Die neuen Abfallgebührenbescheide rufen gelinde gesagt keine Freude hervor. Foto: Otto

Die neuen Abfallgebührenbescheide des Landkreises sind in den Briefkästen der Bürger gelandet. Und viele sind erneut geschockt. Wieso ist es denn im Kreis Rottweil so teuer? Wir gehen der Frage nach. Und: Ein Bürger will jetzt gegen die Gebühren vorgehen.

Die Reaktionen auf die neuste Abfallgebührenrechnung, die in unserer Redaktion eingehen oder auch im Netz zu lesen sind, sind eindeutig: Frust pur. „Hier ist es überirdisch teuer“, „Die Gebühren sind völlig überzogen“ oder auch „Mache ich irgendwas falsch – wir sind nur zwei Personen, wie kann das sein?“

 

Gerade Zugezogene, die das Rottweiler Gebührenniveau nicht gewohnt sich, erschrecken angesichts des plötzlichen Sprungs. „In Freiburg habe ich für zwei Personen 110 Euro bezahlt – hier sind es 250“, schreibt jemand leicht fassungslos. Für 2024 wurden die Gebühren erneut um drei Prozent angehoben. Viele fragen sich: Wäre eine Abrechnung je nach Leerung oder Kilo nicht sinnvoller? Und was ist eigentlich mit dem Chip, der in den neuen Mülltonnen drin ist?

Bürger fordert Einschreiten

Doch zunächst zur Gebührenhöhe. Einen Bürger beschäftigt dieses Thema besonders. Er hat deshalb vom Kreistag ein Einschreiten zur Anpassung der Müllgebühren „auf ein moderates Niveau“ gefordert.

Der Vorwurf: Das Gebührenmodell sei nicht in Einklang zu bringen mit dem Grundgesetz und verwaltungsrechtlichen Vorschriften, da eine unverhältnismäßige Benachteiligung dadurch entstehe, dass etwa bei gleicher Behältergröße für drei und vier Personen unterschiedliche Gebühren erhoben würden.

„Nachdem ich den Bericht des Landes Baden-Württemberg zu den Abfallgebühren gesehen habe und den Vergleich im Landesdurchschnitt sehen konnte, weiß ich, dass die Kosten im Kreis Rottweil überhöht sind“, schreibt der Bürger. Im Durchschnitt würden in Baden-Württemberg für einen Vier-Personen-Haushalt 2023 rund 180 Euro fällig. Im Landkreis Rottweil seien es 394 Euro.

Es gebe zwei Landkreise in Baden-Württemberg, bei denen die Kosten des Referenzhaushaltes über 300 Euro pro Jahr lägen, den Schwarzwald-Baar-Kreis (304 Euro) und den Kreis Rottweil. In topographisch schwierigen und dünner besiedelten Gebieten seien die Gebühren bedeutend geringer. „Wieso schaffen es andere Landkreise, die Kosten deutlich niedriger zu halten?“, will der Bürger wissen.

So setzen sich die Gebühren zusammen

Dazu muss man verstehen, wie die Gebühren erhoben werden. Andrea Schmider, Pressesprecherin des Landkreises, klärt auf. Die Gebühr ist abhängig von der Zahl der zu einem Haushalt gehörenden Personen. „In die Gebührenkalkulation fließt dabei nicht nur die Sammlung und Entsorgung von Hausmüll, sondern auch von Sperrmüll, Abfällen zur Verwertung, Bioabfällen, Grünabfällen, schadstoffbelasteten Abfällen und Schrott sowie für die Sammlung von Elektro- und Elektronikaltgeräten, also alle in einem Haushalt anfallenden Abfälle, mit ein“, so Schmider. Daher könne die Gebühr nicht in Relation zu den Behältern gesetzt werden.

Da das Abfallaufkommen mit zunehmender Personenzahl in der Regel nicht linear, sondern degressiv steige, habe der Kreistag vor vielen Jahren beschlossen, dass die personenbezogene Gebühr mit steigender Haushaltsgröße um jeweils zehn Prozent abnimmt.

So fallen für einen Ein-Personen-Haushalt mit drei Sparpunkten 69 Euro an und für einen Zwei-Personen-Haushalt mit drei Sparpunkten 124 Euro (69 Euro mal zwei, abzüglich zehn Prozent). Bei einem Vier-Personen-Haushalt mit drei Sparpunkten müssten pro Person lediglich noch 50 Euro bezahlt werden (200 Euro gesamt).

Keine Einzelfallgerechtigkeit

Die Abfallentsorgung im Landkreis umfasst rund 62 000 Haushalte. Eine „Einzelfallgerechtigkeit“ sei damit leider nicht herzustellen, so Schmider. Durch das Sparpunktesystem gebe es aber ausreichend Einsparungsmöglichkeiten. 2023 wurden für die Abfallentsorgung im Landkreis Kosten von rund 12,6 Millionen Euro kalkuliert. Diese wurden auf die jeweiligen Gebühreneinheiten umgelegt.

Ein belastbarer Vergleich mit anderen Landkreisen sei nur sehr schwer herzustellen, erklärt Schmider. Die Gebührenhöhe sei vom Komfort des jeweiligen Systems abhängig.

Begründung: mehr Komfort

Bedeutet: Mehr Qualität kostet mehr. Der Kreistag habe sich etwa in den Ausschreibungen für höheren Komfort bei den dezentralen Grüngutsammelstellen entschieden. Das führe zu einer Erhöhung bei den Abfallgebühren.

Gibt es auch Ideen, wie sich die Kosten senken lassen? Laut Schmider gibt es einen „Arbeitskreis Abfallwirtschaftskonzept“ der nach Lösungen dafür sucht.

Was ist mit dem Chip?

Hört sich gut an, bringt den genervten Bürgern aber erst einmal nichts. Viele blicken neidisch auf andere Kreise, wo beispielsweise nach Kilogramm Müll oder nach tatsächlicher Zahl der Leerungen abgerechnet wird. Klingt nach mehr Gerechtigkeit. Wieso ist das im Kreis Rottweil nicht möglich? Schließlich, so erinnern sich viele, wurde dies doch mit der Auslieferung der neuen Tonnen mit Chip 2019 angekündigt.

Schmider erklärt, das Verwiegen des Mülls sei nie angedacht gewesen. Tatsächlich aber war geplant, die Behältergröße in Kombination mit der Anzahl der Leerungen, als Gebührengrundlage zu nehmen – dazu der Chip. Letztlich habe eine „finale Kalkulation“ aber dann ergeben, dass damit für Ein- und Zweipersonenhaushalte plötzlich unverhältnismäßig teuer wird. Daher wurde diese Umstellung gestoppt.

Es bleiben also weiter viel Frust und viele Fragen bei den Bürgern – was sich auch an den Telefonen im Abfallwirtschaftsamt niederschlägt. Die Sprecherin drückt es so aus: Der Gebührenbescheid führe dazu, dass sich viele Menschen mit dem Thema auseinandersetzen und sich „über das eigene Abfallverhalten Gedanken machen.“