Die Darstellerinnen treten mit Mundschutz auf: Corona kommt wie gerufen, um auf Distanz und online zu gehen. Foto: Vollmer Foto: Schwarzwälder Bote

Kultur: Zimmertheater führt auf dem Mehrgenerationenplatz das Stück "Fünf Frauen im Netz" auf

Die Open-Air-Aufführung mit dem Zimmertheater Rottweil war am Samstag ein Neustart des Dornhaner Kulturlebens mit Corona-Auflagen.

Dornhan. War der Weg zu den zugewiesenen Plätzen auch ungewohnt, die lockere Bestuhlung und die Begrüßung des Nachbarn von der Ferne hatte auch etwas. Das Publikum auf dem sehr gut besuchten Mehrgenerationenplatz wollte den sommerlichen Abend auf jeden Fall genießen. "Fünf Frauen im Netz" war jedoch "mit Abstand" das provokanteste Theater, das KKF – Kunst und Kultur im Farrenstall je auf dem Programm hatte.

In dem bizarren Stück beschreibt Peter Staatsmann fünf weibliche Lebensläufe im Wandel. Der Regisseur fordert dabei vom Zuschauer volle Aufmerksamkeit vom Anfang bis zum Schluss oder – das komplette Abschalten.

Skurril löst er tradierte Muster auf, zeigt eigenartige Emanzipationsprozesse, fehllaufende Entwicklungen mangels Bildung bis hin zu veränderten Selbstwahrnehmungen durch virtuelle Realität. Sexuelle Lust wird nicht einfach nur ausgesprochen, sondern lang und breit, sozusagen gewöhnungsbedürftig im "Dirty Talk" ausgereizt.

Trotzdem, beeindruckend die schauspielerischen Leistungen der Protagonistinnen bei diesem außergewöhnlichen Stück sowie den nun geltenden Bedingungen sozialer Distanzierung auf der Bühne. Es gelang den Akteurinnen rasch, das Publikum in die äußerst konfliktträchtige Welt der Fünf im Netz eintauchen zu lassen. Da ist die Mutter Marie (Petra Weimer), die ihr Leben lang mit Nachdruck für Unabhängigkeit gekämpft hat. Nun leidet sie an Demenz, ist schwach, wirr, und hinzu kommt noch Vereinsamung aufgrund der Pandemievorschriften.

Marie hat zwei Töchter. Lena (Nora Kühnlein) versucht, alles idealistisch und revolutionär anzugehen. Ihre Schwester Nina (Britta Werksnis) arbeitet hingegen in einer hauptsächlich von Männern geprägten Domäne, ist rund um die Uhr verfügbar und zeigt wenig Emotionales. Für beide Töchter kommt Corona wie gerufen. Eine billige Entschuldigung, die Mutter nicht besuchen zu müssen. Als Ausnahme gilt der Geburtstag. Ansonsten gilt "On-Line-Kontakt".

Da ist dann noch die Nachbarin Uta (Maika Troscheit). Gefühle hat Uta nie zugelassen. Dies möchte sie nun ändern und kümmert sich plötzlich um Marie und ihr gestörtes Kurzzeitgedächtnis. Die fünfte im Netz ist die Kosovo-Albanerin Violsa (Valentina Sadiku). Die Pflegerin von Maria ist immer nur für andere da, hat verschiedene Arbeitsstellen, ist in ihrem konservativen Kulturkreis todunglücklich und auf der Suche nach einer individuellen Lebensperspektive.

Alle fünf Frauen streben nach Emanzipation, können ihre Positionen jedoch nicht realistisch einschätzen. Für die einen ist die Definition Synonym für Überleben, für die anderen ist es Feminismus mit dem Verleugnen des eigenen Geschlechts, Macht und der Kehrseite der immerwährenden persönlichen Unruhe.

Was ist eine Frau überhaupt? Da fallen Worte wie Kobolde, Pilotfische, Püppchen. "Wie finde ich die zu mir passende Rolle?", fragen alle Fünf. Das Eintauchen in die Internet-Welt mit ihrer sozialen Bedeutungslosigkeit macht die Sache, seine ureigenen Wünsche aufzuspüren, noch komplizierter.

Gegenseitiges Kritisieren, Belächeln oder den Finger in Wunden legen bringen die Frauen nicht zur Selbstfindung, sondern lassen sie gefangen im Labyrinth ihrer Zwänge und Fragen. Die Rückbesinnung als Chance nutzen sie nicht. Ihre gesellschaftlichen Funktionen finden sie nicht. Ihren Traumata entkommen sie nicht. Hervorragend unterstrich Dorin Grama am Akkordeon den bittersüßen Nachgeschmack von Peter Staatsmanns fokussierten Blicken in die Zukunft unserer Gesellschaft.