Schwer zu sehen: Für junge Rehe wird die Heu-Ernte jedes Jahr zur Gefahr. Mit dem Einsatz von Wärmebilddrohnen könnten Tausende Kitze gerettet werden erklärt Tierarzt und Jäger Dietmar Geiger aus Ettenheim. Foto: Swen Pförtner/dpa/dpa-tmn/Swen Pförtner

Noch bis Mitte Juli ist Brut- und Setzzeit. Die Tiere in Wald und Flur ziehen ihren Nachwuchs groß. Um sie in dieser besonders heiklen Zeit nicht zu stören, gibt Tierarzt und Jäger Dietmar Geiger aus Ettenheim Verhaltenstipps.

Noch bis zum 15. Juli gleicht die Natur einer großen Kinderstube: es ist „Brut- und Setzzeit“. Das Federwild brütet, das Haarwild setzt, bekommt also Nachwuchs. Diesen ziehen die Eltern mit großer Fürsorge auf. In dieser wichtigen und heiklen Zeit sind die jungen Tiere ganz besonders auf Zuwendung der Muttertiere angewiesen sowie auf vorsorgliches menschliches Verhalten. Tierarzt und Jäger Dietmar Geiger aus Ettenheim erklärt im Gespräch mit unserer Redaktion, wie man sich in Wald und Flur richtig verhält.

 

Jungtiere haben wenig Deckung vor ihren Feinden

Für den Nachwuchs von Wildschweinen, Rehen und Federwild sei im Wald ganzjährig ausreichend Deckung vorhanden. Viel schwieriger sei es in der Feldflur für Wildhasen, Kaninchen, Rebhühner, Fasane, Feldlerchen, Kiebitze und den großen Brachvogel. „Die drei Letztgenannten sind bei uns jedoch schon fast ausgestorben“, erklärt Geiger. Im Winter sei durch die Landwirtschaft die Kulturlandschaft total ausgeräumt, selbst an den Böschungen seien die schützenden Hecken oftmals komplett beseitigt worden. Deshalb seien die Nester der Jungtiere schonungslos den tierischen Feinden und auch den unbedachten und unwissenden Menschen ausgesetzt.

Freilaufende Hunde können in der Brut- und Setzzeit großen Schaden anrichten

Mit dem Satz „Der macht ja nichts“ kann man Tier-Kenner in Rage versetzen. Denn frei laufende Hunde können in der Brut- und Setzzeit fatale Folgen haben. Dass ein frei laufender Hund den Bodenbrüter beunruhige und dieser seine Rettung in der Flucht suche, was das Auskühlen der Eier und den Tod der Jungen im Ei bedeute, darüber würden sich Hundebesitzer keine Gedanken machen, erklärt der Jäger und Tierarzt. Gefährlich sei auch, wenn Hunde junge Hasen verjagen und die Muttertiere sie anschließend zum Säugen nicht mehr finden würden. Die Jungen würden dann „jämmerlich verenden“.

Für Geiger hat das klare Konsequenzen: Beim Spazierengehen auf dem Weg bleiben und Hunde an der Leine halten. Ratsam sei es zudem, auch frei laufende Katzen in dieser Zeit im Haus zu lassen.

Eine Blechmanschette schützt Nester vor Katzen

Denn nach einer Schätzung des Naturschutzbunds würden in einem Jahr etwa 200 Millionen Vögel durch Katzen den Tod finden. Eine Blechmanschette an Baumstämmen könne die Nester vor Katzen schützen. In einigen Bundesländern und Gemeinden sei solch ein Schutz des Wildtiernachwuchses vor Hunden und Katzen gesetzlich vorgeschrieben. In Baden-Württemberg und Ettenheim nicht, bedauert Dietmar Geiger. Für Landwirte, die Heu machen, gibt es indes die Verpflichtung, einen Mähtod der Kitze zu verhindern, indem sie mit Jägern zusammenarbeiten und vor dem Mähen beispielsweise Wärmebilddrohnen einsetzen. „Tausende Kitze könnten so gerettet werden“, sagt Geiger. Zwischen Vorgabe und Umsetzung bestünden aber noch große Lücken.

Jungtiere nicht mitnehmen

Weiterhin ärgert es den Jäger, wenn Spaziergänger glauben, scheinbar schonungslose Wildtierkinder retten zu müssen. „Sie mitzunehmen ist fast immer ihr Todesurteil“, weiß Dietmar Geiger aus eigener Erfahrung als langjähriger Leiter des Freiburger Kleintierzentrums. „Die Tierheime quellen in der Brut- und Setzzeit über mit Jungtieren“, sagt er.

Die Schilderungen aus Geigers Berufserfahrungen sind nur schwer anzuhören. Ihm gehe das Schreien eines Rehkitzes nicht aus dem Kopf, dem ein Kreiselmäher alle vier Läufe abgesenst habe. Er berichtet von einem weiteren Fall, in dem eine hochträchtige Rehgeiß von einem Retriever gehetzt und schwer verletzt worden sei. Diese sei dann von der Berufsfeuerwehr in die Tierklinik gebracht worden, wo sie ihre Kitze verloren habe. Der Tierarzt und Jäger appelliert an seine Mitmenschen, Vernunft und gesunden Menschenverstand walten zu lassen und verweist zu weiteren Infos auf die Internetseite www.djv.brutundsetzzeit.

Kitz, Frischlinge und Co.

Von März bis Juli bekommen viele Wildtiere ihren Nachwuchs. Die Brut- und Setzzeit des Wildschweins, das im Schnitt vier bis zehn Frischlinge großzieht, geht von Februar bis März. Das Rehwild bringt im Mai ein bis zwei Rehkitze, der Rothirsch Mitte Mai bis Mitte Juni ein Kalb zur Welt. Feldhasen gebären ab März bis zu vier Mal jährlich zwei bis vier Junghasen, Kaninchen ab März bis zu vier Mal jährlich fünf bis acht Jungkaninchen. Fasane legen im Mai zwischen sechs und 16 Eier, Graugänse im April vier bis neun Eier und Feldlerchen von April bis Juli drei bis fünf Eier. Darüber informiert der deutsche Jagdverband auf seiner Webseite unter www.jagdverband.de. om