarzen Punkt, der etwas größer als fünf Zentimeter ist. Die Sportler der Turngemeinde werden heute nur noch am Degen ausgebildet. »Wir haben uns spezialisiert, denn die einzelnen Disziplinen (Degen, Florett und Säbel) sind so unterschiedlich geworden, dass es auch den Sportlern schwer fällt, die Regeln zu unterscheiden.

Die Trainingsgruppen der TGS-Abteilung setzen sich aus ganz unterschiedlichen Sportlern zusammen, wie Klaus Löschel verrät: "Wir haben Erfolgsfechter, für die der sportliche Wettkampf und die Teilnahme an Turnieren im Mittelpunkt stehen und Grund ihrer Motivation sind. Wir haben aber genauso – wie ich sie nenne – Trainierer. Sie fechten hautpsächlich im Trainingsbetrieb, um Sport zu machen." Brauchen könne die Abteilung beide Typen. Denn mit ungefähr 50 aktiven Fechtern und rund 80 Mitgliedern zählt Löschels Abteilung keinesfalls zu den großen der Turngemeinde.

Die Altersstruktur ist nicht schwer zu erklären, wie der Abteilungschef gesteht: "Wir haben viele Junge und viele Alte – und zwischen drin fehlt’s." Die Altersklasse, die Löschel anspricht, sind die 25- bis 50-Jährigen. Genau diejenigen, die nach der Schule den Verein und die Stadt zum Studium oder aus Berufsgründen verlassen und nie mehr zurück kommen, bedauert Löschel. "Unsere Trainer und Ehrenamtlichen engagieren sich bis ins hohe Alter, übernehmen mehrere Aufgaben im Verein und wollen als langjährige Mitglieder – so wie ich – dem Verein etwas zurückgeben." Doch ihm werde offengestanden angst und bange, wenn er an die Zukunft denke. "Es fehlt genau in der Altersklasse, welche sich um die Jungen kümmern sollte, wenn wir es mal nicht mehr können. Das ist wirklich ein Problem", betont Löschel.

Der Nachwuchs selbst ist derzeit nicht das Sorgenkind der TGS. Denn beim Blick in die Halle sind motivierte Kinder zwischen acht und 14 Jahren zu sehen, welche die Anweisungen der Trainerinnen konzentriert verfolgen. An zwei Tagen die Woche  belegt die Abteilung Fechten jeweils bis zu vier Stunden die Hirschberg-Turnhalle. Erst trainieren die Schüler, in einem fließenden Übergang dann die Junioren und Erwachsenen. "Wir haben Sportler, die nach zwei Stunden Jugendtraining sogar noch länger trainieren", lobt Klaus Löschel.

Wieviel Herzblut Klaus Löschel in seine ehrenamtliche Vereinsarbeit steckt, wird deutlich, wenn es um die Leistungen seiner Schützlinge geht. Denn den Ehrgeiz, den er selbst an den Tag legt, möchte er auch von den aktiven Sportlern sehen. "Unsere Arbeit als Trainer hat sich sehr verändert. Ehrlich gesagt kommen hier Kinder an, die nichts können – nicht mal mehr einen Purzelbaum." Was hart klingt, ist im heutigen Vereinsleben trauriger Alltag. "Übungen zur Koordination, Beweglichkeit und das Verknüpfen beider Gehirnhälften machen für uns einen großen und wichtigen Teil des Trainings aus." Erschwerend zu den teilweise schlechten Grundvoraussetzungen komme dann noch, dass viele der Schüler bereits bis zu zehn Stunden Unterricht hinter sich hätten. "Da ist es mit der Konzentration  auch nicht mehr so einfach", zeigt Löschel Verständnis.

Mit Fleiß und Schweiß allerdings, könnten die Sportler das Fechten lernen. Es bedarf laut dem Abteilungsleiter "außer einer Hand und zwei Beinen" keine Voraussetzungen, um den Sport zu lernen. "Wer sich anstrengt und fleißig trainiert, der kann es auch zu etwas bringen und hat Spaß am Fechten", ist Klaus Löschel überzeugt.

Weil der Einstieg so problemlos ist, wird die TG Schwenningen auch wieder einen Anfängerkurs anbieten. Dabei will die Abteilung nicht nur Kinder ansprechen, sondern durchaus auch Jugendliche und Erwachsene. "Wir haben Leihanzüge und Vereinswaffen. Da ist erst einmal keine eigene Anschaffung notwendig." Löschel weiß aber aus eigener Erfahrung: "Wenn sie länger dabei sind, möchten die Sportler von ganz alleine ihre eigene Maske, in der nicht noch zehn andere Personen steckten." Eine solche Ausstattung koste alles in allem zwischen 600 und 800 Euro.  Degen und Maske jeweils  etwa 120 Euro, ein Anzug bis zu 300 Euro und dann noch günstigere Anschaffungen wie Handschuhe, Strümpfe und Tasche. "Da muss aber niemand einen Schrecken bekommen, denn das alles kann nach und nach angeschafft werden", erklärt Löschel. "So ist mancher Geburtstag und manches Weihnachten geschenkemäßig dann abgedeckt", schmunzelt der Abteilungsleiter.