Wer im vergangenen Jahr wie dieser Weißnarr in Rottweil zum Narrensprung ging, bekam Ärger mit der Polizei. Foto: dpa/Sebastian Gollnow

Wie kann eine sichere Narretei aussehen? Darüber zerbrechen sich die Zünfte und das Sozialministerium die Köpfe. Nur eins ist klar: Ganz ausfallen wie im vergangenen Jahr wird die Fasnacht diesmal nicht.

Konstanz - Mit Grauen denkt Peter Kienle an den 11. Februar dieses Jahres zurück. „Am Glombige“, wie der Schmutzige Donnerstag in Ehingen (Alb-Donau-Kreis) heißt, „habe ich noch nie gearbeitet“, sagt der Zunftmeister der dortigen „Spritzenmuck“. Doch in diesem Jahr saß er brav im Büro, statt sich auf den Gassen herumzutreiben. „Irgendwie musste man sich ja ablenken.“ Doch so viel ist klar: Noch einmal möchte er so etwas nicht erleben.

 

Wie Kienle geht es vielen bekennenden Narren im Land. Und viele blicken bange auf die fünfte Jahreszeit. Eine vorentscheidende Sitzung findet an diesem Samstag in Engen (Kreis Konstanz) statt. Dann versammeln sich die Zunftmeister der Vereinigung schwäbisch-alemannischer Narrenzünfte (VSAN). Es gibt Kaffee und Kuchen, einen Bierausschank. Vor allem aber gibt es offene Fragen. Die wichtigste: Wie kann in diesem Jahr Fasnacht gefeiert werden?

Das Sozialministerium sucht den Dialog mit den Vereinen

„Die einen wollen komplett alles durchziehen, die anderen sind zurückhaltend“, sagt Volker Geck, Pressesprecher der VSAN. Entscheidend sei, welche Vorgaben es von der Landesregierung gebe. Doch von dort ist noch wenig zu hören. In dieser Woche hätten erste interne Gespräche stattgefunden, sagt ein Sprecher des Sozialministeriums. Ähnlich wie bei den Weihnachtsmärkten geschehen, werde sich der Amtschef Uwe Lahl in den kommenden Wochen mit den Vertretern der Verbände zusammensetzen. Ziel sei, „eine weitgehende Planungssicherheit für die Karnevalsvereine und Kommunen“ zu schaffen – vorausgesetzt, die Infektionszahlen explodierten nicht.

In Konstanz hat ein erstes Abstimmungsgespräch zwischen Narren und Stadtverwaltung schon stattgefunden. Rund 80 eingetragene Fasnachtsvereine, mehr als in jeder anderen baden-württembergischen Stadt, gibt es in der Narrenhochburg am Bodensee. „Es ist der erklärte Wille der großen Mehrheit der Vereine, nicht noch einmal ein Jahr zu pausieren“, sagt der Präsident der Narrengesellschaft Niederburg, Mario Böhler, und sieht auch gute Perspektiven. Die allgemeinen Vorgaben für Hallenveranstaltungen ließen sich auch bei den Narrenkonzerten gut umsetzen. Schwieriger sei es bei Bällen. „In mancher Mehrzweckhalle könnte es Probleme mit der Belüftung geben.“

„Die Polizei steht vor einer unlösbaren Aufgabe“

Der wichtigste Teil der schwäbisch-alemannischen Fasnacht findet allerdings auf den Straßen statt. „Das lässt sich auch nicht noch einmal aufhalten“, ist sich Böhler sicher. Genau dort wird es aber knifflig. Zwar gilt die Ansteckungsgefahr im Freien als geringer, doch lässt sich die fröhlich-chaotische Straßenfasnacht kaum kontrollieren: Abstandsregeln, Maskengebot, 2 G oder 3 G – all das könne man verlangen, aber wie solle man das in Anbetracht von Zehntausenden in der Altstadt durchsetzen? „Da steht auch die Polizei vor einer unlösbaren Aufgabe“, warnt der Niederburg-Präsident.

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Anderswo ist das Problem überschaubarer. „Wenn 20 000 Menschen in ein Stadion gehen, muss es doch möglich sein, dass 500 Leute in unserem Ort Straßenfasnacht feiern“, sagt Bernhard Wuhrer von der Schömberger Narrenzunft (Kreis Calw). Allerdings lässt sich auch eine kleine Stadt kaum so leicht absperren wie ein Stadion.

Ein Narrentreffen als Pilotprojekt

Raphael Osmakowski-Miller, Chef der Dorauszunft in Bad Saulgau (Kreis Sigmaringen), hat es für das in seiner Stadt Anfang Februar geplante Landschaftstreffen Oberschwaben/Allgäu trotzdem durchgespielt. Für die Narrennacht und den großen Umzug „bräuchten wir 15 Absperrbereiche“, sagt der Zunftmeister. Dort könnten Impfausweise und Testbelege kontrolliert werden. Wie auf den Weihnachtsmärkten gäbe es dann Bändel ans Handgelenk, ohne den es keinen Einlass in Zelte oder Gaststätten gebe. „Aber das kann ich meine Vereinsmitglieder nicht alleine machen lassen“, sagt Osmakowski-Miller. „Da brauche ich Security.“

Mit Mehrkosten von 50 000 Euro rechnet Osmakowski-Miller, und er hat auch eine Idee, wie das finanziert werden könnte. Das Land solle das Narrentreffen zu einem Pilotprojekt erklären – mit wissenschaftlicher Begleitung und finanziellem Zuschuss. „Wir könnten ein Test für alle Volksfeste werden. Das Land hat doch auch Interesse an einer Rückkehr zur Normalität.“

Narrentreffen als unkalkulierbares Risiko

Auch Wuhrer in Schömberg plant weiter an seinem Narrentreffen für den Raum Neckar-Alb. Der Kollege Kienle hat derweil schon aufgegeben. „Unsere Hausfasnacht ist überschaubar. Die können wir auch kurzfristig organisieren“, sagt er. Das große Landschaftstreffen des Bereichs Donau, das in Ehingen eine Woche nach dem Saulgauer Narrentreffen hätte stattfinden sollen, hat er aber in der vergangenen Woche abgesagt. „Wir sind im Blindflug. Ich weiß nicht, welche Vorgaben im Februar gelten.“ Wenn er die Veranstaltung 14 Tage vorher absagen müsse, sei das der finanzielle Super-GAU. Dann wäre der Spaß an der Fasnacht endgültig weg. „Das kann ich nicht verantworten.“