Der Testturm bei Rottweil ist einer der Höhepunkte. Foto: Wenzel

330 Kilometer – so weit wanderte der Fotograf Sebastian Wenzel von Stuttgart bis zum Bodensee. Seine Route: parallel zur Autobahn A81.

Kreis Rottweil - Der gebürtige Stuttgarter hat seinen ersten eigenen Wanderführer beim Reutlinger Verlag Ortel + Spörer veröffentlicht: "Wandern statt Fahren an der A 81. Stuttgart – Bodensee". Darin beschreibt er seine Wanderung in 16 Etappen und 101 Highlights – für alle, die sich wie er, (noch einmal) in unsere Region verlieben wollen.

Wie verliebt bist Du in die Region, durch die Du gewandert bist?

Die Strecke ist für mich eine hügelige und abwechslungsreiche Heimat, die ich sonst wirklich unterschätze. Sobald ich mir andere Bundesländer anschaue, stelle ich fest, dass vieles aus Baden-Württemberg woanders fehlt. Zum Beispiel das Hügelige, die Aussichten, das Grün – das vermisse ich dann.

Wo waren denn Start- und Endpunkte Deiner Wanderung?

Mein Startpunkt war bei Herrenberg, der Schönbuchturm. Mein Ziel war dann Singen, der Hohentwiel.

Und was liegt da dazwischen?

Ich bin insgesamt 16 Etappen gewandert, wirklich ganze Tagestouren. Die sind auch so im Buch beschrieben. Auf den Etappen gibt es dann je mindestens drei bis elf Highlights. Das macht 101 Highlights in dem ganzen Buch – größere und kleinere, auch ganz unscheinbare.

Wenn ich die besuchen will, wie finde ich die dann mit Deinem Führer?

In meinem Buch gibt es bei jedem Highlight einen QR-Code mit GPS-Koordinaten. Dann kann man sich beispielsweise mit Google Maps dorthin navigieren lassen. Und so kommt man dann sehr zügig auch zum nächsten Highlight. Gerade, wenn man mit dem Auto unterwegs ist. Man kann aber auch eine interessante Etappe von mir nachwandern.

Was legst Du Deinen Lesern stärker ans Herz: Die Etappen nachzuwandern oder die einzelnen Highlights direkt – beispielsweise mit dem Auto von der A81 kommend – zu besuchen?

Man kann schon mal von der A81 abfahren und eine Sehenswürdigkeit besuchen. Aber so ist das nicht so lohnend. Für mich ganz persönlich ist es eine wahnsinnig abwechslungsreiche Landschaft, in der wir leben. Ich sehe es weniger so, dass man ein einziges Highlight anpeilen und nur das besuchen sollte. Mehrere zu verbinden, hat einen größeren Reiz.

Welche Highlights haben Dir am besten gefallen?

Meine drei größten Highlights: Die Quellen von Neckar und Donau und bei Singen der Hohentwiel. Der Neckar entspringt ja im Schwenninger Moss. Das habe ich im Sommer, im Winter, vormittags und abends erlebt – das war immer ganz anders. Es ist so facettenreich. Die Donauquelle liegt ja direkt neben dem fürstlichen fürstenbergischen Schloss. Im Unterschied zum Neckar kann man hier die Quelle sehr gut erkennen. Und dann der Hohentwiel bei Singen – da war das Besondere für mich das Zurückblicken. Auf meine Wanderung und auf das Bundesland.

Und welche kleineren, feineren Highlights kannst Du noch empfehlen?

In Rottweil hatte ich zwei Highlights: Erstens den TK Elevator Turm, wobei ich leider nie selbst oben drin war. Ich war immer nur wandern drumherum und hatte andere Ziele. Da hat mich die Imposanz am meisten beeindruckt. Wie er sich geschmeidig mit seiner gewundenen Verschalung in die Landschaft einfügt. Und zweitens: Der Höllensteinsaumpfad mit Blick auf Rottweil. Das ist ein Pfad auf der anderen Seite des Neckars von Rottweil. Er liegt am Hang und von dort hat man immer wieder fantastische Blicke auf den Neckar. Außerdem gibt es eine äußerst idyllische Quelle, die aus einer Baumwurzel hervorspringt. Das ist ein schöner Rundweg – schöne zwei bis drei Kilometer zum Wandern. In Oberndorf: Die Fliegersperre bei Oberndorf. Die hat eine wahnsinnig interessante Historie. Die Sperre wurde nämlich errichtet, um Oberndorf vor Fliegerangriffen zu schützen. Da wurde von einer Seite zum gegenüberliegenden Hügel ein Stahlseil gespannt. Von dem wiederum hingen angeknotete Seile senkrecht herunter, damit man da nicht drunter durchfliegen kann. Es gab da auch ein paar tragische Todesfälle. Allerdings nicht durch Fliegerangriffe, sondern weil Kunstpiloten versucht haben, ihre Flugkünste unter Beweis zu stellen. Die sind dann an den Seilen gescheitert. Zur Erinnerung daran gibt es ein Denkmal aus Beton mit einem Teil des Stahlseils und einem Hinweisschild. Darauf steht, was die Fliegersperre zu bedeuten hat. Von dort hat man einen schönen Ausblick auf Oberndorf.

Wie kam es eigentlich, dass Du diesen Wanderführer geschrieben hast?

Das Projekt ist sarkastischerweise dank Corona entstanden. Ich habe kein Auto und mache alles per Bahn. Wegen der Pandemie durften im Sommer 2020 alle ÖPNV-Abo-Inhaber kostenlos im Nahverkehr der Deutschen Bahn fahren. Und das wollte ich unbedingt ausnutzen. Da bin ich in Baden-Württemberg zu allen möglichen Orten gereist und habe fotografiert. Dann habe ich gemerkt, das hat Hand und Fuß. Also bin ich drangeblieben. Die Idee des Verlags war: Was ist links und rechts der A81, wenn man von Stuttgart and en Bodensee fährt? Das habe ich dann recherchiert und umgesetzt.

Du bist selbstständiger Fotograf und hast in dem Wanderführer auch die Texte geschrieben – wie schwer fiel Dir das Schreiben?

Eigentlich versuche ich, allein durch meine Fotografie Geschichten zu erzählen und meine Emotionen weiterzugeben. Im Deutschunterricht war ich wirklich eine Niete und habe immer den größten Bogen um das Schreiben gemacht. Aber hier habe ich eine Chance ergriffen und einen Sinn gesehen, es zu machen. Ich musste ja nichts Neues schreiben, sondern nur meine Erlebnisse und Recherche teilen.

Wie geht es für Dich als Autor weiter? Planst Du schon den nächsten Wanderführer?

Ja, ich mache gerade einen Wanderführer von der Neckarquelle bis zur Mündung. Also vom Schwenninger Moos nach Mannheim. Das sind diesmal 440 Kilometer. Wenn alles gut läuft, wird der nächste Führer im Frühjahr 2023 erscheinen.

Und abgesehen von Deinem Wanderführer – wo können wir Deine Bilder noch sehen?

Ich plane eine Ausstellung in Stuttgart im Weltcafé Mitte Mai. Das genaue Datum steht noch nicht fest. Außerdem habe ich im Schwarzwälder Bote gelesen, dass in Rottweil wohl viele Schaufenster leerstehen. Da wollen die Besitzer Kunst ausstellen. Das wäre doch ‘ne schöne Idee, dort meine Bilder auszustellen.