Lady Gaga erweist Tony Bennett ein weiteres Mal die Ehre. Foto: Universal

Im Duett holen Tony Bennett und Lady Gaga die großen Songs von Cole Porter in die Gegenwart auf ihrem zweiten Album „Love for Sale“.

Stuttgart - Duette haben ihren besonderen Reiz, im Idealfall entsteht ein spielerisches Knistern zwischen einer Sängerin und einem Sänger – ganz besonders, wenn sie „Lovesongs“ intonieren. Lady Gaga (35) und Tony Bennett (95) gelingt das nun auf ihrem zweiten gemeinsamen Album „Love for Sale“ – was auch damit zu tun hat, dass der immense Altersunterschied eine vergangene Ära mit der prallen Gegenwart verbindet.

Alle Stücke sind Jazzstandards des legendären Broadway-Komponisten Cole Porter (1891–1964), der es wie kein Zweiter verstand, sehnsüchtige Leidenschaft in Musik zu gießen, leichtfüßig, tiefgründig und mit geistreichem Witz. Zum Jazz-Orchester-Soundtrack zelebrieren Lady Gaga und Tony Bennett die Liebe in all ihren Facetten. Sie beschwören „Night and Day“, gehen gemeinsam „Dream Dancing“, beteuern „I concentrate on you“, „I get a Kick out of you“ und „I got you under my skin“. Da baut Lady Gaga einen kleinen Gag ein: Sie trägt die Tätowierung einer Zeichnung Bennetts von Miles Davis’ Trompete auf dem Arm – und singt am Ende „like a tattoo under my skin“.

Sie machen einander gewitzte Komplimente

Antiquierte Begriffe wie „swell“ („großartig“) schwirren in diesen Songs durch den Raum, die klingen wie aus einer besseren Zeit – die nicht unbedingt besser war, aber zumindest über eine erhebende Unterhaltungsmusik verfügte, die bis heute einen magischen Reiz verströmt. In „You’re the top“ aus dem Musical „Anything goes“ (1934) machen die beiden einander Komplimente, bezeichnen einander abwechselnd als „the smile on the Mona Lisa“ und „the feet of Fred Astaire“, „turkey dinner“ und „the purple light of a summer night in Spain“ – romantischer wird’s nicht und gewitzter schon gar nicht.

Tony Bennett alias Anthony Dominick Benedetto ist eine lebende Legende, sein nicht minder legendärer Kollege Frank Sinatra hat ihn 1965 im „Life Magazine“ als „best Singer in the Business“ bezeichnet. Mit 95 Jahren ist Bennetts Stimme nicht mehr ganz so geschmeidig wie früher, er raspelt stärker, doch sein Ausdruck und seine Präsenz sind nach wie vor eine Sensation. Wie schon auf dem ersten Album „Cheek to Cheek“ gelingt es Lady Gaga alias Stefani Joanne Angelina Germanotta, Bennett stimmlich zu umgarnen. Sie intoniert das klassische Repertoire würdevoll und auf Augenhöhe mit dem alten „Crooner“, wie die Amerikaner ihre großen Sanges-Show-Charmeure nennen – die gängige deutsche Übersetzung „Schnulzensänger“ greift auf groteske Weise zu kurz.

Die Kooperation hat Lady Gaga viel Respekt eingebracht

Die beiden haben sich 2011 bei der Robin-Hood-Foundation-Gala in New York City kennengelernt, und er lud sie ein, mit ihm den Evergreen „The Lady is a Tramp“ aufzunehmen für sein Album „Duets II“ (2011). Bennett war beeindruckt – und so entstand das gemeinsam Album „Cheek to Cheek“ (2014). Lady Gaga hat diese Kollaboration viel Respekt eingebracht, sie herausgelöst aus der Sphäre des weiblichen Glitzerpop. Dazu hat auch ihr bemerkenswerter Auftritt als aufstrebende Sängerin in dem Country-Drama „A Star is born“ (2018) beigetragen: Sie war für den Hauptrollen-Oscar nominiert, ihre Komposition „Shallow“, vorgetragen im Duett mit Bradley Cooper, wurde als bester Song ausgezeichnet. Bei der Amtseinführung von Joe Biden im Januar 2021 sang Lady Gaga die Nationalhymne, und sie tat es mit einer Wucht, die die vier dunklen Trump-Jahre förmlich hinwegfegte.

Auf „Love for Sale“ hat sie zwei Soli, darunter eine überschwängliche Version von „Let’s do it“, die auch neben Eartha Kitts vibrierender Version von 1951 bestehen kann. In „Do I love you“ säuselt Lady Gaga zunächst ganz zauberhaft, um dann aus voller Brust zu schmettern. Da schwingt eine tragische Note von Abschied mit: Bei Bennett wurde vor fünf Jahren Alzheimer diagnostiziert – dies wird wohl sein letztes Album sein nach einer sagenhaften, 60 Jahre währenden Karriere.

Tony Bennett & Lady Gaga: „Love for Sale“ (Interscope/Universal)