Lucia Fricker Foto: Wursthorn Foto: Schwarzwälder Bote

Interview: Die Leiterin des Kindergartens St. Lioba spricht über die Bedeutung des religiösen Festes

Donaueschingen. Die Leiterin von St. Lioba erklärt, warum Traditionspflege in ihrem Kindergarten wichtig ist.

Am Montag wird wieder St. Martin gefeiert. Ist die Geschichte vom guten Mann zu Pferde ein großes Thema im Kindergarten?

Selbstverständlich ist das jedes Jahr Thema. Darauf legen wir großen Wert. Sankt Martin, das ist ein großes Fest, das wir mit den Kindern feiern.

Wie werden die Kinder darauf vorbereitet?

Das geschieht im Vorfeld durch Vorlesen, Basteln, Malen, Singen Geschichten oder religiöse Anschauungen.

Was sind Anschauungen?

Etwa, dass man die Geschichte von St. Martin auch visuell gestaltet. So wird zum Beispiel das Stadttor mit Tüchern gelegt, die Stadtmauer mit Bauklötzen gestellt, Martin, Pferd und Bettler kommen durch Egli-Figuren dargestellt. Hierzu wird die Martinslegende erzählt und Material und Geschichte kommen gemeinsam zum Einsatz. Wo mehrere Sinne angesprochen werden, prägt sich das bei den Kindern stärker ein.

Unterliegt der Bezug zu dieser Martinslegende einem Wandel? Ändert sich die Erzählweise angesichts einer immer weltlicher werdenden Gegenwart?

Wir halten an dieser Tradition unverändert fest. An St. Martin steht das Teilen im Vordergrund. Ich denke, das hat in der heutigen Zeit den gleichen Stellenwert wie früher. Dabei war das Teilen bei uns schon immer wichtig, denn wenn die Kinder zu uns in den Kindergarten kommen, müssen sie von Anfang an immer teilen: Erzieherin, Spielzeug, Spielkameraden... . Es ist deshalb keine Geschichte, die aus der Luft gegriffen ist, sondern sich am Lebensumfeld der Kinder orientiert.

Neben die christlichen Konfessionen treten heute glaubensferne Milieus und Familien mit einer Zugehörigkeit zu anderen Glaubensgemeinschaften. Ändert das die Art und Weise, wie sich Eltern mit St. Martin befassen?

Wir gehen übers Kind und bekommen von den Eltern rückgespiegelt, dass die Kinder zu Hause zum Beispiel von der Martinslegende erzählen. Da ist dann die Rede vom Soldat auf dem Pferd, der den Mantel mit dem Bettler geteilt hat. Ob die Familien den gleichen Ausgangspunkt haben kann ich Ihnen nicht sagen. Wir hatten am Dienstag Elternbeiratssitzung, da war die Begeisterung der Kinder durchaus Thema.

Haben Sie Erfahrungen mit muslimischen Kindern im Kindergarten?

Momentan haben wir nur ein muslimisches Kind hier, aber Erfahrungen haben wir durchaus.

Kommen Kinder bei den christlichen Festen schon mit einer positiven oder negativen Vorprägung in den Kindergarten?

Die Kinder sind komplett offen. Auch die Eltern erlebe ich offen und tolerant, da ihnen bewusst ist, dass wir ein konfessioneller Kindergarten sind. Wir informieren sie auch vor der Aufnahme der Kinder darüber, dass wir die christlichen Feste feiern und uns bei unserer pädagogischen Arbeit am christlichen Jahreskreis orientieren.

Gibt es einen bewussten Trend?

Gegenwärtig spüre ich immer mehr, dass Eltern ihre Kinder bewusst im konfessionellen Kindergarten anmelden. Es ist ihnen wichtig, dass St. Martin, Nikolaus oder die anderen Feste gefeiert werden und religiöse Bildung stattfindet. Das erlebe ich heutzutage wieder zunehmend.

Warum, meinen Sie, ist St. Martin ein Fest, auf das sich alle Kulturen verständigen können?

Weil das Teilen ein gesellschaftlicher und globaler Wert ist, der unabhängig von Religion steht. Unter der Frage ›Wie gehen wir miteinander um?‹ geht es darum, etwas abzugeben oder auf etwas zu verzichten.

Ein Multi-Kulti-Lichterfest ohne Botschaft wird es demnach bei Ihnen nicht geben?

Nein. Die Botschaft ist doch, dass Martin ein Soldat war. Soldat zu sein und ein Schwert zu haben bedeutet doch auch, andere zu verletzten oder selbst verletzt zu werden. So versuchen ,wir den Kindern in der Umkehr zu vermitteln, dass Martin gesehen hat, dass es auch Schutzbedürftige gibt, die unsere Hilfe brauchen. Da schlagen wir dann auch den Bogen zum Bischof Nikolaus. Das nächste Fest. Generell ist es wichtig, dass wir Traditionen leben und deren lebensnahe Botschaft aufleuchten zu lassen. Wir wollen hier deshalb keinen Kompromiss von St. Martin hin zum Lichterfest eingehen. Der Ursprung war St. Martin. Heute ist vieles dem Kommerz unterworfen, aber wer weiß überhaupt zum Beispiel um die Tradition der Martinsgänse? Martin hat sich die ihm angetragene Aufgabe des Bischofs nicht zugetraut, hat sich im Gänsestall versteckt und wurde von den Gänsen verraten. Dieser Zusammenhang, nicht alles zu können, auch einmal Angst zu haben und sich selbst einzuschätzen zu müssen, lässt sich den Kindern auch in der Martinslegende vermitteln.

Gibt es im Jahreskalender oder in der Erziehungsarbeit Felder oder Themen, die mehr Reibung verursachen?

Ja, das gibt es auch. Für uns als pädagogisches Team eines katholischen Kindergartens gehört zu unserem Auftrag und unserer Identifikation bei einem katholischen Kindergartenträger dazu, dass wir den Kindern auch biblische Geschichten vermitteln. Diese bereiten wir pädagogisch fundiert und kindgerecht auf. Leider gab es im Nachhinein Diskussionspunkte. Konkret ging es um die Geschichte der heiligen Barbara, die als Märtyrerin aus Glaubensgründen zu Tode kam.

Wie kam es zur Kritik?

Kritik kam über den Elternbeirat zu uns, nicht über die Eltern des betroffenen Kindes. Das war eigentlich sehr schade, weil wir dadurch nicht wussten, welches Kind betroffen war, was es missverstanden hatte, was es ängstigste… oder was auch immer die Kritik auslöste. Eine Aufarbeitung mit Eltern/Kind konnte so leider nicht stattfinden.

Am 4. Dezember ist wieder Barbaratag, eine christliche Jungfrau. Ändert sich da was in der Erzählweise bei Ihnen?

Nein, da wir unsere Erzählungen immer kindgerecht, sensibel und pädagogisch gut vorbereitet den Kindern vermitteln. Zwischen St. Martin und Weihnachten stellen wir immer wieder verschiedene Heilige vor, deren Wirken für die Menschen Vorbild ist. So auch die Geschichte der heiligen Lioba, unserer Namensgeberin des Kindergartens, der heiligen Elisabeth, Nikolaus….

Wie wird der religiöse Erziehungsauftrag in St. Lioba umgesetzt?

Diesen religiösen Erziehungsauftrag haben wir in der Tat. Aber wir missionieren nicht. An erster Stelle stehen ethische Punkte, die auch in kommunalen Kindergärten umgesetzt werden. Von Anfang an legen wir Wert auf ein gutes Miteinander, soziale Werte und religiöser Bildung. Wir greifen biblische Geschichten und Feste im Jahreskreis heraus, da das auch Bildungsauftrag in unserer katholischen Trägerschaft ist und wir das konzeptionell festgeschrieben haben. Das unterscheidet uns von kommunalen Kindergärten (...).   Die Fragen stellte Jens Wursthorn.