Die EU-Kommission gibt ihre Empfehlungen für die möglichen Beitrittskandidaten bekannt. Alle Seiten stehen am Anfang eines schweren und sehr langen Reformwegs.
Die Hoffnungen in der Ukraine sind gewaltig. Präsident Wolodymyr Selenskyj betont immer wieder, er habe keine Zweifel, dass sein Land die Beitrittsgespräche mit der Europäischen Union sehr bald beginnen könne. An diesem Mittwoch wird nun eine wichtige Wegmarke erreicht, denn die EU-Kommission gibt ihre Empfehlung für die möglichen Beitrittskandidaten bekannt. Während die Zeichen für Kiew sehr gut stehen, dürfte es in anderen Staaten enttäuschte Gesichter geben.
Mehr als ein einfacher Solidaritätsbesuch war die Reise der EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, die sich am Wochenende auf den beschwerlichen Weg nach Kiew gemacht hatte. Dort angekommen lobte sie die „beeindruckenden Reformen“ und äußerte sich zuversichtlich über die „historische Entscheidung, den Prozess der Beitrittsverhandlungen bereits in diesem Jahr zu eröffnen“.
Großes Lob von der EU-Kommissionschefin
Sieben Kriterien muss die Ukraine allerdings zuvor erfüllen, was Kiew nach Aussagen Ursula von der Leyens „zu 90 Prozent“ geschafft habe. Dazu zählen unter anderem die Reform der Verfassungsjustiz oder auch ein neues Mediengesetz. Nachholbedarf gibt es noch beim Kampf gegen die Korruption oder bei den Maßnahmen, um den Einfluss der Oligarchen einzudämmen. Über die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen entscheiden werden allerdings die 27 EU-Staats- und Regierungschefs, die sich Mitte Dezember in Brüssel treffen.
Dort wird auch über die Fortschritte der Staaten auf dem Westbalkan gesprochen. Sie warten teils seit Jahrzehnten auf einen EU-Beitritt und werde auch dieses Mal wohl keine allzu positiven Rückmeldungen bekommen. Nordmazedonien hat bereits seit 2005 den Kandidatenstatus, Montenegro seit 2010, Serbien seit 2012 und Albanien seit 2014. Bosnien-Herzegowina und das Kosovo gelten nur als „mögliche Beitrittskandidaten“.
Lange Gesichter auf dem Westbalkan
Auch diese Länder wurden in diesen Tagen von Ursula von der Leyen besucht, kaum zu überhören war ihre Kritik. Grund sind die ständig aufflammenden Konflikte in der Region, etwa zwischen Serbien und dem Kosovo und innerhalb von Bosnien-Herzegowina. Aber auch politische Spannungen zwischen pro-westlichen und pro-russischen Gruppen schmälern die Chancen der meisten Länder auf einen raschen EU-Beitritt. Als „Spitzenreiter“ bezeichnete Ursula von der Leyen das Nato-Mitglied Montenegro, doch dort muss die neue Regierung ihren Reformwillen erst noch unter Beweis stellen.
Auch die EU muss sich reformieren
Grundlegende Reformen werden allerdings nicht nur von den Staaten erwartet. Bevor neue Länder in die EU aufgenommen werden können, muss auch die Union in zentralen Bereichen runderneuert werden. Will die EU sich nicht selbst blockieren, muss etwa das Prinzip der Einstimmigkeit bei wichtigen Entscheidungen aufgehoben werden. Und im Fall einer möglichen Aufnahme der Ukraine kämen auf die EU riesige Herausforderungen zu, insbesondere bei der Verteidigung und den Agrarsubventionen.
Das heißt, dass die Europäische Union und die beitrittswilligen Staaten erst am Anfang eines sehr langen Weges stehen. Bis zum vollständigen Beitritt wird es also wahrscheinlich noch viele Jahre, wenn nicht Jahrzehnte dauern.