Zu groß und mit schlechter Bildqualität: Tonneweise landen alte Röhrenfernseher auf dem Sperrmüll, weil sie durch ein Flachbildgerät ersetzt werden. Leisten kann sich das der Deutsche: 36 Stunden muss er heute noch für einen neuen Fernseher arbeiten, 1960 waren es 338 Stunden. Foto: Fotolia

Zehn Kilo elektronische Geräte wirft jeder Deutsche pro Jahr weg, weil die Geräte schnell kaputt gehen oder nicht mehr modern sind.

Stuttgart - Der Föhn hat einen Wackelkontakt, die Waschmaschine pumpt nicht mehr ab – schon wieder, denkt so mancher Verbraucher und wird das Gefühl nicht los, dass Elektrogeräte heute viel schneller kaputt gehen als früher. Aber stimmt das tatsächlich? Und wenn ja, was sind die Gründe? Eine Spurensuche.

Die Hersteller

Höschen aus, ans Auto gebunden, fertig war das Abschleppseil: In alten Filmen hat die Nylonstrumpfhose noch solch große Auftritte, heute wachsen Laufmaschen schneller, als man eine neue Strumpfhose kaufen kann. Genau um diesen Absatz anzukurbeln hat der Konzern DuPont, Entwickler der Feinstrumpfhose, 1940 das Nylongewebe so abändern lassen, das die Haltbarkeit begrenzt war. Geplante technische Obsoleszenz lautet der Begriff, der in der letzten Zeit vor allem auch im Zusammenhang mit den Herstellern von Elektrogeräten auftaucht. Mit kürzeren Lebenszyklen, so der Vorwurf, wollen sie die Nachfrage ankurbeln. „Praktisch alle Hersteller weisen dies weit von sich, systematische wissenschaftliche Untersuchungen zu dem Thema fehlen noch“, sagt Verbraucherforscherin Lucia Reisch, die derzeit unter anderem an der Zeppelin University in Friedrichshafen forscht. „Beispiele wie der Drucker, der nach einer bestimmten Seitenzahl kaputt geht, liefern aber Hinweise auf solche geplanten Sollbruchstellen.“

Der Verbraucherschützer

Der Verbraucherschützer

„Der Akku war verschraubt und verklebt. Um ihn auszutauschen, musste ich das Gehäuse beschädigen. Danach funktionierte das Smartphone nicht mehr.“ – „Der Drucker druckt ein halbes Blatt, dann meldet er einen Papierstau, den es nicht gibt. Eine Reparatur ist teurer als ein Neugerät.“ – „Pünktlich nach Ablauf der Garantie hat die Kaffeemaschine den Geist aufgegeben, die Reinigungstaste lässt sich nicht mehr drücken.“

Stefan Schridde sammelt auf der Internetseite www.murks-nein-danke.de seit einem Jahr solche Beispiele von Verbrauchern, die den Verdacht haben, der Hersteller habe gezielt Schwachstellen in ihr Gerät eingebaut. „Inzwischen bin ich überzeugt davon, dass absichtlich Verschleißteile wie Kunststoff- statt Metallfedern verwendet werden, damit die Waren früh kaputtgehen“, sagt der selbstständige Betriebswirt. Etliche Ingenieure hätten ihm bestätigt, dass die Teile bei der Produktion so ausgewählt werden, dass das Gerät nicht über eine festgelegte Lebenszeit hinaus funktioniert. Und diese Lebenszeit sei deutlich kürzer als früher: „Ein Haushaltsgerät wie Waschmaschine, Kühlschrank oder Backofen hat man heute noch fünf bis acht Jahre, früher waren es 20 Jahre.“ Auch diese Angaben sind Erfahrungswerte der Verbraucher, die sich auf Schriddes Seite zu Wort melden. „Belastbare Zahlen fehlen, es ist jedoch geplant, diese zu erheben“, sagt Martin Ittershagen vom Umweltbundesamt.

Das Argument der höheren Kosten für hochwertigere Teile lässt Stefan Schridde nicht gelten: „Eine Metallfeder statt ein Kunststoffmodell in den Einschaltknopf beim Computer einzubauen, würde ein paar Cent mehr kosten, die Lebensdauer würde sich dadurch aber um mehrere Jahre verlängern.“ Tatsächlich machen die Materialkosten der meisten Elektrogeräte nicht mehr als 15 bis 20 Prozent des Produktpreises aus. Der Rest sind die Kosten für Entwicklung und Werbung.

Der Elektrotechniker

Der Elektrotechniker

Als Gerhard Wollandt vor 30 Jahren sein Elektrogeschäft in Fellbach eröffnete, gehörte es zu seinem Tagesgeschäft, kaputte Kabel und Federn bei Föhn oder Rasierapparat auszutauschen. „Heute ist das Kabel für den Föhn teurer als das ganze Gerät“, sagt der Elektrotechniker, der inzwischen 67 Jahre alt ist. Eine Reparatur lohne sich für den Kunden da aus wirtschaftlicher Sicht meist nicht. „Viele Geräte sind heute zudem so kompliziert aufgebaut, dass die Reparatur viel länger dauert als früher.“ Auch das steigert die Kosten. „Und viele Hersteller rücken die Unterlagen gar nicht erst heraus, die man braucht, um ihre Technik zu reparieren.“ Der Kunde muss dann in spezielle Vertragswerkstätten gehen. „Hier kann der Hersteller kontrollieren, was die Reparatur kostet“, sagt Betriebswirt Stefan Schridde. Meist bekomme der Kunde ohnehin ein neues Gerät, weil es überhaupt keine Ersatzteile gibt. „Schon bei der Entwicklung entscheiden heute viele Hersteller, dass sie ein reines Wegwerfgerät auf den Markt bringen“, sagt Elektrotechniker Wollandt.

Der Kunde

Der Kunde

Früher wurde das Telefon bei der Telekom gemietet und war dann jahrelang in Gebrauch. Heute tauschen die meisten Verbraucher nach spätestens 18 Monaten ihr Handy gegen ein neues Modell. „Warum auch nicht, wenn der Anbieter es zahlt?“, denken Vertragskunden, die gratis mit der neuen Technik versorgt werden. Die alten Geräte funktionieren zwar noch, werden aber trotzdem aussortiert, weil sie nicht mehr auf dem neuesten Stand sind.

Mit neuen Modellen Nachfrage schaffen – zu dieser so genannten psychologischen Obsoleszenz stehen die Hersteller offen, sagt Verbraucherforscherin Lucia Reisch. Schon in den 30er Jahren führte General Motors die Idee des jährlichen Modellwechsels beim Auto ein, um den Umsatz nach der Großen Depression anzukurbeln.

Hinzu kommt, dass es sich viele Kunden heute ganz einfach auch leisten können, ein Handy, einen Rasierapparat oder einen Fernseher regelmäßig zu ersetzen: 1960 musste ein Deutscher 338 Stunden arbeiten, um sich einen Fernseher kaufen zu können, 2011 waren es nur noch 36 Stunden.

Die Folge ist ein Berg aus Elektroschrott, der weltweit jährlich um bis zu 50 Millionen Tonnen wächst. Bis zu zehn Kilo Handy, Kühlschränke oder Navigationsgeräte wirft jeder Deutsche pro Jahr weg, der Großteil des Elektroschrotts landet im Restmüll, wo er verbrennt, statt wiederverwertet wird. Aber auch die Geräte, die auf Wertstoffhöfen, auf dem Sperrmüll oder bei den Herstellern landen, werden nur teilweise recycelt. Der andere Teil wird als vermeintlich wiederverwertbare Secondhand-Ware nach Afrika oder Asien verschifft. Auf der Suche nach Wertstoffen wie Aluminium oder Kupfer nehmen dort Kinder die Geräte auseinander – und setzen sie hierzu in Brand, wobei hochgiftige Dämpfe entstehen. Für den Bau neuer Geräte müssen die Hersteller dann neue wertvolle Rohstoffe abbauen, oft unter erheblicher Belastung der Umwelt und unter Verletzung der Menschenrechte.

Kunden, die ihr Elektrogerät länger als ein paar Monate nutzen wollen, rät Betriebswirt Stefan Schridde beim Kauf folgende Fragen zu stellen: „ Können Sie mir zeigen, wie das Gerät zur Reparatur geöffnet wird und wie man den Akku wechselt? Sichern Sie mir schriftlich zu, dass es für das Gerät Ersatzteile gibt?“ Ein solches Gerät könne man dann zwar nicht kaufen, weil es der Markt nicht anbiete. „Aber wenigstens merkt der Hersteller, dass der Kunde kein Wegwerfgerät will.“