Bürsten und Besen werden in Römlinsdorf noch heute in Handarbeit hergestellt. Joachim Reinke demonstriert es. Foto: rt

Die "Sonne" in Römlinsdorf war einst eine typische Schwarzwälder Gastwirtschaft, bekannt für ihre deftigen Vesper. Auch heute gibt es wieder Spezialitäten in der "Sonne", Spezialitäten haariger Art – handgemachte Bürsten, Pinsel, Besen und vieles mehr.

Alpirsbach-Römlinsdorf - "Erstes Bürstenfachgeschäft in Alpirsbach", nennt Familie Reinke ihre Schauwerkstatt mit Verkaufsraum, die sie am Donnerstag, 24. März, offiziell eröffnet. In der ehemaligen Gaststube der alten "Sonne" gibt es ein paar einfache Arbeitsplätze und eine Unzahl von Gerätschaften für Körperpflege von Kopf bis Zeh, für Schuhe und Haushalt, für Garten und Straße. Rund ein Drittel des Sortiments wird in der Gaststube von Familie Reinke selbst hergestellt, zum Teil mithilfe uralter Schneidegeräte. Es ist harte, einfache Handarbeit, wie man sie sich vorstellt; der Zackenscherer ist die einzige elektrische Maschine in der Werkstatt.

Weg führte über Umwege

Joachim Reinke (64) kam auf Umwegen zum Bürstenbinden. Mit seiner Frau Annette betrieb er das 1986 gegründete Naturbekleidungsgeschäft in der Freudenstädter Reichsstraße. Dort nahm er – mehr zu Dekorationszwecken – Bürsten mit ins Angebot, bald auch mit auf seine Stände bei Messen und Märkten bis hin zum mehrwöchigen Weihnachtsmarkt auf dem Gendarmenmarkt in Berlin.

Von einem Fachmann angeleitet, erlernte er das Bürstenmachen, zeigte es auf Märkten an seinem Stand, fand viel Interesse und führte viele Gespräche über die Bürstenmacherei. Der Laden in Freudenstadt musste Ende der 90er-Jahre schließen. Vor knapp 15 Jahren erwarb die Familie Reinke das Anwesen in Römlinsdorf. Inzwischen beherrschte Ehefrau Annette längst die Kunstfertigkeit des Bürstenmachens, und Tochter Jana (33) wurde es "in die Wiege gelegt". Was Wunder, dass sich auch ihre Tochter Alexa (elf) schon ganz gut mit Besen und Pinseln auskennt.

Der Natur treu geblieben

Der Natur sind die Reinkes dabei treu geblieben. Sie verwenden nur Naturborsten und Naturhaar, nur Holzteile von Buchen aus dem Südschwarzwald, nur pflanzliche Fasern. Da gibt es wahrhaftig auch den veganen Rasierpinsel. Borsten und Haare von Schwein, Wildschwein, Ross und Dachs werden in verschiedenen Stärken von Fachfirmen geliefert. Wenn’s der Herr besonders sanft ums stoppelige Kinn haben möchte, kann’s auch mal ein kuschelweicher Rasierpinsel vom Silberspitzen-Dachs sein.

Ähnliches findet die Gattin unter den Kosmetikpinseln. Es sei denn, sie legt mehr Wert auf die speziell geformte Rundbürste zur Steckdosen-Reinigung. Es überrascht, für was es alles Bürsten und Besen gibt. Der gut anderthalb Meter lange Schrank- und Eckenfeger eigne sich auch unter den Betten, "wo der Staubsauger nicht hinkommt", erklärt Annette Reinke. Tochter Jana hingegen legt den viel gefragten "Bauchpinsel" ans Herz, mit dem nicht nur das eigene Selbstwertgefühl getätschelt werden kann. Sehr viel praktischer hingegen ist der kleine Kamm- und Bürstenreiniger einzusetzen. Die Bürste für die Bürste.

Noch immer auf Messen und Märkten

Noch immer bedient Familie Reinke Messen und Märkte. Nur da lief in den vergangenen beiden Jahren wegen Corona so gut wie nichts. "Wir hatten ganz konkrete Existenzängste", sagt Joachim Reinke, zumal das Onlinegeschäft nur zögerlich anlief. Reinke: "Ohne die Soforthilfen durch den Staat hätten wir alt ausgesehen." Jetzt konzentriert sich die Familie auf ihr neues Angebot und hat dazu die Werkstatt zu einer kleinen Fundgrube für naturnahe Geschenke und die kleinen Dinge des Lebens umgestaltet.