Das österreichische Thronfolgerpaar Erzherzog Franz Ferdinand und seine Gemahlin Sophie am 28.Juni 1914 in Sarajevo, wenige Augenblicke vor einem tödlichen Attentat. Foto: dpa

100 Jahre nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs steht der Konflikt im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses und der Forschung.

100 Jahre nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs steht der Konflikt im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses und der Forschung.

Stuttgart - Bis heute prägen die Erfahrungen des Ersten Weltkrieges die internationale Politik. „Wenn wir den Ersten Weltkrieg nicht verstehen, wird uns das ganze 20. Jahrhundert ein Rätsel bleiben“, schreibt der Berliner Historiker Herfried Münkler in seinem jüngst erschienenen Buch „Der große Krieg. Die Welt 1914 bis 1918“.

Vom Aufstieg der Sowjetunion und des Faschismus in Deutschland und Italien über den Zweiten Weltkrieg und der Gründung der Volksrepublik China am 1. Oktober 1949 durch Mao Tse Tung bis zu den regionalen Konflikten in Korea, Palästina, Vietnam sowie den Kriegen auf dem Balkan und im Irak in den 1990 und 2000-Jahren lasse sich alles erklären, betont Münkler. Politik und Militär in Berlin, Paris, Wien, London, Rom und Konstantinopel scheiterten damals an einer „Mischung aus Großmannssucht und Ängstlichkeit“.

Deutschlands „Griff nach der Weltmacht

Deutschland 1961 war das Buch „Griff nach der Weltmacht. Die Kriegszielpolitik des kaiserlichen Deutschland 1914–1918“ des Hamburger Historikers Fritz Fischer erschienen. Fischer löste damit die nach ihm benannte „Fischer-Kontroverse“ aus. Eine der wichtigsten historiografischen Debatten der westdeutschen Nachkriegszeit. Fischer sah im Hegemoniestreben des kaiserlichen Deutschlands die entscheidende Ursache für den Ausbruch des Krieges. Zugleich verband er die außenpolitische und militärische Logik beider Weltkriege zu einer „Weltkriegsepoche“. Deutschland habe bereits 1912 den Krieg vorbereitet – so Fischers zentrale These – und die Krise in Sarajewo nur als Vorwand genutzt, um endlich „nach der Weltmacht“ zu greifen.

Der heutige Foschungsstand

Fischers sogenannte „Kontinuitätsthese“ hat der neueren historischen Forschung nicht standgehalten. Wie Münkler hat auch der an der britischen Cambrigde-University lehrende australische Historiker Christopher M. Clark mit seinem Buch „Die Schlafwandler. Wie Europa in den Ersten Weltkrieg zog“ neue Debatten über die Schuld am Ausbruch des Ersten Weltkriegs ausgelöst. Ihre Forschungen haben die These von der deutschen Hauptverantwortung für den Krieg revidiert.

Der Schlüssel zum Kriegsausbruch hat demnach nicht in Berlin gelegen, sondern in allen Metropolen der großen Mächte. Langfristige Ursachen führten ebenso wie kurzfristige Entwicklungen und riskante Kalkulationen dazu. Münkler und Clarke sprechen von einer „Fatalismus-Falle“. Europas Politiker und Militärs hätten geglaubt, der große Krieg sei unausweichlich. Die große, alles entscheidende Schlacht galt ihnen als unverzichtbar.

Die Aufrüstung und Mobilmachung der Millionenheere machte den vermeintlichen „Sieg-Frieden“ für jede Seite unvermeidbar.Der preußische Pickelhauben-Militarismus und Hurra-Patriotismus sei besonders auffällig, aber nicht einmalig gewesen, so Münkler. Das Säbelrasseln war kein deutscher Sonderweg, sondern nur der augenscheinlichste Verlust an Realitätssinn, für den der deutsche Kaiser Wilhelm II. exemplarisch stehe.