Arnold Schuhmacher, Leiter des Amtes für Katastrophenschutz im Gespräch mit Rosa Troppmann und Nadine Meister im Labor des Kreisimpfzentrums. Menschen, die noch keine 60 Jahre alt sind, werden gegenwärtig noch nicht geimpft: Es sei denn, sie gehören in eine der vielen Priorisierungskategorien.Foto: Landratsamt Foto: Schwarzwälder Bote

Pandemie: Altersgruppe der unter 60-Jährigen hockt in den Startlöchern / Wartelisten sind lang

Bürger mittleren Alters kennen das Dilemma. Sie sind noch nicht 60 Jahre alt, haben also noch keine altersbezogene Impfberechtigung. Trotzdem geht es vielen so, dass sie einerseits keinem Impfberechtigten den Termin wegnehmen wollen, andererseits aber nicht ohne Not hintanstehen möchten. Was also tun in dieser Situation?

Donaueschingen. Die Impfpriorisierung des Landes Baden-Württemberg wurde zuletzt am Montag dieser Woche modifiziert. Seit dem 19. April dürfen sich Personen, die das 60. Lebensjahr vollendet haben, in den Impfzentren oder bei den Hausärzten impfen lassen. Doch eine Senkung der Altersgrenze ist noch nicht in Sicht. Ob dabei eine allgemeine Aufhebung der Impfpriorisierung oder eine Freigabe für die Klientel der unter 60-Jährigen anstehe, möchte Kai Sonntag, Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg, nicht beurteilen. In den nächsten Wochen sei aber so viel Impfstoff angekündigt, dass es vermutlich zügig voran gehen dürfte.

Generell gelte für die unter 60-Jährigen, dass sie nicht geimpft werden. Bei den Impfzentren etwa würden ihre Anmeldungen nicht angenommen. Wer sich von seinem Hausarzt impfen lassen möchte, werde unter Umständen auf eine Warteliste aufgenommen, die dann abgearbeitet wird, sobald die Altersgruppe zum Impfen aufgerufen wird. "Offiziell gibt es keine Liste. Wir wissen auch nicht, wie es im Einzelfall gehandhabt wird", so Sonntag. Über informelle Wege weiß aber auch der KV-Sprecher, dass die Praxen von Impfwilligen "gestürmt" werden und die Telefone in den Praxen nicht mehr stillstehen. Das bedeute einen zusätzlichen Arbeitsaufwand für das Personal: in Zeiten, in denen bereits die regelkonformen Impfungen Ärzten und ihren Teams mehr abverlangen als im Normalbetrieb.

"Unsere Empfehlung heißt deshalb, sich nicht auf eine Warteliste setzen zu lassen, sondern abzuwarten, bis der Impfaufruf vorliegt", sagt Sonntag. Unter Umständen verlaufe die Wartezeit über den Zeitpunkt hinaus, wenn die Impfpriorisierung auch für die U-60-Klientel zutreffe. Aufhebung oder Anpassung der Impfpriorisierung obliege generell dem Sozialministerium des Landes Baden-Württemberg.

Darauf verweist auf Anfrage auch die Sprecherin des Landratsamtes Schwarzwald-Baar. "Wir setzen das um, was aus Stuttgart kommt", sagt Heike Frank. Als ausführende "unterste Behörde des Gesundheitsapparates" führt das Gesundheitsamt Statistiken zu den ausgeführten Impfungen. Sie werden einmal wöchentlich veröffentlicht. Die Zahlen zeigen, dass die Impfungen durch Hausärzte an Fahrt gewinnen. Im Vergleich zwischen dem 19. und 26. April nahm die Gesamtzahl der Impfungen im Schwarzwald-Baar-Kreis von 39 181 auf 47 753 um 8572 oder 22 Prozent zu. Davon standen am Stichtag Montag dieser Woche 8499 Impfungen bei den Hausärzten in der Bilanz. Das waren 2957 mehr als in der Vorwoche und fast 50 Prozent mehr als die bisherige Gesamtzahl der Hausarztimpfungen.

Auch Donaueschinger Ärzte kennen die Situation. "Wir führen eine Warteliste für alle Patienten – Ü60 und U60, mit und ohne Prio" sagt Susanne Gretzinger. Die Hausärztin praktiziert in ihrer Praxis an der Eichendorffstraße. Geimpft werde aktuell nach Prio. Kurzfristige Ausfälle der Termine würden aufgefüllt. Auf die Frage, ob die Warteliste neben der täglichen Arbeit übermäßig fordernd sei, sagt sie: "Den Aufwand betreiben wir für unsere Patienten selbstverständlich und gerne."

Das Anmeldesystemist verwirrend

"Wir machen das für unsere Patienten", stellt der Allgemeinmediziner Karl Stuff klar. Aufwand – alleine drei Mitarbeiterinnen für die Bürokratie – und Ertrag – 20 Euro pro Impfung – stünden in keinem Verhältnis. Auch in seiner Praxis werde eine Warteliste für die Patienten geführt. Da sei ein unabdingbarer Service, denn viele Menschen kämen mit dem Anmeldesystem für die Impfzentren nicht klar. "Das Impfsystem ist ein Chaos", schimpft Stuff. Hausärzte bekämen wenig Impfdosen. Diese Woche stünden ihm gerade etwa 30 Dosen des Biontec-Impfstoffs zur Verfügung.

Sage ein Patient seinen Impftermin in der Praxis an der Mühlenstraße ab, rücke sofort jemand anderes nach. Kein Impfstoff gehe auf diese Weise verloren. Anders als bei unrühmlichen Beispielen in der Vergangenheit, als zuletzt in einem Impfzentren in Hamburg übrig gebliebener Impfstoff entsorgt werden musste. Zur Verärgerung des Arztes kommt ein Blick auf den Kostenfaktor hinzu. Alle Kosten eingeschlossen sei eine Impfung in den Impfzentren um ein Mehrfaches teurer als in den Arztpraxen.

Für Menschen, die unter 60 Jahre alt sind, bleiben die vielfältigen Sonderregelungen, die zur Impfberechtigung führen. Das Sozialministerium empfiehlt auf seiner Homepage, mit dem Hausarzt sprechen, zu welcher priorisierten Gruppe man unter Umständen gehört. Die Priorisierungen werden aufgrund der Empfehlungen der ständigen Impfkommission vorgenommen.

Bereits heute ist die Liste extrem umfangreich. In nahezu 30 detaillierten Unterpunkten geht es auf der Website des Sozialministeriums beispielsweise um Menschen, die in stationären Einrichtungen leben und das dort beschäftigte Personal, um medizinisches Personal, Einsatzkräfte von Polizei, Feuerwehr oder Technischen Hilfswerk oder Lehrkräfte und Erzieherinnen. Aber auch Betreuungen für Menschen über 70, die in Einrichtungen leben, ja auch Begleitungen für Schwangere können sich impfen lassen. Für die Umsetzung bedarf es je nach Situation eines ärztlichen Zeugnisses des behandelnden Arztes oder eines Antrags auf eine Einzelfallentscheidung des Sozialministeriums.

Die Impfpriorisierungen werden im Land nach und nach ausgeweitet. Seit Montag dieser Woche können sich Krebspatienten impfen lassen, bei der sich der Krebs in Rückbildung befindet, sowie Menschen mit einem Immundefizit, HIV, Autoimmunerkrankungen, Rheuma, Asthma und Herzinsuffizenz. Perspektivisch anspruchsberechtigt sind etwa Wahlhelfer, Personal in Verteilzentren, Saisonarbeiter oder Beschäftigte im Lebensmitteleinzelhandel. Als perspektivisch definiert das Sozialministerium auf seiner Website einen Zeitraum bis etwa Mitte Mai.

Eine Impfberechtigung von Menschen unter 60 liegt noch nicht vor. Insofern diese Altersgruppe priorisiert geimpft werden kann, gilt, dass nach der ersten Impfung durch Astrazeneca bei der zweiten Impfung ein anderer, ein mRNA-Impfstoff verabreicht wird. Laut Sozialministerium bleiben die Termine gültig. Gibt es zum Termin keinen Impfstoff, erhalten die Bürger einen Termin für eine Zweitimpfung. Wer sich online anmelden möchte muss einen neuen Vermittlungscode anfordern. Die vor dem 31. März angeforderten Codes sind nicht mehr gültig. Anmeldungen über impfterminservice.de oder 116 117.