Kampfsport-Profi Marco Knöbel in seiner Sportschule in Allmendshofen. Dort wird auch MMA trainiert. Das steht für Mixed Martial Arts und beschreibt eine Kampfsportart, die verschiedene Stile kombiniert. Das Interesse für den Sport wächst. Foto: Simon Foto: Schwarzwälder Bote

Reportage: Was es mit Mixed Martial Arts auf sich hat / Kampfsportart wird immer populärer

Abends in der ehemaligen Kammgarnspinnerei Wirth in Allmendshofen. Aus einem großen Raum tönt Musik, man hört angestrengtes Stöhnen, den Klang von Körpern, die auf Matten fallen. Zu Gast beim Kampfsport-Training.

Donaueschingen (guy). Es sind die Trainingsräume von Marco Knöbels Kampfsportschule "Marcos Free Fight Club". Ein Schild an der Tür weist darauf hin: Ab hier nur noch ohne Schuhe.

In dem großen mit Matten an Boden und Wand gepolsterten Raum trainiert Knöbel mit seinen Schülern MMA. Das steht für Mixed Martial Arts, also den gemischten Kampfkünsten. Bei dieser Sportart wird nicht nur geboxt, auch Tritte kommen zum Einsatz und auch am Boden geht es weiter.

Dabei handelt es sich allerdings nicht um eine unstrukturierte Rauferei, es muss taktisch vorgegangen werden: "Das ist ein bisschen wie Schach auf der Matte", erklärt der 26-jährige Trainer. Er muss es wissen, immerhin gehört er zu Deutschlands Profiriege in dem immer populärer werdenden Sport, wurde zeitweise unter den drei Top-Kämpfern in der Bundesrepublik geführt.

Respekt und Fairness auf der Matte gefragt

Gerade wird der Kampf am Boden geübt, allerdings nur die Griffe, keine Schläge wie im echten Kampf. Das nennt sich Grappling, was etwa als Griffkampf übersetzt werden kann. Es besteht aus Hebeln, Würfen und verschiedenen Würge- und Haltegriffe, um den Gegner zur Aufgabe zu zwingen. Was auffällt: Die Schüler sind keine homogene Gruppe: "Ich bin stolz, dass ich hier kein Klischee-Studio habe. Zu mir kommen Polizisten, Mechaniker, Studenten, Lehrer – alles querbeet", erklärt Knöbel. Wer also ein einschüchterndes Bild aggressiver Raufbolde erwartet, der irrt. Der Umgang ist freundschaftlich, aber bestimmt: "Es herrschen oftmals Vorurteile. Hier bei uns ist der Respekt ist wichtig. Egal welche Hautfarbe, Religion oder Ansicht: Auf der Matte musst du fair sein."

Knöbel selbst hat erst relativ spät mit dem Kampfsport angefangen, mit etwa 18 Jahren. "Ich habe viel Sport gemacht, Fußball gespielt. Dann kam ich in die Ausbildung." Da bleibt das Training in der Priorität ein wenig zurück. Knöbel will das ändern, beginnt zu Boxen, probiert sich im Kick-Boxen. Das Training und die Intensität sind ihm zu wenig. Ein Freund hat sich damals schon mit den gemischten Kampfkünsten beschäftigt. Über ihn kommt auch Knöbel dazu, bildet sich fort: "Wenn es irgendwo ein Seminar zu einem bestimmten Thema gab, dann bin ich hin und habe mein Wissen erweitert." Er schläft in billigen Hotels, finanziert sich seine Kampfsport-Ausbildung selbst. Ein MMA-Trainingssystem, wie es das heute gibt, findet sich zu dem Zeitpunkt in Deutschland keines. Der Sport steckt noch in den Kinderschuhen.

Knöbel entwickelt sich parallel dazu. Das geht dann schließlich bis zu einem ersten Profikampf: "Da wird man dann gelistet, alles fließt in deine Statistik. Und es steht ein anderer Druck dahinter." Die Nervosität vor einem Kampf sei auch nach mehreren immer noch da, sie nehme aber ab. Knöbel hat in seiner Profikarriere bereits sieben Kämpfe bestritten, davon fünf gewonnen und zwei verloren. Amateurkämpfe hat er schon so viele absolviert, dass er sie nicht mehr zählen kann.

Die Schläge verteilen sich auf den ganzen Körper

Anstatt in einem Ring, wird beim MMA in einem sogenannten Octagon gekämpft, einem achteckigen Käfig. Das, sagt Knöbel, wirke auf viele animalisch. In einem Käfig werden Tiere aufeinander gehetzt. Auch weil eben Blut fließe. Anders wie beim Boxen verteilen sich die Schläge aber auf den Körper, sind nicht zu 90 Prozent auf den Kopf ausgerichtet. Der Käfig ist allerdings notwendig. Oft werde im Kampf versucht, den Gegner zu Boden zu bekommen, mit einem sogenannten Takedown. Dabei wird der Kontrahent aus der Balance gebracht, stürzt. Das ist oft mit einem kurzen Anlauf verbunden. In einem normalen Boxring würden die Kämpfer durch die Seile aus dem Ring stürzen.

Im Kampf herrschen feste Regeln

Und im Kampf ist auch längst nicht alles erlaubt, wie oft angenommen werde: "Es gibt Regeln, die Unified Rules." Daran orientiert sich auch die UFC (Ultimate Fighting Championship). Das ist eine amerikanische Organisation, die größte weltweit für MMA-Kämpfe. "Nicht kratzen, beißen, keine Schläge in die Genitalien." Allerdings sind auch Schläge auf den Hinterkopf verboten, was bei Missachtung schnell zu einem Kampfabbruch führen könne: "Auch der Wirbelsäulenbereich ist tabu", sagt Knöbel. Wenn Schläge und Tritte mit einer Wucht von rund 100 Kilogramm kommen, sei das wichtig.

Auch wenn die Kämpfe in Deutschland populärer werden: "In den USA ist das ein viel größeres Ding", sagt Knöbel. Bei den Kämpfen des Iren Connor McGregor, einem der Stars im MMA, schauen teilweise mehr Leute zu, als beim Superbowl, der Meisterschaft im American Football und eine der populärsten Sportarten in den USA. Das zunehmende Interesse sei auch hier spürbar: "Momentan sind es bei uns rund 230 Schüler." Wirklich in den Ring treten, das tut allerdings nur eine Handvoll. Zu den Vorbereitungen auf einen Kampf gehört nämlich auch der Verzicht.

"Wenn ein Kampf ansteht, dann muss man das richtig machen. Mit 50 Prozent funktioniert es nicht. Vorher sage ich ab", erklärt Knöbel die Bedingungen für seine Schüler. Die an sich selbst angelegten Maßstäbe sind dabei noch höher. "Ich denke, das ist eine Lebensphilosophie. Entweder du machst es richtig, oder gar nicht." Nach einer mehrmonatiger Vorbereitungszeit gebe es daher nichts Schlimmeres, als einen Kampf zu verlieren: "Man verzichtet auf Zeit mit den Freunden, der Freundin, Fastfood, Süßigkeiten. Jeder hat Angst vor dem Verlieren", erklärt Knöbel. Die Welt sei auf eine schnelle Befriedigung aufgebaut. Das mache jedoch auf Dauer krank. Hier arbeite man auf ein konkretes Ziel hin: "Das größte Talent ist harte Arbeit."

Die Leidenschaft geht auf den Nachwuchs über

Das sei auch für ihn Ansporn gewesen, um Profi zu werden: "Kann ich das, was ich gelernt habe auch umsetzen, bin ich gut genug und funktioniert, was ich lehre? Dafür ist Kampfsport gemacht." Und schließlich gehe es auch darum, für die Schüler eine Vorbildrolle einzunehmen: "Man braucht Beweise. Je mehr ich schwitze und blute, je mehr Leidenschaft ich zeige, desto stärker geht das auf meine Jungkämpfer über." Dahinter stecke auch viel Psychologie und ein Weg, der zu Selbstvertrauen führe: "Wenn du nicht an dich glaubst, geht es nicht." Was es durch den Sport zurück gibt? "Einen gesunden Umgang mit Aggression, die hier im Training rausgelassen werden kann. Das Kämpfen ist natürlich ein ›Sich beweisen‹, aber wer das hier macht, geht nicht raus und tut es."

Das Training in Allmendshofen ist beendet. Alle Schüler klatschen sich ab: "Auch wenn jeder allein kämpft. Alles was davor passiert, ist eigentlich mehr Mannschaftssport, als alles was ich kenne", sagt Knöbel. Er wird in der Schule geduzt und nicht etwa mit "Meister" angeredet. Dennoch hat er das Sagen. Anders sei es nicht zeitgemäß, entspreche auch nicht dem Sport: "Auf der Matte bin ich wie jeder andere auch." Gleiche Chancen, gleiches Risiko.

Ein Kampfstil, bei dem verschiedene andere eingesetzt und gemischt werden ist eine Erfindung der Neuzeit? Keineswegs. In den olympischen Spielen der Antike gab es eine Disziplin namens Pankration (griechisch: Allkampf). Auf Sand lieferten sich die Kontrahenten ein Duell, in dem viele Mittel bis zum Sieg erlaubt waren. Der konnte nur errungen werden, ging der Gegner K.O. Verboten waren lediglich das Beißen und das Eindrücken der Augen. In den Quellen gibt es Berichte von Pankration-Siegern, die von ihrem Glück nie erfuhren, da sie während des Kampfes verstarben und erst posthum zu Ehren kamen.