Traute Einigkeit: Bundeskanzlerin Angela Merkel macht sich jetzt doch für Jean-Claude Juncker als EU-Kommissionspräsident stark Foto: dpa

Angela Merkel zieht bekanntermaßen oft die Reißleine, wenn sich der Wind gegen sie dreht. Mit der EU-Personalie Juncker verspielte sie in wenigen Tagen viel Kredit. Nun die Kehrtwende auf dem Katholikentag.

Berlin - Klartext am Ende einer turbulenten Woche. Wenn schon nicht am Tag nach der Europawahl, wenn auch nicht beim EU-Gipfel der Staats- und Regierungschefs, dann eben beim Katholikentag in Regensburg.

„Hat die Welt noch einen Platz für Europa?“, fragte der Kirchentag bei einer Diskussionsrunde, an der auch die Bundeskanzlerin teilnahm. Angela Merkel (CDU) nahm die Gelegenheit wahr, erinnerte an die Steinerne Brücke in Regensburg als Weltkulturerbe, um schließlich selbst Brücken zu bauen. Ein simpler Satz und sehr viel Klarstellung in einer wichtigen Personalfrage über europäische Macht. „Deshalb führe ich jetzt alle Gespräche genau in diesem Geiste, dass Jean-Claude Juncker auch Präsident der Europäischen Kommission werden sollte.“

Dabei hatte Merkel über Tage laviert. Sollte Juncker, Spitzenkandidat der Europäischen Volkspartei (EVP), den Merkel selbst mit auf den Schild gehoben hatte, nun Präsident der EU-Kommission werden oder nicht? Die Bundeskanzlerin war in dieser Frage die ganze Woche über reichlich zweideutig geblieben. Bei der Analyse am Tag nach der Europawahl ließ die CDU-Chefin eine Frage unbeantwortet, ob neben Juncker und Schulz womöglich ein dritter Kandidat für den Posten des Kommissionspräsidenten ins Spiel kommen könnte. Auf der einen Seite betonte die CDU-Chefin: „Wir haben Jean-Claude Juncker nicht für irgendetwas nominiert.“ Nein, zum Spitzenkandidaten der Europäischen Volkspartei mit Merkels Unterstützung. Doch dann wiederum setzte die deutsche Regierungschefin auf EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy, dem die EU-Staats- und Regierungschefs ein Mandat erteilt hätten, „über Inhalte und ein Personaltableau zu verhandeln“. Grummeln über so viel Schlingerkurs in der Großen Koalition.

SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi sagte, Merkel müsse „klar erklären, ob sie wirklich zu Jean-Claude Juncker als Kommissionspräsident steht oder lieber das Geklüngel auf Spitzenebene fortsetzen möchte“. SPD-Chef Sigmar Gabriel hatte sich bereits zu Wochenbeginn festgelegt. Für seine Partei stehe fest, dass für den Posten des EU-Kommissionspräsidenten niemand im Europäischen Parlament eine Mehrheit finden dürfe, der nicht auch Spitzenkandidat im Europa-Wahlkampf gewesen sei. Juncker oder eben Martin Schulz, im Wahlkampf Spitzenmann der deutschen und der europäischen Sozialdemokratie.

Und auch in den Unionsparteien war man über Merkels Schlingerkurs nicht unbedingt glücklich, der letztlich als Reaktion auf die äußerst skeptische Haltung des britischen Premiers David Cameron zu einem Kommissionspräsidenten Juncker verstanden werden muss.

Der CDU-Europaabgeordnete Elmar Brok mahnte Merkel vor zu viel Rücksicht auf die Briten: „Der Rat muss wissen, dass das Europaparlament daran festhalten wird, den Wählerwillen durchsetzen.“ Der Wählerwille würde sich in diesem Fall aus der Mehrheit des vergangenen Wahlsonntags ableiten: für Juncker als EVP-Spitzenkandidat. So wird es jetzt wohl auch kommen.