Der Wahlforscher Frank Brettschneider von der Uni Hohenheim spricht im Interview über die Wertschätzung der Europawahl und darüber, was TV-Duelle dazu beitragen können. Foto: dpa

Im Europawahlkampf kommt es am Donnerstag zum TV-Duell (ZDF/20.15 Uhr) zwischen den Spitzenkandidaten Juncker und Schulz. Eine gute Sache, findet der Wahlforscher Frank Brettschneider. Nur mit dem Format ist er nicht glücklich.

Im Europawahlkampf kommt es am Donnerstag zum TV-Duell (ZDF/20.15 Uhr) zwischen den Spitzenkandidaten Juncker und Schulz. Eine gute Sache, findet der Wahlforscher Frank Brettschneider. Nur mit dem Format ist er nicht glücklich.
 
Herr Brettschneider, die Wahlbeteiligung ist bei Europawahlen erfahrungsgemäß immer besonders niedrig. Kann ein TV-Duell daran etwas ändern?
Ja, unter Umständen schon. Einer der Gründe für die niedrige Wahlbeteiligung ist das geringe Interesse an der Europawahl. Die Menschen können mit europäischen Themen oft keine eigene Erfahrung verbinden – anders als bei Themen auf kommunaler oder nationaler Ebene. Da spielt das Fernsehen eine sehr große Rolle bei der Vermittlung. Und so ein herausragendes Ereignis wie ein TV-Duell kann natürlich auch die Aufmerksamkeit von denen erreichen, die die Europawahl sonst gar nicht wahrnehmen.
Durch den Lissabon-Vertrag soll das Europaparlament demokratischer werden, die Wahlen an Bedeutung gewinnen. Ist das TV-Duell ein Weg zur Gleichstellung mit nationalen Wahlen?
Die Europawahl mit den nationalen Wahlen gleichzusetzen, das wird nicht gelingen. Aber eine höhere Wertschätzung würde ich schon sehen. Es ist ja nicht nur das TV-Duell. Es gibt ja auch sonst mehr Berichte und Kandidatenrunden als früher bei Europawahlen. All das zusammen spiegelt eine wachsende Bedeutung des Parlaments wider. Die Frage ist nun: Wird das auch wahrgenommen? Und wozu führt das? Aber es ist, glaube ich, der richtige Schritt. Allerdings kann man über das Format diskutieren.
Was meinen Sie?
Bei ARD und ZDF werden jetzt die beiden europaweiten Spitzenkandidaten, der Christdemokrat Jean-Claude Juncker und der Sozialdemokrat Martin Schulz, in den Mittelpunkt gerückt. Die anderen Parteien, die auch antreten, fallen da etwas unter den Tisch. Sie werden auf den Spartensender Phoenix abgeschoben, oder sie tauchen mit den nationalen Kandidaten erst ein paar Tage vor der Wahl auf. Ob das so gelungen ist, da habe ich so meine Zweifel.
Hätten Sie lieber eine breitere Diskussion mit mehreren Teilnehmern?
Ja, oder einfach beides. Man kann durchaus, wie wir es auf der Bundesebene ja auch haben, das TV-Duell der beiden aussichtsreichen Spitzenkandidaten machen. Aber bei nationalen Wahlen sind dann in der Regel am Folgetag die Diskussionen der Spitzenkandidaten oder Parteivorsitzenden der ebenfalls im Bundestag vertretenen kleineren Parteien. Das wäre auch bei der Europawahl möglich gewesen. Ich frage mich einfach, warum die Diskussionsrunde mit den mehreren Spitzenkandidaten, die am 15. Mai auf Phoenix ausgestrahlt wird, nicht in der ARD und dem ZDF laufen kann.
Was haben Sie gegen Phoenix?
Nichts. Aber es ist nun einmal ein Sender, der diejenigen erreicht, die sich ohnehin für Politik interessieren. Aber hier soll es ja darum gehen, Interesse bei denjenigen zu wecken, für die Europapolitik nicht im Mittelpunkt des Lebens steht.
Bei uns ist so ein TV-Duell der beiden Spitzenkandidaten recht einfach – beide, sowohl Jean Claude Juncker als auch Martin Schulz, sprechen Deutsch. Gibt es auch in den anderen EU-Ländern TV-Duelle mit den beiden?
Ja, in Frankreich hat das schon stattgefunden, allerdings waren da auch Kandidaten anderer Parteien dabei. Die große Diskussionsrunde, die bei uns wie gesagt auf Phoenix läuft, wird in englischer Sprache sein. Sie wird in ganz Europa ausgestrahlt. Über 20 Sender beteiligen sich. Das ist im Hinblick auf europäische Öffentlichkeit faszinierend. Zeitgleich sind die Menschen in vielen Ländern der EU in der Lage, sich die Positionen der Kandidaten anzuhören.
Und sie bekommen die gleichen Positionen vermittelt – spätestens dann können sich die Kandidaten nicht mehr nur um nationale Themen kümmern.
Genau das ist der Punkt. In der Sendung geht es sowohl um die Griechen als auch um die Iren, die Franzosen, die Polen und so weiter. Das kann dazu führen, dass sich die Diskussion von der nationalen Fokussierung löst. Umso besser wäre es natürlich, wenn die Diskussion auch in ARD und ZDF laufen würde.
Was unterscheidet Wahlkampf zur Europawahl von nationalen Wahlkämpfen?
Zum einen natürlich die Themen. Die sind in Europa oft weniger konkret als bei den nationalen Wahlen. Aber die Parteien versuchen aktuell, die nationalen Themen mit einer europäischen Perspektive zu versehen und damit eine Brücke zu bauen zwischen der bedeutenderen nationalen und der bislang vernachlässigten europäischen Ebene. Zum anderen ist der Unterschied, dass die meisten Wähler über die Kompetenzen des Bundestags einigermaßen Bescheid wissen. während die Kompetenzen des Europäischen Parlaments doch vielen noch sehr unbekannt sind. Viele fragen sich daher: Ist das überhaupt eine Wahl, bei der es um etwas geht? Wenn die Menschen den Eindruck haben, es geht um nicht viel, na ja – warum soll man dann wählen gehen?
In diesem Jahr treten erstmals europaweit Spitzenkandidaten der großen Parteien an.
Die Personalisierung der Wahl ist sicher eine Möglichkeit, das Interesse zu steigern. Die Personen leihen dem Programm der Parteien Gesicht und Stimme. Und machen sie damit fassbarer. Früher gab es den Spruch: Hast du einen Opa, schick ihn nach Europa. Da galt das Europäische Parlament als der Abstellbahnhof für Politiker, die auf der nationalen Ebene nichts mehr werden konnten. Das hat sich ja längst geändert. Aber was wir in den letzten Jahren beobachten konnten: Europawahlen wurden oft genutzt, um bundespolitisch Punkte zu machen. Es wurde versucht, sein bundespolitisches Süppchen auf dem europäischen Herd zu kochen. Das hat sich im aktuellen Europawahlkampf etwas gebessert, sicher auch, weil wir ja gerade Bundestagswahlen hatten.