Heinrich Albrecht bot den Besuchern eine kurzweilige Altstadtführung durch Dornstetten.Foto: Günther Foto: Schwarzwälder Bote

Geschichte: Auf Tour mit dem Stadtführer

Um die Pest, Krieg und die Lateinschule ging es bei einem Spaziergang mit Stadtführer Heinrich Albrecht. Trotz schlechten Wetters und der Corona-Auflagen hielt er die Aufmerksamkeit seiner Zuhörer über die gesamte Dauer der Führung aufrecht.

Dornstetten. Albrecht kann auf ein profundes Wissen zurückgreifen. Der gebürtige Dornstetter hat sich ein Leben lang mit der alten und neueren Stadtgeschichte befasst. Mit seiner zugewandten Art, seiner Frohnatur und seiner Begeisterung für "sein Städtle", die sich in allen seinen Ausführungen zeigte, ob es sich um die Bauweise von Stadtmauer und Marktplatzhäusern oder um die Absolventen der mittelalterlichen Dornstetter Lateinschule handelte, gewann er die Teilnehmer für sich.

Erstmals wurde Dornstetten im Jahr 767 urkundlich erwähnt; in diesem Jahr ist im Schenkungsbuch des Klosters Lorsch eine Schenkung des Dornstetter Bürgers Lanther an das Kloster verzeichnet. Zeugnisse der wechselvollen Geschichte Dornstettens sind die Reste von Stadtmauer und Ringmauer. Diese bis zu 1,80 Meter dicken und mit Pechnasen und Verlies ausgestatteten Stadtmauern waren für feindliche Belagerer uneinnehmbar. "Man hat uns einfach nicht überfallen können, da hend m’r Glück g’habt", sagte Albrecht. Nur im 30-Jährigen Krieg sei das ein einziges Mal gelungen.

Neun Brauereien versorgten Dornstetten

Im Mittelalter war Dornstetten – wohl vor allem durch seine Lage an der Handelsstraße von Augsburg nach Straßburg und seine zahlreichen Gewerbetreibenden – eine wohlhabende Stadt. Rund 750 Menschen wohnten auf dem Bergsporn innerhalb der Stadtmauern; wer sich neu dort niederlassen wollte, musste Einbürgerungsgeld bezahlen.

Prägend war damals auch die 1390 eingerichtete Lateinschule, was Albrecht grinsend mit "Die Dornstetter waren schon damals blitzgescheite Kerle, drei davon wurden später Rektoren der Universität Tübingen" kommentierte. In der Stadt waren zudem gleichzeitig acht Priester, acht Metzger, 14 Bäcker, elf Schneider und viele Bader tätig. Insgesamt waren es 108 Gewerbetreibende. Es gab zehn Gasthäuser und neun Brauereien.

Dass Albrecht nicht nur ein profunder Kenner der Ortsgeschichte, sondern auch Lokalpatriot ist, bewiesen seine weiteren Ausführungen; so kommentierte er die führende Rolle der damaligen Oberamtsstadt: "Freudenstadt hat es damals ja noch gar nicht gegeben, die sind ja erst rund 420 Jahre alt." Verheerend wirkten sich für das mittelalterliche Städtchen die Stadtbrände aus. Dem großen Stadtbrand im Jahr 1676 fiel die gesamte Altstadt samt Kirche zum Opfer, als einziges Gebäude blieb lediglich die Vogtei erhalten. Neu erbaut wurden danach am Marktplatz auch Rathaus und "Ochsen"; Rundbogen, "Eselsrücken" und Kreise weisen heute noch auf die hohe Zimmermannskunst der Zeit zwischen 1650 und 1750 hin.

Gleich zwei Rathausgebäude

Stolz verwies Albrecht auch darauf, dass Dornstetter heute mit "Ochsen" und dem eigentlichen Rathaus gleich über zwei stattliche Rathausgebäude verfügt: "S’isch net wie bei arme Leut’" und ehemals zudem eine Residenz des Rechts war. So wurde in Dornstetten im Hochgericht, im Kleingericht und im Bettelgericht Recht gesprochen.

Während sich beim Hochgericht Delinquenten aus der gesamten Region zu verantworten hatten und oft mit dem Tode bestraft wurden, drohte Übeltätern vor dem Kleingericht der Dornstetter Triller, ein drehbares Folterwerkzeug. Beim Bettelgericht ging es eher um Geldstrafen für kleinere Vergehen.

Einige Gebäude gab es auch unterhalb der Stadtmauern. So das Fuchsloch, das Dornstetter Frauengefängnis, und das Gutleutehaus, in dem im Mittelalter die Pestkranken untergebracht wurden. In den Jahren 1610 und 1635 dezimierte diese Seuche Dornstettens Einwohnerzahl jeweils um ein Drittel.

Über die Badgasse und den Biegel führte Albrecht seine Besuchergruppe weiter zur Silbergasse und zu den Grabengärten. Diese im 18. Jahrhundert durch Auffüllung entstandenen Gärten sind heute bei Kleingärtnern beliebt. Ein uralter Weinstock belegt, dass in Dornstetten bereits früh Wein angebaut wurde.

Auch Sitz der philosophischen Fakultät

Belegt ist auch, dass Dornstetten während es 30-Jährigen Krieges zwei Semester lang Sitz der philosophischen Fakultät der Universität Tübingen war. Das große Gebäude neben der Kirche dient seit 1534 als Pfarrhaus, davor war es ein Kloster. Der Kirchplatzbrunnen davor stammt aus dem Jahr 1743. Genau wie der Marktplatzbrunnen wenige Meter weiter diente er der Wasserversorgung für Mensch und Vieh. Gespeist wurden die bis zu 159 000 Liter Wasser fassenden Brunnen von den Quellen am Brunnenberg.

Dass Albrecht auch ein talentierter Organist ist, bewies er zum Abschluss der Führung: In der im Jahr 1676 wieder aufgebauten Martinskirche gab er Kostproben seines Könnens mit Musik von Bach und Jazz-Stücken. "Das spiele ich morgen bei einer diamantenen Hochzeit, da freu ich mich drauf. Denn dem Ehepaar habe ich vor 60 Jahren auch zur Hochzeit gespielt", erzählte er.