Jessica Moranda (links) und Ilaria Mange bereiten eine Infusion vor Foto: Max Kovalenko

In Stuttgart herrscht wie in ganz Deutschland großer Fachkräftemangel. Pflegerinnen und Erzieherinnen aus Italien sollen dem Mangel etwas abhelfen. Die ersten Fachkräfte arbeiten bereits in den Krankenhäusern.

In Stuttgart herrscht wie in ganz Deutschland großer Fachkräftemangel. Pflegerinnen und Erzieherinnen aus Italien sollen dem Mangel etwas abhelfen. Die ersten Fachkräfte arbeiten bereits in den Krankenhäusern.

Stuttgart - In flüssigem Deutsch begrüßen Ilaria Mange und Jessica Veronica Moranda den Gast am Robert-Bosch-Krankenhaus. In den knapp eineinhalb Jahren, die die beiden jungen Italienerinnen jetzt in Stuttgart sind, haben sie sprachlich einiges gelernt. Und doch kommt beim Thema Deutsch schnell Gelächter auf. Denn da wartet jeden Tag ein Fallstrick namens Schwäbisch. „Bring mir einen Teppich heißt eigentlich, dass jemand eine Decke will. Und heben heißt halten, das wissen sie jetzt auch“, sagt Heike Lauber und lacht.

Heike Lauber arbeitet in der Pflegedirektion des Krankenhauses am Burgholzhof – und sie kennt die vier jungen Italienerinnen, die derzeit als Gesundheits- und Krankenpflegerinnen in der Klinik arbeiten, bereits von Anfang an. Sie war in Neapel dabei, als 60 Fachkräfte, allesamt mit Bachelor-, manche mit Masterabschluss, sich für eine Stelle in Stuttgart vorgestellt haben. Organisiert werden die Anwerberunden vom Internationalen Bund (IB). Der große Dienstleister aus der Jugend-, Sozial- und Bildungsarbeit hat mittlerweile einige Erfahrung damit.

Warum die jungen Fachkräfte nach Deutschland wollten? Jessica Veronica Moranda antwortet knapp: „Mein Vertrag in Italien war nicht sehr gut.“ Dort herrscht, besonders im Süden, in Pflege- und Erziehungsberufen eine enorme Arbeitslosigkeit. „Die Quote liegt bei 60, 70 Prozent. Dabei sind die Leute sehr gut ausgebildet und haben einen enormen Willen“, lobt FDP-Stadtrat Heinz Lübbe, der die Anwerbungsrunden von Anfang an begleitet und sie für ein geeignetes Modell etwa auch für städtische Kindertagesstätten hält.

Schwer gefallen sei ihnen der Schritt ins Ausland angesichts der Zukunftsaussichten nicht, betonen die jungen Frauen. „Wir haben ihn bis jetzt nicht bereut. Er ist eine neue Erfahrung für uns“, sagt Ilaria Mange. Sie hat inzwischen ebenso wie die drei anderen ihre Anerkennung und arbeitet fest im Robert-Bosch-Krankenhaus. Die Kolleginnen auf den Fluren werfen ihnen im Vorbeigehen lachend ein paar Italienisch-Brocken zu, die Integration im jeweiligen Arbeitsbereich hat gut geklappt. „Das ist überhaupt kein Problem“, sagt Jessica Veronica Moranda.

Selbstverständlich ist das nicht. „Das Robert-Bosch-Krankenhaus und andere Kliniken geben sich sehr viel Mühe“, sagt Gerardo Cardiello vom IB. Den Arbeitgebern müsse klar sein, dass sie Zeit und Aufwand in die neuen Kolleginnen investieren müssten. Wo das funktioniere, bestehe aber auch eine hohe Bindung der Fachkräfte zum jeweiligen Haus und der Einsatz zahle sich so auf Dauer auch für den Arbeitgeber aus. Der IB kann sich vor Anfragen aus dem Ausland kaum retten: Allein in der Datenbank für die Pflege finden sich 2500 Namen aus Italien.

Im Robert-Bosch-Krankenhaus hat die Integration der neuen Kolleginnen geklappt. So gut, dass bereits die nächsten fünf Italienerinnen in Stuttgart auf ihre Aufgabe in der Klinik vorbereitet werden. „Für uns ist es wichtig, eine nachhaltige Personalstrategie zu entwickeln“, sagt Heike Lauber. Die Fachkräfte aus dem Ausland seien dabei eine Säule des Konzepts. Helfen bei deren Eingewöhnung müsse eine gute Betreuung, die manchmal auch an Kleinigkeiten hängt – etwa der italienischen Sekretärin in der Pflegedirektion als Ansprechpartnerin.

Ob sie sich vorstellen können, irgendwann nach Italien zurück zu wollen? Ilaria Mange und Jessica Veronica Moranda antworten mit einer Gegenfrage: „Wozu?“

Hintergrund

Viele Branchen in Deutschland tun sich schwer, ausreichend Fachkräfte zu finden. Deshalb versuchen immer mehr Arbeitgeber durch gezielte Anwerbung im Ausland dem Mangel etwas Abhilfe zu schaffen. Besonders betroffen sind die Pflegeberufe, Ingenieure und die Kinderbetreuung. Angeworben werden Fachkräfte meist im europäischen Ausland. Speziell in den wirtschaftlichen Krisenländern Spanien, Portugal und Italien gibt es gut ausgebildete Leute. Gesucht wird aber selbst in Vietnam und auf den Philippinen.

Für Stuttgart und Baden-Württemberg wirbt der Internationale Bund (IB) regelmäßig in Süditalien Fachkräfte an. Davon profitieren einerseits Krankenhäuser in ganz Baden-Württemberg. Dorthin sind in mehreren Runden bereits 400 Pflegekräfte vermittelt worden. Seit einigen Monaten ist zudem die erste Gruppe von 20 Erzieherinnen in Stuttgart. Sie sollen in den IB-eigenen Kindertagesstätten zum Einsatz kommen. Bis zur Anerkennung durch das Regierungspräsidium braucht es unter anderem zwei Sprachkurse und Praxiseinsätze. (jbo)