Die im Mittelalter nach Dornstetten verlagerte philosophische Fakultät der Universität Tübingen war vermutlich in einem Vorgängerbau der Alten Vogtei untergebracht. Foto: Günther Foto: Schwarzwälder Bote

Geschichte: Schon einmal kam Dornstetten während einer Pandemie eine besondere Rolle zu

Mit der zentralen Fieber-Ambulanz in der Ried-steighalle (wir berichteten) spielt Dornstetten, auch bedingt durch die Lage, bei der derzeitigen Pandemie eine wichtige Rolle im Landkreis Freudenstadt. Das war schon einmal so – in einem ganz ähnlichen Zusammenhang.

Dornstetten. Dass Dornstetten auch bereits während der verheerendsten Pandemie der Weltgeschichte eine bedeutende Rolle spielte, wissen heute nur noch die Wenigsten. Über Jahrhunderte wütete im Mittelalter in ganz Europa die Pest. Vom "Schwarzen Tod", wie die Seuche auch genannt wurde, war im 15. Jahrhundert auch besonders Tübingen schwer betroffen. Damit war auch der Fortbestand der im Jahr 1477 von Graf Eberhard im Barte gegründete Tübinger Universität, eine der ältesten Universitäten Europas, bedroht.

Wirkungsvolle Medikamente oder Methoden, die Seuche zu bekämpfen, gab es damals keine. Die einzige Präventionsmaßnahme bestand darin, der Seuche durch rechtzeitige Flucht in Orte mit – wie man damals dachte – "reiner, unverseuchter Luft" zu entrinnen. Aus diesem Grund wurde die Tübinger Universität im Jahr 1482 in vier entlegene württembergische Amtsstädte mit guter Verkehrsanbindung verlagert, wie dem Dornstetter Heimatbuch von 1968 zu entnehmen ist.

So konnte sich damals – neben Nagold, Urach und Waiblingen – auch Dornstetten Universitätsstadt nennen. Heinrich Albrecht und Friedrich Reuff haben sich als fundierte Kenner der örtlichen Geschichte mit diesen weitgehend unbekannten Kapitel ihrer Heimatstadt beschäftigt.

Friedrich Reuff nennt noch einen weiteren einleuchtenden Grund, der damals bei der Umsiedlung der Tübinger Universität nach Dornstetten eine wichtige Rolle gespielt haben könnte: die vielen Gaststuben – man geht von einer zweistelligen Zahl aus –, die in der Altstadt angesiedelt waren. In den meisten davon waren ebenerdig Gaststube und Gaststall untergebracht, während im Obergeschoss ein großer Saal zur Verfügung stand. Ideale Bedingungen, um Professoren samt Studenten unterzubringen und zu versorgen.

Die Verwaltung der Universität hatte vermutlich Räume im Vorgängerbau der in der Silbergasse gelegenen Alten Vogtei bezogen. Wie lange in Dornstetten Philosophie gelehrt wurde, ist unklar. Albrecht und Reuff gehen von mindestens zwei Jahren aus. Danach war diese Welle der Pest vorerst abgeklungen, und die Eberhard-Karls-Universität konnte in Tübingen wieder ihren regulären Betrieb aufnehmen.

Vom Uni-Rektor zum Tübinger Stadtpfarrer

Beide Hobby-Historiker verweisen in diesem Zusammenhang auch auf Martin Plantsch, einen der bekanntesten Söhne der Stadt. Der 1460 in Dornstetten geborene Sohn eines Baders besuchte die Dornstetter Lateinschule, studierte und promovierte in Tübingen und war ab 1489 Rektor der Universität sowie später Tübinger Stadtpfarrer. Das von ihm gestiftete Stipendiat "für unbemittelte Studenten", das in der Tübinger Münzgasse gelegene Martinianum oder Martinsstift, geht auf ihn zurück. Für Reuff ist es einleuchtend, dass Plantsch "bei der Verlagerung der Universität in seine Heimatstadt seine Finger drin gehabt hat". Dem stimmt auch Albrecht zu. Über Dornstettens berühmten Sohn zitiert er aus einer alten Chronik: "Er war eine Leuchte der Universität, die an Gelehrsamkeit und Ruhm nur wenige übertrafen."