Der Neubau des Stuttgarter Hauptbahnhofs wird auf den Betrieb der Stuttgarter Straßenbahnen (SSB) durchschlagen. Das Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21 spricht von einem Rückschritt im öffentlichen Nahverkehr.
Stuttgart - Der Bau des neuen Tiefbahnhofs in der Landeshauptstadt wird, anders als bisher geplant, zu Einschränkungen im Stadtbahn-Betrieb führen. Wie gravierend diese sein und wie lange sie dauern werden, will die Stuttgarter Straßenbahnen AG (SSB) 2014 in einem neuen Betriebskonzept für die Bauzeit darstellten. Jeden Werktag fahren rund 600.000 Menschen mit den SSB.
Vorgabe für das Konzept sei, dass „alle Stadtbahn-Haltestellen weiterhin mit Stadtbahnen bedient werden und wir einen Busersatzverkehr ausschließen“, sagt SSB-Sprecherin Susanne Schupp. Ein Busverkehr in der Innenstadt als Ersatz für Stadtbahnzüge sei „keine Alternative“.
Eigentlich sollte das Bahnprojekt Stuttgart 21 die SSB nicht tangieren. Der städtische Nahverkehrsbetrieb muss für den bei S 21 geplanten Tiefbahnhof unter anderem sowohl seine Haltestelle Staatsgalerie als auch die Tunnel zwischen Staatsgalerie und Charlottenplatz sowie den Abzweig Richtung Hauptbahnhof neu bauen. Das sollte fünfeinhalb Jahre lang, bis Ende 2019, „unter Betrieb“ geschehen. Nun führen offenbar die Verzögerungen der Bahn-Bauarbeiten dazu, dass der Stadtbahnbetrieb doch eingeschränkt werden muss.
Das Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21 und Hannes Rockenbauch, Sprecher der Gemeinderatsfraktion SÖS/Linke, kritisierten am Mittwoch die neue Lage. Der Baustellen-Fahrplan werde zu Umleitungen und damit längeren Fahrzeiten, zur Ausdünnung des Fahrplans und zwangsweisem Umsteigen führen, sagte der Ingenieur Hans Heydemann: „Die SSB droht in den Strudel der Stuttgart-21-Probleme zu geraten.“
Ein Teil des Stuttgarter Westens wird abgehängt
Laut Heydemann droht im gesamten Netz ein „Rückfall vom Zehn- auf den 15-Minuten-Takt“. Das bisher im Gegensatz zur S-Bahn sehr pünktliche System Stadtbahn werde damit unattraktiv, die SSB werde Einnahmen verlieren. Die SSB-Pläne sehen offenbar Umleitungen bis Dezember 2016 über den Berliner Platz, dann bis 2019 über den Charlottenplatz vor.
Weil die Stadtbahnkreuzung Berliner Platz schon heute stark belastet sei, bedeute dies, dass die U 4 und damit ein Teil des Stuttgarter Westens abgehängt wird. Auch die Wasenlinie U 11 werde ausfallen.
Die Einschränkungen will Schupp nicht bestätigen. Im Gegenteil: „Auch der Hölderlinplatz wird weiter angefahren – aber entweder mit einer anderen Linie, oder es muss umgestiegen werden.“ Betroffen seien Fahrgäste auf den Linien U 1 (Vaihingen–Fellbach), U 4 (Hölderlinplatz–Untertürkheim), U 9 (Botnang–Hedelfingen) und U 14 (Heslach–Remseck).
Ein Mitglied der Parkschützer erwartet für den Evangelischen Kirchentag im Juni 2015 Probleme. Schupp verneint: Bis Ende 2015 werde an der neuen Haltestelle Staatsgalerie gebaut, dann erst an den Tunnelanschlüssen. „Der Kirchentag ist nicht betroffen“, sagt sie. Neben den Baukosten werde die Bahn den SSB „betriebliche Mehrkosten“ ersetzen.
Das Aktionsbündnis hat an den vor einem Jahr vom DB-Vorstandsvorsitzenden Rüdiger Grube geleisteten „Offenbarungseid“ erinnert. Er musste einräumen, dass sich das Bauvorhaben von 4,5 auf 6,5 Milliarden Euro verteuert. Das Bündnis reagierte mit Strafanzeigen wegen Betrugs und Untreue, auch gegen Infrastruktur-Vorstand Volker Kefer. Der Berliner Generalstaatsanwalt stellte das Verfahren allerdings ein. Das Aktionsbündnis will dagegen Beschwerde einlegen. „Es geht um schwere Wirtschaftskriminalität“, sagt der Aktionsbündnis-Anwalt Eisenhart von Loeper.