Blick auf Kaminoyama: Die Partnerstadt Donaueschingens war vom Erdbeben betroffen; wie schwer, ist unklar. Foto: Archiv Foto: Schwarzwälder-Bote

Der gebürtige Allmendshofener, der seit 15 Jahren in Japan lebt, über das schwere Beben / Sorge um Partnerstadt Kaminoyama

Von Stefan Limberger-Andris und Steffen Maier

Donaueschingen/Hayashi. Schwindelgefühl – dann erneut das gleiche Symptom. Spätestens jetzt wird Ingo Kurbjuhn klar, dass die Erde bebt. Der 42-Jährige hastet aus seinem Büro und läuft ins nur wenige Meter entfernte Wohnhaus, schaltet den Fernseher ein.

Was dort über dem Bildschirm flimmert, verschlägt ihm dem Atem: Japan hat gerade eines der schlimmsten Erdbeben in seiner Geschichte erlebt. Es sei ein Gefühl gewesen wie bei einer Achterbahnfahrt, erzählt der gebürtige Allmendshofener nur wenige Stunden nach dem schlimmen Ereignis und 700 Kilometer vom Epizentrum entfernt im Gespräch mit unserer Zeitung. Strom, Telefon, Internet seien teils ausgefallen, berichtet der Allmendshofener über Ereignisse der ersten Stunden. Das Beben sei so heftig gewesen, dass Atomanlagen im Land automatisch abgeschaltet, Schnellzüge automatisch gestoppt worden seien. Diese Vorgänge seien jedoch eingespielt für derartige Krisenfälle, zeigt sich Ingo Kurbjuhn gelassen. Er selbst lebt seit 15 Jahren in Japan zusammen mit seiner japanischen Frau und zwei Kindern, etwa 300 Kilometer südwestlich von Tokio in Hayashi, ebenfalls nahe an der Ostküste gelegen.

Der Tsunami mit Wellen zwischen vier und zehn Meter Höhe, der in einer ersten Welle gegen 15 Uhr Ortszeit und einer zweiten gegen 17 Uhr große Teile der Ostküste vom Norden bis nach Tokio hinunter verwüstete, sei viel schlimmer als bei anderen Beben gewesen, schätzt der 42-Jährige. Bei bisherigen Beben seien Wellen von einem halben bis einem Meter aufgetreten. Das Wasser sei diesmal bis zu zehn Kilometer tief ins Landesinnere vorgedrungen, habe auf seinem Rückweg ein Feld der Verwüstung hinterlassen. Ein weiteres Problem stelle der Spätwinter mit Temperaturen um den Gefrierpunkt dar, der nun vor allem obdachlos gewordene Menschen treffe.

Natürlich hätten die Menschen bei den ersten Erdstößen zunächst panisch reagiert, erzählt Ingo Kurbjuhn. Doch sei recht schnell wieder eine Art gelassener Umgang mit dem Ereignis eingekehrt – dies gehöre zur Lebensphilosophie der Japaner. Immerhin würden jährlich bis zu 10 000 mehr oder weniger starke Erdbeben auf der Insel registriert. Ingo Kurbjuhn weiß wovon er spricht: Er selbst hat bereits fünf heftige Erdbeben dort erlebt.

Derweil herrschte im Donaueschinger Rathaus gestern Sorge um die Freunde in der Partnerstadt Kaminoyama, die im Norden Japans gelegen ist, zwar einige hundert Kilometer entfernt, aber doch auf einer Höhe mit dem Epizentrum des schweren Bebens. Erst im vergangenen November war eine Delegation aus Donaueschingen nach Kaminoyama gereist; den Teilnehmern, darunter auch Oberbürgermeister Thorsten Frei, war ein überaus herzlicher Empfang bereitet worden. Für Juli/August dieses Jahres ist eine Reise von Donaueschinger Schülern nach Fernost geplant.

Den ganzen Tag über gelang es gestern nicht, Kontakt mit offiziellen Stellen aufzunehmen. Thomas Stoll, Vorsitzender der Deutsch-Japanischen Gesellschaft Donaueschingens sagte gegenüber unserer Zeitung, dass er davon ausgehe, dass die Kontaktversuche nach Kaminoyama wegen der zerstörten Infrastruktur – Stromausfälle, lahmgelegtes Telefonnetz – scheiterten. Sorge bereitete Stoll allerdings die Nachrichten von den beschädigten Atomkraftwerken: Das Werk in Onagawa, in dem es gestern stundenlang gebrannt hatte, ist nur etwas mehr als 100 Kilometer Luftlinie von Kaminoyama entfernt.

Eine E-Mail erreichte Stoll gestern indes doch aus Japan – und zwar von Martin Stanzeleit, dem Dirigenten des Kammerorchesters Hiroshima. Sie war kurz und knapp: "Uns geht es gut, die Bilder aus anderen Landesteilen sind schrecklich." Die Musiker des Orchesters verbringen Ende April mehrere Tage in Donaueschingen, für Donnerstag, 26. April, ist ein Konzert in den Donauhallen geplant.