Hanf-Pflanzen einer Cannabis-Plantage. Auch in Deutschland bekommen immer mehr Firmen entsprechende Lizenzen, um die Pflanzen für eine Verarbeitung zum medizinischen Einsatz anzubauen. Die Landesärztekammer sieht eine Zunahme der Cannabis-Verschreibungen. Foto: Vogel

Prozedere der Abgabe für alle sehr aufwendig. In Schmerztherapie hat sich einiges geändert.

Donaueschingen - Wenn in den etwas schlechter einsehbaren Ecken von Parkanlagen Rauch aufsteigt, dann stammt er nicht immer von handelsüblichen Zigaretten. So manches Mal handelt es sich dann um Cannabis, das verbrannt und eingeatmet wird.

Was sich allerdings seit 2017 in Deutschland geändert hat: Nicht jeder Cannabis-Konsument tut das illegal. Seit zweieinhalb Jahren erlaubt ein Gesetz die Benutzung des Stoffes als Medikament. Doch setzt sich das auch durch oder überwiegt der anrüchige Charakter? Wer kann überhaupt Cannabis verschrieben bekommen und wofür?

"Es ist zwar kein Massenphänomen, aber Cannabis wird zunehmend verschrieben", sagt Paula Hezler-Rusch. Sie ist Präsidentin der Bezirksärztekammer Südbaden und in der Landesärztekammer Vorsitzende des Ausschuss Suchtmedizin. Cannabis mit den Wirkstoffen Tetrahydrocannabinol (THC) und Cannabidiol (CBD), sei allerdings für die ärztliche Verordnung zugelassen worden, wie es sonst nicht üblich sei: "Wenn die Pharmaindustrie ein neues Medikament zulassen möchte, dann muss über die Vorlage entsprechender Studien erst die Wirksamkeit des Präparates bei bestimmten Indikationen nachgewiesen werden. Bei Cannabis war dies nicht der Fall", so Hezler-Rusch. Untersuchungen dazu finden allerdings aktuell statt. Ein Prozess, der eine Weile brauche, bis gutes Datenmaterial vorliege: "Am Zentralinstitut für seelische Gesundheit in Mannheim untersucht Markus Leweke etwa, welche Wirkung Cannabidiol auf Psychosen hat."

Dass sich nun jeder, der über Schmerzen klagt, auch gleich Cannabis vom Arzt verordnen lassen kann, sei jedoch nicht der Fall: "Im Gesetz ist formuliert, dass eine schwerwiegende Erkrankung vorliegen muss, bei der eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht oder nach Einschätzung des behandelnden Arztes im Einzelfall nicht zur Anwendung kommen kann", sagt Hezler-Rusch. Und selbst dann müsse die Verschreibung noch vom medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) abgesegnet werden, der Patient muss der Teilnahme an einer Begleiterhebung zustimmen.

"Vor der ersten Verordnung bedarf es einer Genehmigung durch die Krankenkasse", bestätigt auch Alexander Kruse, Pressereferent der Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK). Für eine Kostenübernahme (geregelt in Paragraf 31 Absatz 6 im Sozialgesetzbuch V) durch die Krankenkasse müsse eben eine schwerwiegende Erkrankung vorliegen. "Zudem muss eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf oder auf schwerwiegende Symptome in naher Aussicht stehen", sagt Kruse. Seit März 2017 seien bei der AOK Baden-Württemberg insgesamt 3719 Anträge auf medizinisches Cannabis als Arzneimittel eingegangen. Die Geneh-migungsquote liege aktuell bei 82,5 Prozent.

Bei der Donaueschinger Hofapotheke halten sich die Kunden in Grenzen, die medizinisches Cannabis erhalten: "Es sind vereinzelte Kunden, die das haben. Eine überproportionale Zunahme sehe ich da keine", sagt Inhaber Peter Meess. Bestellt werde Cannabis als Medikament erst dann, wenn ein entsprechendes Rezept mit Genehmigung auch vorliege. Viel zu speziell ist das Prozedere, um entsprechend Cannabis auf Lager zu haben. "Es muss genau festgelegt werden, welche Menge der Patient bekommt und wie viel Wirkstoff darin enthalten sein muss", erklärt Meess. Jede Pflanze habe dabei eine unterschiedliche Menge des Wirkstoffes. "Für alle Seiten ist das sehr aufwendig", so der Apotheker. Es gebe in der Lieferung oft Engpässe, weil auch bei den Herstellern auf viele Vorgaben geachtet werden müsse: "Bis jetzt gibt es in Deutschland nur wenige Firmen. Es soll aber wohl bald mehr Zulassungen geben." Cannabis habe sicher eine Berechtigung, "aber eine relativ kleine." Die konventionelle Schmerztherapie werde immer besser.

"Da hat sich viel verändert, seit ich 1991 die Apotheke von meinem Vater übernommen habe", sagt Meess. Ärzte beschäftigen sich stärker damit und es werde viel getan. Etwa über Fentanyl-Pflaster sei es möglich, über einen längeren Zeitraum eine bestimmte Dosierung abzugeben. "Der zermürbende Schmerz wird dadurch genommen."

Damit auch garantiert werden kann, dass eben der ärztlich verordnete Wirkstoff auch tatsächlich erreicht wird, müssen Patienten einen sogenannten Vaporisator benutzen. Ein Gerät, dass das Cannabis kontrolliert und dosiert erhitzt. "Es ist nicht der Joint, bei dem halt einfach irgendeine Menge dazugegeben wird. Hier brauchen wir stets die gleiche Dosis. Es muss kontrolliert ablaufen", erklärt Apotheker Florian Meess. In Deutschland sind dafür lediglich zwei Geräte zugelassen, die in Tuttlingen hergestellt werden. Auch sie müssen zuerst von der Krankenkasse genehmigt werden. Dennoch räumt Peter Meess dem Cannabis gute Chancen ein. "Ich denke, das kommt noch mehr." Positive Rückmeldungen von seinen Kunden habe er, und therapeutische Möglichkeiten gebe es auch.

Vorrangig wird Cannabis eingesetzt bei chronischen neuropathischen Schmerzen, schmerzhaften spastischen Lähmungen bei Multipler Sklerose oder Querschnittslähmung, bei von Chemotherapie verursachtem Erbrechen und Appetitlosigkeit, auch von HIV- und Aidspatienten sowie beim Tourette-Syndrom oder Epilepsie. Anwendungsgebiete sind außerdem chronische Schmerzen, Depressionen, Arthrose, Asthma, Neurodermitis, Rheuma oder Epilepsie.