Sie hat Asterix Deutsch beigebracht: Elisabeth Kabatek am Stuttgarter Feuersee. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

In ihrem neuen Roman „Kleine Verbrechen erhalten die Freundschaft“ schickt Elisabeth Kabatek drei Schwaben bis hoch auf Hallig Hooge. Ihren Lesern rät sie zu kürzeren Wegen: Die Buchhandlung um die Ecke ist der Stuttgarter Bestseller-Autorin allemal lieber als das ferne Amazon.

Stuttgart - Sie ist Bestseller-Autorin aus Stuttgart und unterhält mit ihren modernen Schwaben-Romanen ein großes Publikum. Privat zählt sie sich zur aktiven Bürgergesellschaft – und hofft im Falle Donald Trumps auf ein Wunder.

Frau Kabatek, Ihr letzter Roman „Zur Sache, Schätzle“ ist anderthalb Jahre alt, und schon folgt der nächste: „Kleine Verbrechen erhalten die Freundschaft“. Das nennt man wohl schwäbischen Schaffensdrang?
Das ist Schaffensdrang und Notwendigkeit zugleich. Die Verlage raten den Autoren heute zu einer Neuerscheinung spätestens alle anderthalb Jahre. Die Halbwertzeiten bei der Beachtung neuer Titel schrumpfen immer weiter, das kreative Gedächtnis bei Lesern wird immer kürzer. Die ersten zwanzig Titel auf der Bestsellerliste, die in den großen Buchhandlungen alle vorn am Eingang stehen, verkaufen sich gut. Der Rest muss um Beachtung kämpfen.
Nun haben Sie es aber ja mit vielen Ihrer Stuttgart-Romane in den Verkaufslisten bis weit nach vorn geschafft. Sie gehören zum kleinen Kreis handverlesener Schriftsteller in dieser Stadt, die von ihrer Arbeit leben können. Trotzdem wird gemeckert?
Eher bin ich traurig gestimmt, was das Literaturgeschäft angeht. Es hängt so vieles ab von Verlagen, die mutig sind und zu ihren Autoren stehen, von engagierten Lektoren, von schlauen, neugierigen Buchhandlungen. Meine Lesereisen quer durchs Ländle sind so wichtig für mich, und in fast jeder Buchhandlung, in der ich zu Gast bin, spüre ich den ökonomischen Druck, unter dem die Händler stehen. Es wäre wirklich schön, die Leute würden wieder stärker spüren, wie nah ihnen der Laden ums Eck ist, und wie fern der Amazon.
Dann waren Sie bis im vergangenen Frühjahr auf Tour mit ihrem „Zur Sache, Schätzle“, und haben parallel schon an den „Verbrechen“ gearbeitet. Fällt das Umschalten da immer leicht?
Das gehört schlicht zu meiner Arbeit. Ich bin immer wieder erstaunt, wie wenig bekannt ist, dass die Schriftstellerei, jedenfalls wenn sie gut sein will, mit harter, professioneller Arbeit zu tun hat. Man hat eine Idee, dann muss man recherchieren, dann ringt man um Form und Sprache, dann beginnt die Arbeit mit dem Lektor. Und die meiste Zeit ist man bei dieser Arbeit völlig allein mit sich und dem Monitor des Computers. Das ist sehr anstrengend, und eigentlich verlangt ein Gehirn für solche Anstrengungen nach Belohnung. Aber diese Belohnung gibt es über Wochen und Monate nicht. Das ist hart.
Das ist auch dann hart, wenn man wie Sie sehr lustige Geschichten schreibt?
Es ist nicht von vornherein lustig, lustige Geschichten zu schreiben, sondern ebenso anspruchsvoll wie die Schreiberei generell. Dass Leser sich über diesen Umstand nicht immer klar sind, kann ich ja verstehen. Aber leider muss man es in Dauerschleife Journalisten und Kritikern erklären.

„Auch bei Walser und Grass ist nicht alles für die Ewigkeit“

Ihr Verlag Droemer Knaur führt Sie auf seiner Webseite in der Abteilung „Humor und Charme“.
Damit habe ich überhaupt kein Problem. Im Gegenteil, ich sehe mich sehr gern als Autorin von Unterhaltungsliteratur, weil man die Leser damit wirklich glücklich machen kann. Mich ärgert nur die Missachtung dieses Genres in den Feuilletons.
Ihre Romane gelten den meisten Kritikern so ein bisschen als Comedy in gedruckter Form.
Man sollte nicht glauben, dass gute Unterhaltungsliteratur keine hohe Professionalität erfordere, kein Erzählvermögen, kein Form- und kein Stilgefühl. Diese Überheblichkeit gibt es besonders in deutschen Medien. Im englischsprachigen Raum sieht das ganz anders aus. Alle wichtigen Neuerscheinungen auch aus diesem Genre werden im Literaturteil des London „Guardian“ zuverlässig besprochen. Nur bei uns werden die Augenbrauen hochgezogen.
Nun gibt es bei Unterhaltungsromanen tatsächlich enorme Qualitätsunterschiede.
Bei Walser und Grass, hab ich gehört, soll auch nicht alles für die Ewigkeit sein.
Dass Sie jedenfalls hohe Qualitätsansprüche haben, wissen Ihre Leser sehr wohl. Warum hängt für Sie die Latte so hoch?
Das ist mein Elternhaus, Sprache und Sprachen spielten dort eine große Rolle. Mein Vater war Geschäftsführer beim Ehapa-Verlag, übersetzte die „Asterix“-Comics aus dem Französischen ins Deutsche. Beim sonntäglichen Mittagessen bezog er uns mit ein, da wurde an jedem Satz gefeilt. Sprache war ein Schatz, den man nicht sinnlos vergeudete. So bin ich geprägt, so sitze ich dann heute an meinem Computer und ringe mit mir. Der Leser soll davon natürlich nichts merken, am Ende muss es locker und lustig rüberkommen. Ich sage immer, Schreiben ist wie Kehrwoche, man muss immer nochmal drübergehen.
Ihr neues Buch „Kleine Verbrechen erhalten die Freundschaft“ geht zwar wieder von Stuttgart aus, führt den Leser aber dann doch deutlich über den Limes hinaus. Steckt dahinter Programm?
Dahinter steckt zunächst mal hoffentlich eine gute Geschichte. Mir schwebte eine Abenteuergeschichte vor, die aus dem Stuttgarter Kessel herausführt, ein paar interessante, gegensätzliche Figuren, die sich zufällig begegnen und wie in einem Roadmovie unterwegs sind. Da geht’s dann quer durch Deutschland bis nach Hamburg und Hallig Hooge. Und knallen tut’s auch.
Bei Ihrem sehr genauen Blick auf die Stadt Stuttgart und seine Milieus haben sie drei Figuren gefunden, die natürlich auch wieder irgendwie schwäbisch sind, vor allem aber sehr Stuttgarterisch. Die ältere Dame Luise kommt von der Halbhöhe, der frustrierte Jan aus einer Vaihinger Wohnstraße, die dreißigjährige Sabrina aus dem Unimilieu. Wie kamen Ihnen diese drei in den Sinn?
Auf langen Spaziergängen durch den Heslacher Wald. Den Stoff habe ich natürlich von vielerlei Streifzügen durch die Stadt. Aber zu Figuren sind sie erst in meinem Kopf geworden, durch langes Brüten und Konstruieren.

„Darf ich mir was vom deutschen Feuilleton wünschen?“

Luise, Jan und Sabrina haben jedenfalls alle drei Beziehungsprobleme, die sie hinaustreiben auf die Autobahn. Da begegnet man sich zufällig, macht sich gemeinsam auf Reisen. Und dann braucht man irgendwann zum Weiterkommen Geld. Wird daraus ein Krimi?
Ich würde es nicht Krimi nennen, das können andere besser. Eher eine Sinnsuche mit Krimielementen. Wichtig war mir, nichts zu erzählen, was ich selbst nicht in Augenschein genommen hatte. Deswegen bin ich in der Recherchephase auch selbst auf Reisen gegangen.
Sie waren dabei auch im Schalterraum einer Hamburger Bank? Und in einem Düsseldorfer Luxushotel?
Die Bank ist erfunden, sonst gibt es rechtliche Probleme, das Luxushotel ist echt. Ich habe lange nach einem passenden Standort gesucht. Das Adlon in Berlin war mir zu verbraucht und zu abgeschmackt. Deswegen kam mir Düsseldorf in den Sinn, dort gibt es auch jede Menge Luxus. Ich hatte großes Glück, dass ich die Übernachtungen dort nicht selbst bezahlen musste. Wie sich herausstellte, hatte die Marketingchefin dort mein „Laugenweckle zum Frühstück“ gelesen und liebte es sehr. Ich bekam sozusagen vom Haus ein Recherche-Stipendium.
Frau Kabatek, Sie sind im Privaten eine sehr engagierte Stadtbürgerin, aber Politik spielt in ihren Büchern nicht wirklich eine Rolle. Warum?
Ich sehe meine berufliche Gabe darin, gute Unterhaltungsromane zu schreiben. Die spielen in einer sehr realen Gesellschaft von Hier und Jetzt, und Politik kommt am Rande vor, zum Beispiel meine ablehnende Haltung von Stuttgart 21. Ich bin nicht Carolin Emcke, die ich sehr bewundere und deren dokumentarisches Buch „Von den Kriegen – Briefe an die Freunde“ ich gerade mit Spannung gelesen habe und nur jedem zur Lektüre empfehlen kann. Als Privatperson jedenfalls fühle ich mich moralisch verpflichtet zum Engagement in der Stadt. Das hängt vermutlich auch wieder an meinem Elternhaus – tiefster schwäbischer Pietismus.
Lassen Sie uns am Beginn des neuen Jahres ein bisschen Glücksfee spielen. Was wünschen Sie sich von 2017? Klar, viele Leser für Ihren neuen Roman. Und in der Politik?
Oh je. Wie unrealistisch darf ich denn sein?
Beim Wünschen darf man träumen. Drei Wünsche sind frei.
Dann wünsch ich mir für das Jahr 2017 Frieden in Syrien. Dass es mit Donald Trump als Präsident nicht so schlimm wird, wie wir gerade befürchten. Und dass bei uns die kollektive Stimmung gegenüber den Flüchtlingen nicht kippt und nicht noch mehr Leute hysterisch werden. Und darf ich mir auch was vom deutschen Feuilleton wünschen?
Mal sehen. Was denn?
Immer so schöne lange Interviews.