Modell der Drohne Euro Hawk in Originalgröße auf dem Luftwaffenstützpunkt Jagel bei Kiel   Foto: dpa

Verteidigungsminister de Maizière muss das Euro-Hawk-Debakel vor dem Haushalts- und dem Verteidigungsausschuss aufklären. Ein Auftritt vor dem Bundestag bleibt ihm erspart. Noch.

Berlin - Dreitausend Seiten. In Ziffern: 3000. Übergeben an diesem Dienstagmittag und zu lesen bis Mittwoch früh. Zack, zack könnte der Militärjargon dazu lauten, aber es sind neben den Verteidigungsexperten vor allem Haushaltspolitiker des Deutschen Bundestags, die nun gefordert sind. Sie müssen nun jene Akten studieren, die Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) ihnen gestern übermitteln ließ – und auf deren Grundlage er heute früh erst im Verteidigungsausschuss und dann im Haushaltsausschuss Rede und Antwort zum Debakel um das Drohnen-Projekt Euro-Hawk stehen soll. Denn obwohl es keine Zulassung für den europäischen Luftraum gab und die Kosten nahezu explodierten, wurde das Projekt erst im Mai 2013 gestoppt. Zugleich kritisiert der Koalitionspartner FDP, wie der Minister das Thema Drohnen behandelt.

Gestern leistete der Bundesrechnungshof Vorarbeit beim Durchkämmen des Zahlen- und Zuständigkeitsdschungels. In nur 33 Seiten stellt er fest: Ja, das Ministerium hat versäumt, richtig zu reagieren. Aber auch: De Maizière hat das Problem nur geerbt und letztlich unterschätzt. Schon vor der Vertragsunterzeichnung 2007 seien die Zulassungsprobleme bekannt gewesen. 2009 war klar: Die Risiken überwiegen die Realisierungschancen.

Statt dies spätestens nach de Maizières Amtsantritt im März 2011 mit dem neuen Ressortchef zu erörtern, sei auch dessen Staatssekretär im Unklaren gelassen worden. Doch wer diese Unterschlagung von Informationen zu verantworten hat, dazu sagt der Rechnungshof nichts – und zur Wahrheit gehört ferner, dass sich neue Administrationen in Ministerien immer darauf zurückziehen, nichts über das Treiben der alten gewusst zu haben. Stimmen muss das nicht – vor allem bei solchen Prestigeprojekten.

Rüstungsstaatssekretär Stéphane Beemelmans soll erst Anfang 2012 über zusätzliche Kosten von bis 600 Millionen Euro informiert worden sein. Wäre das Projekt seinerzeit abgebrochen worden, hätten allerdings wiederum für die Zulassung notwendige Tests nicht erfolgen können, so der Rechnungshof. Das Malheur kostete den Steuerzahler 682 Millionen Euro – Aufklärungstechnik im Wert von 247,6 Millionen Euro soll nun in einem anderen Flugzeug verbaut werden. Bleiben mehr als 400 Millionen Euro Schaden: Regressklauseln oder Konventionalstrafen wurden nie vereinbart.

Der FDP-Verteidigungsexperte Hartfrid Wolff fordert von de Maizière eine „grundlegende Klärung“, wie die Bundesrepublik mit Drohnen umgeht. „Erst recht mit bewaffneten Drohnen“, sagt er. Diese Technologie sei zum einen enorm teuer, zum anderen verändere sie die Anforderungen an die Ausbildung der Soldaten. „Soll die Bundeswehr solche Aufträge mit Kampfdrohnen wahrnehmen? Diese Einsätze sind nicht gänzlich ethisch neutral, geschweige denn einfach nur banal“, warnt Wolff. Dies zeige der Einsatz von bewaffneten Drohnen auch in anderen Ländern, wo sie auch für gezielte Tötungen genützt würden.

Der Bundestagsabgeordnete aus Waiblingen ist Jurist und meint: „Das stellt eine Vorverurteilung ohne Gerichtsverfahren und Beweismittel mit der Todesstrafe als Folge dar. Dies ist rechtsstaatlich nicht akzeptabel.“ Ohne eigene, unabhängige Informationen für ein Lagebild dürfe keine militärische Reaktion erfolgen. „Das Grundgesetz verbietet der Bundeswehr, sich an Angriffskriegen zu beteiligen oder Hilfestellungen für das gezielte Töten von Menschen vorzubereiten. Dies ist Grundbedingung für einen Rechtsstaat.“