Religion: Blick in die Geschichte / Achtzigerjahre sind schwere Probe / Festgottesdienst am 8. Juli / Ökumene hat sich entwickelt

200 Jahre evangelisches Leben: Die evangelischen Christen feiern am 8. Juli zusammen mit der katholischen Seelsorgeeinheit das 200-jährige evangelische Leben mit Gottesdienst und Gemeindefest. Die Kirchengemeinde steht vor neuen großen Herausforderungen.

Donaueschingen. 2018 blicken die evangelischen Christen in ökumenischer Gemeinschaft mit ihren katholischen Geschwistern auf 200 Jahre evangelisches Leben in Donaueschingen zurück. Nicht ganz 500 Gemeindeglieder umfasste die Kirchengemeinde am Ende des Krieges, über 70 Jahre später wuchs die Gemeinde um das Zehnfache auf 4708 Gemeindeglieder (Stand: 31.Dezember 2017) an. Dahinter verbergen sich große Veränderungen im Gemeindeleben, in seiner Struktur und in der Bewältigung der Probleme – manchmal in dramatischer Form.

Wiederaufbau der Kirche nach dem Krieg

Beim Bombenangriff auf Donaueschingen am 22. Februar 1945 wurde die Kirche erheblich zerstört, doch was das Dritte Reich und der Krieg an Verwundungen, Ängsten und seelischen Zerstörungen hinterlassen hatten, dazu die Trauer um die zahlreichen Kriegstoten und Opfer der Naziherrschaft, ist heute kaum mehr vorstellbar. Vieles hatte sich aufgestaut, was man aktuell nicht bewältigen konnte, es auch nicht auszusprechen wagte. Das kam aber alles umso heftiger wieder hoch, als man die Schäden wieder wegräumen wollte. In der Kirchengemeinde war dies am heftigsten in der langen Phase des Wiederaufbaus der Kirche bis 1949 zu erleben. Materialknappheit, Geldmangel – die Währungsreform hatte das alte Geld fast vollkommen wertlos gemacht – zogen die Aufbauarbeit sehr in die Länge. All das entlud sich auf sehr unchristliche Weise in den Auseinandersetzungen zwischen Pfarrer Frank mit der Gemeindeleitung und dem Bauleiter Anton Mall. Es gab heftige Vorwürfe, zum großen Teil auch in der gemeindlichen Öffentlichkeit. Worte wie Diktatur, Fälschung oder Betrug waren an der Tagesordnung. Der Streit um die Wiederherstellung des sogenannten Orgelgitters 1948/49, das nicht zerstört war, nahm teilweise recht groteske Züge an, fast in Formen eines Glaubenskrieges ausartend. Landesbischof Bender konnte mit seinem Friedensbrief kaum die Gemüter beruhigen, und eine lange Friedensarbeit war nach der Wiedereinweihung vonnöten. Ein hoffnungsvolles Zeichen war allerdings – auch in ökumenischer Sicht – die Namensgebung der Kirche: Christuskirche – für Pfarrer Frank ein Sinnbild der christlichen Gemeinden in der Stadt mit Christus in der Mitte, Maria zur Linken und Johannes dem Täufer zur Rechten wie auf dem Isenheimer Altar.

Entwicklung in der Nachkriegszeit

Nach dem Kriegsende 1945 gab es in den kommenden Jahrzehnten ein beständiges Wachstum der evangelischen Kirchengemeinde. In der ersten Nachkriegszeit kamen viele Flüchtlinge und Vertriebene evangelischen Glaubens auf die Baar: Hauptsächlich aus Ostpreußen, Schlesien, dem Sudentenland und Siebenbürgen. In den Achtzigerjahren waren es dann die sogenannten Volksdeutschen aus Russland (Wolgadeutsche), die mit ihren Familien nach Deutschland kamen. Sie brachten als neues Element ihre traditionellen alten evangelischen Glaubensformen mit in die Donaueschinger Gemeinde. Ein wesentlicher Faktor war auch, dass viele Zugezogene aus West- und Norddeutschland im Zuge der schnellen industriellen Entwicklung im technisch-elektronischen Bereich hauptsächlich im Raum Villingen (etwa bei der Firma Kienzle) evangelisch waren und auch entscheidende Positionen im Gemeindeleben einnahmen. In den Achtzigerjahren dachte man deshalb sogar an eine Gemeindeteilung. Doch nach der Pensionierung von Walter Gomer wurde 1996 ein sogenanntes Gruppenamt mit zwei Pfarrern (Nikola Enke-Kupffer und Daniel Völker) und zwei Diakonen (Gunter Ziegler und Karola Fischer) eingerichtet. Heute gibt es nur noch eineinhalb Pfarrstellen und eine Diakonenstelle – momentan teilweise vakant.

Bauliche Maßnahmen in der jüngeren Geschichte

1974 wurde die Christuskirche umfassend renoviert und der Kirchenraum dabei entscheidend umgestaltet. Zu einem Ort für das Gemeindeleben, an dem sich die Gemeinde trifft, "um sich hier zusammen zu finden, zu hören, um wieder miteinander brüderlich und schwesterlich reden und leben zu können." (Pfarrer Walter Gomer) Man glaubt immer noch, etwas von den Nachwirkungen der Uneinigkeit der Gemeinde nach dem Wiederaufbau der Kirche spüren zu können. Wichtig für das Gemeindeleben war auch der Bau des Gemeindehauses am Irmapark 1980 mit Saal, Versammlungs- und Jugendräumen. Es wurde 2016 nach dem Verkauf des Pfarrhauses in der Hermann-Fischer-Allee zum Gemeindezentrum mit Pfarramt erweitert. Die Christuskirche wurde in den Jahren 2000 bis 2012 innen wie außen gründlich renoviert, die Umfassungsmauer neu errichtet und der Kirchgarten neu gestaltet. Das Besondere dabei war die umfassende aktive Mithilfe von vielen jungen und erwachsenen Gemeindegliedern.

Kindergarten und Kirchenmusik

Zwei Bereiche seien als besonders bedeutsam für das kirchliche Gemeindeleben herausgestellt. Der evangelische Kindergarten Villa Sonnenschein in der Elisenstraße gilt schon seit Jahren nicht nur bei evangelischen Familien als attraktiv, und man richtete schon Ganztagesplätze ein, bevor Kitas ein Thema waren. Mit Siegfried Neuber als erstem hauptamtlichen Kantor seit 1957 nahm die evangelische Kirchenmusik einen wertvollen Platz in der Gemeinde, aber auch in der ganzen Stadt ein. Die Ökumene in Donaueschingen gewann eigentlich erst seit den Achtzigerjahren ihre wesentliche Entwicklung, über die persönlichen Beziehungen hinaus. Zunächst waren es gemeinsame Bibelabende und Frauentreffen (Frühstücke, Weltgebetstage), dann auch gemeinsame Gottesdienste an Pfingsten und in der Nacht der offenen Kirchen am 31. Oktober. Der 2013 geschlossene Partnerschaftsvertrag im Rahmen der Charta oecumenica setzte dann eine deutliches Zeichen dafür, dass das Kirchenvolk in der Ökumene viel weiter ist als die Kirchenleitungen. Dass man die 200-Jahrfeier evangelischen Lebens am 8. Juli mit Festgottesdienst und Gemeindefest ökumenisch begeht, ist ein deutliches Anzeichen für diesen Umstand.