Der Dichter, Philosoph, Maler und Naturfreund Heinrich Schäff-Zerweck in seinem "Paradiesgarten" vor seiner Dichterklause in Hallwangen. Foto: Archiv Kalmbach

Er seiner Zeit weit voraus: Der "grüne Prophet", Dichter, Maler, Philosoph und Schriftsteller Heinrich Schäff-Zerweck wurde vor 160 Jahren geboren.

Dornstetten-Hallwangen - Das richtige Datum – Heinrich Schäff-Zerweck wurde am 27. April 1862 in Stuttgart in der alten Kirchstraße nahe der Stiftskirche geboren – verlegte er nämlich einfach um einen Tag, deshalb ist oft der 28. April benannt. So hatte der "Einsiedler" an seinem richtigen Geburtstag die gewünschte Ruhe. Fast ebenso verwirrend ist sein Geburtseintrag im Stuttgarter Familienregister: "Hermann Carl Zerweck, Sohn des Konditors Friedrich Zerweck aus Hall und der Stuttgarter Flaschnerstochter Heinrike geborene Schäff."

Erste Naturerfahrungen im Garten der Großeltern

Die kleine Konditorei der Zerwecks besuchten die sparsamen Schwaben zu wenig, selber backen war angesagt. Um der Pleite zu entgehen, zog das Ehepaar Zerweck nach Hall, und die dort eröffnete Konditorei fand bei den ausgabefreudigeren Franken den erhofften Zuspruch.

So wuchs der kleine Hermann zunächst bei den Großeltern Schäff in Stuttgart auf, deren Haus er als sein eigentliches Elternhaus betrachtete, war er doch der Liebling von Großvater Schäff. Der große und schöne Garten war, wie er später beschrieb: "Mein grünes Paradies, in welchem ich wie Adam vor dem Sündenfall mit allem was darinnen war, auf du stand: mit Schmetterlingen, Raupen, Eidechsen und was sonst noch alles anzutreffen war. Und ich machte in diesem umzäunten Eden die wichtigsten Bekanntschaften."

Liebe zur Natur und Achtung vor der Schöpfung

Sicherlich wurde hier die Liebe zur Natur und Achtung vor der Schöpfung in dem Buben angelegt, die er bis zum Lebensende lebte. Im Stuttgarter Webergässlein erhielt der aufgeweckte und begabte Junge bei seinem liebenswürdigen Urgroßvater Jakob Baun den ersten Zeichenunterricht. Zeitlebens war Baun als Steinmetz ein Mitarbeiter des berühmten Bildhauers Danneker gewesen. Innerhalb weniger Monate verlor der damals Sechsjährige den Urgroßvater Baun und den Großvater Schäff. Nun förderte Großmutter Heinrike Schäff die Talente ihres Enkels. Aus Dankbarkeit legte Hermann Zerweck sich als Schriftsteller später den Namen Heinrich Schäff zu.

Halb Europa und Kleinasien erwandert

Schon in seiner Schulzeit begann er unter der Schulbank auf dem Schoß zu schreiben, während der "Herr Lehrer" das höhere Rechnen an der Schultafel erläuterte. Auch das Chemiestudium am Stuttgarter Polytechnikum mit Detonationen und Rauchwolken seines Laboratoriums im großelterlichen Gartenhäuschen fand mit dem wachen Gesetzesauge des Flurschützen bald ein Ende.

Der Student strebte seinen Übergang zur Stuttgarter Kunstakademie an, denn schon immer wollte er Maler werden. Der spätere Schriftsteller, Dichter und Philosoph war ursprünglich ein studierter Kunstmaler. Der ersten Veröffentlichung "Mein Gehölz" mit 16 Zeichnungen folgten viele Gemälde.

Schwächeanfall am Genfer See

Nach Abschluss seines Kunstmaler-Studiums schnürte der 27-jährige Schäff-Zerweck sein Bündel, um mit großer Wissbegier, Notizbuch, Skizzenblock und Farbenschachtel das ganze "Deutsche Reich", halb Europa und Kleinasien zu erwandern. Beginnend in der Schweiz, wo er mit Bilderverkäufen seine Reisekasse bestückte. Beim Abstieg zum Genfer See erlitt er einen Ohnmachtsanfall und wurde von einem hilfsbereiten Winzer mit Wein und Brot wieder auf die Beine gestellt.

Übereifrige Magd verbrannte Zeichnungen und Manuskripte

Italien war das Ziel, das er mit seinem Malerfreund Hans Krauß zu Fuß über die Alpen bis nach Mailand und Florenz erwanderte. All seine Manuskripte, Zeichnungen und Briefe nahm er auf diesem Fußmarsch mit und sortierte sie im Hotelzimmer in Florenz verteilt auf dem Boden. Die Tragödie nahm ihren Lauf: Eine ordnungsliebende Magd warf beim Putzen rundum alles in das lodernde Kaminfeuer.

"Paradiesgarten" um die Dichterklause

Resignation ließ Schäff-Zerweck nicht aufkommen, stattdessen setzte er seine Fußreise fort über Griechenland bis in die heutige Türkei. Überall hatte er auch so manche Gefahr zu überwinden. Seine körperlichen Kräfte und seine Finanzen waren am Ende, und er kehrte für drei Jahre zurück nach Stuttgart, unter anderem zu seinem Bruder Albert, der ihn zeitlebens unterstützte.

Danach zog es ihn drei Jahre nach Italien, jetzt mit seinem Diener Rudolf Schneider. Darüber berichtete er in seinem Büchlein "Südwärts – aus den Reiseepisteln". Der Respekt vor den Menschen und der Kultur im Gastland war für ihn oberstes Gebot. Seine geistigen Werke ließ er dieses Mal bei seinem Bruder, der eine Reihe von Gedichten veröffentlichen ließ, die Begeisterung auslösten.

Der Maler unter Spionageverdacht

Eine gewaltige Zäsur in seinem Leben war der Ausbruch des Ersten Weltkriegs. Deshalb zog er vorsichtshalber wieder ins Heimatland Württemberg. Im Schloss in Wildberg nahm ihn ein Malerfreund auf. Die Wildberger beäugten das "Malernest" argwöhnisch. Besonders verdächtig erschien ihnen der Bärtige mit verschiedenen Namen – das konnte nur ein russischer Spion sein.

Am 8. Mai 1915 floh Schäff-Zerweck still und heimlich und landete in Hallwangen: "Ich stieß in dem bei Freudenstadt gelegenen Hallwangen meinen Wanderstab in den Boden, damit er ein Zeichen tue und grüne, allwo mir für meinen Lebensabend ein eigen Dach und ein Gartenzaun geworden ist, die ich beide zu schätzen weiß." Jetzt kam der "grüne Prophet" in ihm voll zum Tragen: Er schrieb Aufsätze über die Bedeutung von Bauernhochschulen und des Naturschutzes, über die Bedeutung des Eigenheimbaus und die Notwendigkeit von Bausparkassen und des Volkstums.

Haus mitten im Grünen

Schäff-Zerweck durfte im Haus von Hermann Hornberger an der Landstraße wohnen, das völlig im Grünen lag – die "Sonnenklause". Es ging ihm auch finanziell nicht schlecht, erhielt er doch neben Honoraren auch Unterstützung durch den Mäzen und Fabrikanten Model und seinen Bruder Albert. Die Krönung seines Lebens war jedoch die Überlassung des Landhäuschens oberhalb der Landstraße in Hallwangen, das sein Bruder Albert für seinen eigenen Lebensabend gekauft hatte und Bruder Heinrich kostenlos als Wohnstätte überließ.

Zeitlebens gesundheitlich angeschlagen

Sein Diener Rudolf Schneider, ein Österreicher, blieb in der Sonnenklause wohnen und betreute tagsüber Schäff-Zerweck, der zeitlebens gesundheitlich angeschlagen war. Nachts wollte der Dichter alleine sein. In seinem Paradiesgarten um die Dichterklause durfte alles wild wachsen und jedes Getier seine Heimat finden.

Ein Gedenkstein erinnert an Schäff-Zerweck

Schäff-Zerweck pflegte regen Kontakt zu den geistigen Größen seiner Zeit. Treffend sagte Hermann Hesse von ihm, dass sein Wesen Reichtum sei, der bescheiden aussehe. Zu seinem 70. Geburtstag im Jahr 1932 wurde Schäff-Zerweck Ehrenbürger von Hallwangen. Auf dem Köpfle erinnert ein Gedenkstein im Forchenhain an den unvergessenen Naturfreund, Dichter, Maler und Philosophen.

Auch eine Straße wurde nach ihm benannt. 1934 besuchte der Maler Karl Stirner seinen Freund in Hallwangen und porträtierte ihn. Die Tragik seines Lebens war wiederum das Feuer: Beim Brand seiner Dichterklause kam er im Dezember 1937 ums Leben.