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Mit zehn Jahren bekommt Martin Auch aus Bad Liebenzell einen Silberlöffel seines Urgroßvaters geschenkt. Kriegsbeute, die Auch Jahre später zurückbringen wird.

Stuttgart - „Den hat dein Urgroßvater vom Krieg aus Frankreich mitgebracht – ich schenke ihn dir. Mit diesen Worten öffnete Großmutter die Schranktür und legte mir einen großen schweren Silberlöffel in die Hand. Sie war die Älteste von damals vier Geschwistern und neun Jahre alt, als ihr Vater eingezogen wurde“, schreibt unser Leser Martin Auch aus Bad Liebenzell.Während der Ferien in Nürtingen-Neckarhausen habe die Großmutter viel von früher erzählt – auch über ihren Vater. „Gottlob Schober aus Neckarhausen war Dragoner, ausgebildet in Stuttgart im Württembergischen Dragonerregiment ,König‘. Für einen Wehrpflichtigen damals war es die größte Ehre, als Reiter der königlichen Kavallerie zu dienen.“ Den Silberlöffel habe sein Großvater während des Kriegs „mitgenommen“. „Ich erinnere mich noch gut daran, wie meine Großmutter erwähnte, dass er den nicht ,so‘ bekommen hätte – also nicht legal.“

Mit Ehrfurcht und auch etwas Stolz habe er – damals etwa zehn Jahre alt – den Löffel in einer kleinen Schachtel aus Pappe verstaut, schreibt Auch, der in Filderstadt-Sielmingen aufgewachsen ist. „Vier Jahrzehnte später ging ich mit dem Erbstück zum Goldschmied und bat ihn um seine Einschätzung. Mit Erfolg. Die beiden Stempel erklärten, dass der Löffel aus einer französischen Manufaktur stammte, die traditionell das Tafelbesteck für den Königshof in Frankreich herstellte. Die Geschichte meiner Großmutter wurde bestätigt. Den Löffel hatte Urgroßvater kaum auf regulärem Weg erstanden.Aber im Krieg gestohlenes Diebesgut wird ja Kriegsbeute genannt, und was einem im Frieden Kopf und Kragen kosten würde, kann in Kriegszeiten mit Orden belohnt werden.“

Ein Jahr später,während der Vorbereitungen für eine Frankreichreise, sei ihm der Löffel wieder in den Sinn gekommen, und er habe ihn eingepackt, berichtet der Theologe. „Zuvor ließ ich eine passende Nussbaumschatulle anfertigten und die beiden Fotos von Urgroßvater verkleinern. Über die Bilder schrieb ich zwei Sätze in Deutsch und Französisch: ,Denn Freude erfährt nur, wer sich für Frieden einsetzt’ aus der Bibel und als Widmung ,Genommen im Streit, gegeben zum Frieden‘. Kriegsbeute trägt immer eine Botschaft von Stolz, Überlegenheit und Stärke einerseits, aber auch von Gewalt,Demütigung und Verlust andererseits.“

2010 war Auch zur Jubiläumsveranstaltung eines evangelischen Kirchenverbands nach Frankreich eingeladen, um die Predigt zu halten. Und die Übergabe des Löffels an die Bürgermeisterin der Kleinstadt St. Aubin war Teil seiner Predigt: „Unsere jüngste Tochter Annika hatte an diesem Tag ihren 13. Geburtstag und überreichte das Beutegut ihres Ururgroßvaters. Das war – so schilderten Besucher – eine sehr bewegende Geste. Manche hatten Tränen in den Augen.“ Der Löffel wird seitdem im Bürgermeisteramt in St.Aubin-du-Perron aufbewahrt.