Der Dobler Raphael Kastner wurde im Fußballkreis für sein großes Engagement als Schiedsrichter ausgezeichnet. Foto: Gegenheimer

Raphael Kastner bei Aktion "Danke Schiri" ausgezeichnet. In Sekunden wichtige Entscheidungen treffen.

Dobel - Bis in die Bundesliga werde er es nicht mehr schaffen, stellt Raphael Kastner abgeklärt fest, "dafür bin ich schon zu alt, habe zu spät angefangen".

Dass er nicht abgehoben ist oder einen Scherz macht, versteht man, wenn er berichtet, dass er mittlerweile in der Fußball-Landesliga zu Hause ist und als Assistent schon mal zwei Klassen höher in der Oberliga. Als aktiver Fußballer kickt er jedoch – wenn er überhaupt Zeit dazu findet – nach wie vor für "seine" Sportfreunde Dobel, derzeit in der B-Klasse. Um das Rätsel zu lösen: Der 23-Jährige ist Schiedsrichter und wurde als solcher jüngst im Fußballkreis als bester Schiri U50 des Jahres bei "Danke Schiri" für seinen besonderen Einsatz ausgezeichnet.

Das kommt nicht von ungefähr: Seit sich der aktive Fußballer mit 18 Jahren entschloss, einmal "die andere Seite" seines Sports kennenzulernen, ging es Schlag auf Schlag. Dem Neulingslehrgang samt praktischer Laufprüfung folgte die Praxis bei Spielen, zunächst im eigenen Fußballkreis, anfangs unterstützt durch erfahrene Paten. "Man kann noch so viele Videos schauen", erklärt Kastner, "erst auf dem Platz lernt man richtig". Auch aus eigenen Fehlern, sagt er reflektiert und selbstkritisch. So viele Fehler können es nicht gewesen sein, denn schnell erkannten die älteren Kollegen sein Potenzial. Seit seinem allerersten gepfiffenen Spiel – "Ein Damenspiel in Ersingen, das weiß ich noch!" – ging es zügig nach oben. Nach einem Dreivierteljahr pfiff er in der Herren-Kreisliga, konnte durch Austausch mit Nachbarverbänden auch weiter entfernt Fußballluft schnuppern.

Mittlerweile ist Kastner als Schiedsrichter in der Landesliga im gesamten badischen Fußballverband unterwegs, unter anderem bis in den Odenwald. Und als Schiedsrichterassistent sogar in der Oberliga bis nach Ravensburg: "Da geht ein Tag drauf für ein Spiel." Das schreckt den jungen Mann nicht. Motiviert besucht er zusätzlich die Sommer-Pflichtlehrgänge, ist derzeit im Landesliga-Förderkader. Und fördert selbst schon wieder junge Schiedsrichtertalente als Mitglied des Lehrwarteteams im Kreis. "Ich organisiere ihre Sitzungen, betreue sie als Pate bei Spielen, achte darauf, dass die mit Potenzial zeitnah beobachtet und bewertet werden." Vielleicht schafft es einer dieser Schützlinge, die ab zwölf Jahren beginnen können, mal "ganz nach oben"?

Weiteren Aufstieg – wenn auch nicht bis in den Bezahlfußball – hat Kastner durchaus im Blick: Sein Vorbild ist Deniz Aytekin, Bundesligaschiedsrichter mit internationalen Einsätzen. "An ihm schätze ich diese ruhige Art. Das kommt mir selbst entgegen. Ich bin auch eher ruhig, schreie nicht wild auf dem Platz herum." An seine Grenzen kam er dennoch schon: als ihm in einer Begegnung ein wegen Ellenbogenschlags mit Rot bedachter Spieler die Rote Karte aus der Hand schlug. "Ich war schon erst mal überrumpelt. Zum Glück haben die Mitspieler ihren Kameraden schnell weggezogen." Dass Zuschauer einen "übelst beleidigen und verbal bedrohen" nimmt er mittlerweile gelassen: "Ich schalte da auf Durchzug."

In Sekunden wichtige Entscheidungen treffen

Die Herausforderung als Schiedsrichter ist zugleich das, was Kastner am meisten daran fasziniert: Dass man in Sekunden schwierige Situationen entscheiden muss. Und das möglichst richtig! Sozusagen eine Win-Win-Situation hat der studierte Sozialpädagoge da mit seiner Arbeitsstelle im Jugendamt. Auch da, erläutert er, habe man knifflige Fälle zu entscheiden. Und das immer unter Berücksichtigung der beteiligten Menschen. Dieses soziale Interesse hat er wohl ein Stück weit in den Genen – von Mutter Kirsten – und dazu die Liebe zum runden Leder von Vater Jürgen: "Mein Vater war mein Trainer bei den Sportfreunden seit den Bambini und über alle Jugenden hinweg."

Vier Jahre war Kastner Torwart der Ersten Mannschaft und hat das "immer geliebt, mit langjährigen Wegbegleitern" auf dem Rasen zu stehen. Das Schiedsrichteramt aber lockt ihn heutzutage mehr. Fast jedes Wochenende ist er mit Pfeife und Karten im Gepäck unterwegs. "Das bringt mir unheimlich viel fürs Leben allgemein", erklärt er, "gerade auch den Umgang mit Konfliktsituationen." Gut im Griff hat er die Konfliktsituation mit ausgebuchten Wochenenden und der Freundin: "Dass sie das so mitmacht, Verständnis hat, darüber bin ich echt froh. Das Schiedsrichterdasein ist eben schon zeitintensiv!"