Revierleiter Thomas Knörr (links) dankt Nikolaj Hinitschwe für Hilfe bei der Ergreifung von Ladendieben. Oberkommissar Elmar Keller ist es damit auch gelungen, eine Fall abzuschließen, der ihn über ein Jahr beschäftigt hat. Foto: Jakober Foto: Schwarzwälder Bote

Zivilcourage: Beherztes Eingreifen bei Ladendiebstahl wird mit Urkunde und Medaille gewürdigt

Lange hat Nikolaj Hinitschew nicht nachgedacht: Eigentlich war er nur mit seiner Familie im Drogeriemarkt am Posthof einkaufen. Gerade hatte er sein Fahrradschloss aufgeschlossen, als er die Alarmanlage des Geschäftes hörte und zwei Jugendliche äußerst schnell das Weite suchten.

Donaueschingen (jak). Eine Verkäuferin eilte aus dem Drogeriemarkt und lief zu den beiden Polizisten, die gerade einen Unfall auf dem Parkplatz aufnehmen wollten.

"Ich wollte einfach nur helfen und habe schnell reagiert", blickt Hinitschew auf den Vorfall im Februar zurück. Der 38-Jährige hat rein instinktiv gehandelt, über irgendwelche Folgen hat er nicht nachgedacht. Er sah, dass die Jugendlichen in Richtung Irmastraße flüchteten und für die Beamten die Verfolgung mit dem Fahrzeug nicht nicht möglich war, weil Poller den Weg versperrten. Schnell schwang er sich auf sein Fahrrad, zeigte den Beamten seine Unterstützung an und verfolgte die beiden Jugendlichen.

Die Flüchtenden wähnten sich in Sicherheit, hielten nach der Polizei Ausschau und realisierten den Mann auf dem Fahrrad zu spät. Hintischew stellte die beiden, seine Erfahrung als Ringer und das viele Krafttraining halfen sicherlich und auch, dass er die Schlussfolgerung der beiden Ladendiebe, er sei der Drogerie-Detektiv, nicht richtigstelle. In dem Moment setze der Kopf ein: Was tun, wenn die Polizei jetzt nicht kommt?

Die Beamten kamen schnell, doch damit war die Geschichte noch nicht zu Ende. Denn es handelte sich nicht nur um zwei Jugendliche. Zwei weitere harrten bei der Laderampe des Drogeriemarktes aus. Während ein Beamter sich um die von Hinitschew gestellte Jugendlichen kümmerte, ging die Beamtin zu den beiden anderen. Einer türmte, der andere tat etwas, womit so keiner rechnete. "Er schlug die Beamtin zusammen", sagt Thomas Knörr, Leiter des Donaueschinger Reviers. Massive Schläge ins Gesicht. Der damals 16-Jährige, der mittlerweile zu zwei Jahren Haft ohne Bewährung verurteilt wurde, schlug auch noch zu, als die Beamtin längst in die Knie gegangen war. Zwei Wochen war sie dienstunfähig. Doch die körperlichen Folgen waren lang nicht so schlimm wie die seelischen. Die Polizistin hatte einfach nicht damit gerechnet, dass sie solch eine Gewalt erfahren würde.

Für Nikolaj Hinitschew eine schreckliche Situation: Er wollte helfen, war aber zu weit weg. Es blieb keine Zeit einzugreifen. "Ich kann einfach nicht verstehen, wie man so etwas machen kann. Ich wurde so erzogen, dass man Respekt vor der Staatsgewalt hat", sagt der Lastwagenfahrer. Eine weitere Zeugin war ebenfalls geschockt und brach zu Hause in Tränen aus.

Der damals 16-Jährige war im Donaueschinger Revier kein Unbekannter. "Er hat mich schon über ein Jahr beschäftigt", sagt Oberkommissar Elmar Keller, der die Ermittlungen geführt hat. Während die anderen drei eher Kleinkriminelle gewesen seien, handle es sich bei dem Vierten um ein ganz anderes Kaliber. Vier dicke Aktenordner hatten sich angesammelt.

Daher wurden auch schnell eine Fahndung eingeleitet und ein Besuch zuhause abgestattet. In der Nähe des Polizeireviers wurde der junge Mann gefasst. Doch für einen Haftbefehl reichte es nicht in der Kürze der Zeit. "Wir verstehen die Staatsanwaltschaft. Die Hürden sind hoch", sagt Knörr. Doch für die Beamten in Donaueschingen war es nicht einfach, den Jugendlichen wieder gehen lassen zu müs.

Anfang April war aber Schluss: Mit mehreren Rollerdiebstählen in einer Nacht, einem in der Breg in Hüfingen versenkten Fahrzeug, einer chaotischen Fahrt mit Verfolgung durch die Polizei und der Flucht mit dem Roller über den Siedlersteg sorgte der "schwere Junge" für Schlagzeilen. Der zuständige Staatsanwalt las den Bericht, rief in Donaueschingen an und erkundigte sich, ob es um den Polizeibekannten gehen würde. "Mündlich hat er dann einen Haftbefehl ausgesprochen", sagt Knörr, und Keller fügt hinzu: "Noch in der Nacht konnten wir ihn an einer Tankstelle festnehmen."

Maßgeblich beteiligt ist Nikolaj Hinitschew: "Wir können gar nicht sagen, wie es ohne ihn ausgegangen wäre", sagt Keller. Nicht nur sein Eingreifen, sondern auch seine Zeugenaussage sind für den Fall maßgeblich gewesen. Und das besonders in Zeiten, in denen die Bereitschaft, sich als Zeuge zu melden, zurückgehe und die Respektlosigkeit und Gewaltbereitschaft gegenüber der Polizei steige.

Deshalb war es Knörr und auch dem Polizeipräsidenten Gerhard Regele wichtig, das Musterbeispiel an Zivilcourage zu würdigen. Auf Kreisebene gebe es leider keine solche Veranstaltung, daher übernahm das Donaueschinger Revier nun den Part. Medaille und Urkunde und jede Menge Dank gab es für Nikolaj Hinitschew. "Ich habe so etwas in meiner 41-jährige Dienstzeit ganz selten erlebt", sagt auch Elmar Keller.

Als Nikolaj Hinitschew an diesem Februartag nach Hause kommt, erntet er zuerst wenig Begeisterung von seiner Frau. Schließlich hatte er sich mit den drei Kindern einfach auf dem Parkplatz stehen lassen. "Sie hat einfach nicht verstanden, was los war und hat sich Sorgen gemacht", blickt Hinitschew zurück. Schließlich habe er ihr nur zugerufen "Warte mal kurz. Ich komme gleich wieder." Doch es dauerte. So ging sie mit den Kindern nach Hause und wartete dort auf ihren Mann.

Als sie aber die ganze Geschichte erfahren hatte, war sie jedoch richtig stolz. Und die Kinder erst. Natürlich erzählte der Vater die Geschichte zu Hause, und es wurde viel darüber gesprochen. "Die Jungs finden das einfach nur cool. Für sie ist der Papa ein Superheld", sagt Hinitschew. Selbstverständlich wird er ihnen auch gleich die Medaille zeigen, wenn er zuhause ist. "Es ist für mich wichtig, meinen Kindern ein Vorbild zu sein."