Die Eislaufhalle auf der Messe Offenburg war im vergangenen Jahr zeitweise zur Außenstelle der Landeserstaufnahmestelle Freiburg umfunktioniert worden. Bis zu 500 Schlafplätze wurden dort Mitte März eingerichtet. Unser Foto zeigt eine Mutter mit ihrer Tochter, die zusammen mit ihren Haustieren Anfang März ihre ukrainische Heimat verlassen hatten. Foto: Armbruster

Tausende Ukrainer haben im vergangenen Jahr in der Ortenau Zuflucht gesucht. Sie aufzunehmen, war für Kreis, Kommunen und Helfer eine Mammutaufgabe. Landrat Frank Scherer spricht anlässlich des Jahrestags des Kriegs von einem „Riesenkraftakt“.

Der russische Angriff auf die Ukraine am 24. Februar 2022 löste eine erneute Flüchtlingswelle aus. „Gerade zu Beginn des Ukraine-Kriegs war die Bereitschaft vieler Ortenauerinnen und Ortenauer sehr groß, Kriegsflüchtlinge privat aufzunehmen“, erinnert sich Landrat Frank Scherer und betont: „Sonst hätten wir es nicht geschafft.“ Es sei ein Riesenkraftakt gewesen, innerhalb kürzester Zeit Plätze in der „vorläufigen Unterbringung“ wieder hochzufahren. „Durch unser bewährtes Konzept, einer Mischung aus mittelfristigen Objekten, Containeranlagen und kurzfristigen Verträgen, konnten wir die Plätze verdreifachen und wir arbeiten weiterhin mit Hochdruck daran, neue Plätze zu schaffen“, erklärt er.

Fast 6000 Ukrainer in der Ortenau: Insgesamt 5640 Menschen aus der Ukraine leben derzeit im Kreis – fast ein Drittel ist jünger als 16 Jahre. Die meisten von ihnen – etwa 70 Prozent – sind privat untergekommen. 1447 Ukraine-Flüchtlinge wurden 2022 in die vorläufige Unterbringung – der ersten Station des dreistufigen Aufnahmesystems in Deutschland auf Kreisebene – aufgenommen. Noch rund 300 von ihnen wohnen in Kreiseinrichtungen. Es sind Containeranlagen und feste Gebäude dabei. 939 Ukrainer sind im Laufe des Jahres in die Anschlussunterbringung in der Zuständigkeit der Kommunen gewechselt.

Flüchtlingsstrom ebbte im September ab: „Kurz nach Ausbruchs des Krieges waren die Zahlen sehr hoch, was etwa bis zum September anhielt“, heißt es aus dem Landratsamt. Seither werden durch das Land weniger Menschen aus der Ukraine verteilt. Zahlreiche Flüchtlinge kämen mittlerweile jedoch als „Direktzugänge“ ohne den Umweg über die Landeseinrichtungen, da sie Verwandte oder Bekannte haben, die bereits im Ortenaukreis leben.

Hallen als Unterkunft kaum genutzt: Die kreiseigenen Sporthallen in Kehl, Lahr und am Mattenhof in Gengenbach wurden zwischenzeitlich zu Notunterkünften ausgebaut. „Hiervon wurde bisher nur die Halle im Mattenhof im Zeitraum Ende Oktober bis Ende dieser Woche belegt“, teilt Kreissprecher Kai Hockenjos am Mittwoch mit. Die Halle bleibe wohl bis Sommer in Bereitschaft. „Die Halle in Lahr wird aktuell zurückgebaut, die Halle in Kehl soll nach Bezugsfertigkeit der Containeranlage an der Kreisschule als Notunterkunft herausgenommen werden“, so Hockenjos.

Herausforderung für Ämter und Behörden: Das neunköpfige Team der Asylbewerberleistungsbehörde des Kreises hatte Ende Januar noch 1870 Menschen zu versorgen, Ende März waren es schon 2978 und Ende Mai 5050. Auch die Ausländerbehörde sei stark gefordert gewesen, da die Ukrainer alle erkennungsdienstlich behandelt werden mussten und die Ausstellung einer sogenannten Fiktionsbescheinigung Voraussetzung für den Bezug von Hartz IV-Leistungen ab Juni war, so Kreissprecher Hockenjos. „Die Verfahren in den Behörden haben sich mittlerweile etabliert und wir können die zumeist gut ausgebildeten Ukrainer nach Abschluss ihrer Sprachkurse auf unserem Arbeitsmarkt sehr gut brauchen“, erklärt Alexandra Roth, Leiterin des Migrationsamts.

Kosten der Krise schwer abzuschätzen: Die Kosten der vorläufigen Unterbringung für die Ukrainer werden dem Kreis vom Land Baden-Württemberg erstattet, erklärt Kai Hockenjos. Bei der kommunalen Arbeitsförderung Ortenau (KOA) – seit Juni zuständig für die finanzielle Versorgung der Ukraine-Flüchtlinge – entstanden im vergangenen Jahr mindestens rund 410 000 Euro Mehrkosten für den Kreis. „Der Fallzuwachs bei der KOA löste einen starken Bedarf an zusätzlichem Personal aus. Die tatsächlich daraus resultierenden Mehrkosten können derzeit noch nicht beziffert werden“, so Hockenjos.

Flüchtlingssituation bleibt weiter angespannt: „Wie viele Menschen künftig noch nach Deutschland flüchten, hängt sicherlich von der Länge und Intensität des Krieges in der Ukraine ab“, erklärt Amtsleiterin Alexandra Roth. Bereits seit Herbst 2021 stiegen die Zahlen der Asylbewerber im Kreis. 2022 kamen 1294 nicht-ukrainische Flüchtlinge in die Ortenau. „Weder im Nahen Osten noch in Afrika ist ein Ende der kriegerischen und politischen Auseinandersetzungen absehbar. Insofern habe ich leider keine Glaskugel, die Entwarnung geben kann.“