Die Schulen in der Gesamtgemeinde Dietingen stehen seit Oktober im Fokus der Öffentlichkeit. Jene in Irslingen (Bild) darf voraussichtlich noch bis zum Schuljahr 2024/2025 ihrer Bestimmung nachgehen. Foto: Stapel Foto: Schwarzwälder Bote

Gemeinderat: Gremium fasst Grundsatzbeschluss / Argumente und Bedenken dargelegt / Mehr Transparenz für Bürger gefordert

Der Grundsatzbeschluss ist gefasst: Bei einer Gegenstimme sprach sich der Gemeinderat Dietingen am Mittwoch für eine Neustrukturierung von Betreuung und Unterrichtsversorgung in der Gemeinde aus. Die Entscheidung ist den Räten sichtlich schwergefallen – doch sie warben bei den Bürgern um Verständnis für diesen Schritt.

Dietingen. Überwiegend sachlich, ab und zu aber auch durchaus emotional verlief die Beratung zum Grundsatzbeschluss. Das ist verständlich: Denn die geplanten Veränderungen werden vor allem Böhringen und Irslingen schmerzlich treffen. Für die beiden Ortschaften hat das neue Konzept Folgen: Die Schulstandorte dort werden aufgegeben, stattdessen werden die Betreuungsangebote für Krippen- und Kindergartenkinder ausgebaut (wir berichteten).

In der Sitzung legten die Gemeinderäte ihre Beweggründe dar – knapp 20 Zuhörer verfolgten die zweistündige Diskussion und hatten so die Möglichkeit, die Argumente der Gremiumsmitglieder besser nachzuvollziehen.

Bei den Bürgerfragen meldete sich Thomas Held, Ortschaftsrat aus Böhringen, zu Wort und drückte sein Befremden darüber aus, dass Bürgermeister Frank Scholz einen Tag vor der Gemeinderatssitzung bereits Gespräche in der Böhringer Schule geführt hatte – mit den Vertretern eines Architekturbüros sowie der Schul- und Kindergartenleitung. "Warum wird die Ortsvorsteherin nicht eingeladen?", hakte Held nach. Scholz erklärte es mit den Zufällen bei der Terminabsprache. "Es war ein Wunsch aus dem Gremium, dass wir zügig vorankommen", betonte er. Für die weiteren Planungen brauche man viel Vorlauf – deshalb führe man bereits Vorgespräche.

Der Böhringer Achim Belser fragte die Räte, wie es sich anfühle, als erste in die Geschichte der Gemeinde einzugehen, die die Schulen schließen. Bürgermeister Scholz erwiderte, dass es auch früher bereits Schulreformen und Schulschließungen gegeben habe.

"Wir befinden uns im ständigen Wandel", hob er hervor. Scholz blickte auf die vergangenen 30 Jahre zurück, hob dabei die Flexibilisierung der Abholzeiten und die Einführung von neuen Angeboten hervor. Wichtig sei es, auch weiterhin als familienfreundliche Gemeinde wahrgenommen zu werden. "Wir müssen die Eltern überzeugen, hier zu bleiben oder zu uns zu kommen. Wir müssen aktiv bleiben, um eine optimale Perspektive zu bieten", sagte Scholz.

In seinen Augen und in den Augen des Beratungsbüros "Biregio" liegt der Vorteil der Neustrukturierung darin, dass die Jahrgänge bis sechs Jahre sich im Ort sozialisieren können. Und: "Auch Kindertagesstätten sind wichtige Einrichtungen." Der Grundsatzbeschluss sei nicht gegen einen Ort gerichtet, sondern soll Dietingen als familienfreundliche Gemeinde stärken, betonte Scholz.

In der anschließenden Beratung machten die meisten Räte deutlich, dass sie die Bedenken und Ängste der Teilgemeinden verstehen – sich aber für eine nachhaltige und zukunftsorientierte Lösung für die Gesamtgemeinde entscheiden müssen. Und: Sie hätten sich sehr wohl Alternativen angeschaut, Gedanken gemacht, Vor- und Nachteile abgewogen.

"Bei mir schlagen zwei Herzen in der Brust", meinte Böhringens Ortsvorsteherin Martina Stier. "Es gibt zwei Seiten und nicht DIE Lösung. Die Schule zusammenzufassen, mit Fachleuten, mit guten Betreuungsmöglichkeiten – das ist eine gute Lösung, das stimmt wirklich. Die andere Seite ist, dass die Ortschaften die Schulen verlieren. Die Schule steht auch für Infrastruktur. Es ist ein Verlust für viele Menschen, und dieser Verlust ist mit Ängsten verbunden" betonte Stier.

Martin Häsler aus Böhringen plädierte dafür, die Entscheidung zu verschieben. "Warum können wir nicht wieder zusammen frisch anfangen? Die Leute sind enttäuscht. Ich tue mich wirklich schwer", sagte er. "Wir reißen Gräber auf, die nicht mehr geschlossen werden", appellierte Martin Häsler an seine Ratskollegen, sich das Ganze doch noch mal genauer zu überlegen. Eines seiner Argumente: "Wir sind vielleicht froh, wenn wir die Klassen teilen können" – auch angesichts der Pandemie, die das Schulleben nachhaltig beeinflussen wird. Er stimmte am Ende der Sitzung als Einziger gegen den Grundsatzbeschluss.

Christoph Dresel bedauerte, dass das Alternativkonzept der Böhringer Bürger im Gemeinderat kaum Thema gewesen sei. "Da haben sich Leute Gedanken darüber gemacht, das sollte man auch würdigen", meinte er.

Die meisten Räte sprachen sich am Mittwoch gegen die Verschiebung der Entscheidung aus. So auch Alexander Ettwein: "Wir haben uns sehr viele Gedanken über das Für und Wider gemacht. Wir müssen jetzt handeln. Die Dringlichkeit besteht wirklich." Er sagte, dass Betreuungsplätze in der Gemeinde jetzt schon knapp seien.

"Das Verschieben bringt uns keinen Millimeter weiter", meinte auch Klaus Häsler, Ortsvorsteher von Irslingen. "Wir stehen heute im Stadium, in dem wir die Schule aufgeben müssen", stellte er fest. Klaus Häsler betonte, er habe viel Respekt vor den Eltern, die für die Schule kämpfen. "Uns geht es jetzt darum, das Verständnis zu wecken bei den Eltern, dass wir den Weg gehen müssen."

Gerhard Schneider formulierte seine Position so: "Es geht nicht darum, irgendwo eine Schule zu schließen. Es geht darum, die Grundschule Dietingen auf solide Beine zu stellen für die kommenden 15 Jahre." Mit dem Grundsatzbeschluss ende die Diskussion nicht, betonte er.

Dass die Diskussion zum Thema und vor allem das "Bürgern-mit-ins-Boot-holen" in den vergangenen Monaten nicht immer optimal gelaufen seien, erwähnten mehrere Gremiumsmitglieder. "Ich muss mich entschuldigen bei den Bürgern für die Art, wie es gelaufen ist. Wir müssen transparenter sein", meinte Jürgen Würtenberger. Auch Folkert Hermann machte klar: "Die Kinder sind unsere Zukunft, wir müssen was verändern. Aber viele Bürger fühlen sich nicht abgeholt. Wir müssen es schaffen, die Bürger mitzunehmen."

Die Aussage, als Gremium nicht transparent genug gewesen zu sein, wollte Andreas Herter so nicht stehen lassen: "Ja, in der Öffentlichkeitsarbeit sind Fehler gemacht worden. Auf der anderen Seite kann man nicht sagen, dass es nicht transparent war. Wir hatten drei öffentliche Veranstaltungen."

Ferdinand von Bissingen nannte die Entscheidung "sauschwierig". "Aber irgendeiner muss die Entscheidung treffen", sagte er. Zum Alternativkonzept aus Böhringen meinte der Gemeinderat: "Es ist eine Lösung, um die Schmerzen weniger zu machen."

Michael Winkelmann führte aus, dass man viele Gespräche geführt und viel diskutiert habe: "Aber wir sehen keine Lösung, die den Vorschlag der Gemeindeverwaltung besser macht." Catrin Hils sprach von einer deutlichen Tendenz, dass immer mehr Krippen- sowie Ganztagesplätze in den Kindergärten und Schulen gefragt seien. "Bei den Krippenplätzen waren wir im Oktober schockiert, wie groß der Bedarf ist", betonte sie.

Bernd Kirholzer meinte: "Wir haben bereits eine Schule. Und die Frage, wo die Klassenzimmer sind, ist zweitrangig. Ich trage diese Entscheidung mit schwerem Herzen mit." Dass Emotionen keine Argumente sind, betonte Klemens Schmid: Die Schulzusammenlegung soll zum Wohle der Schüler vorangetrieben werden.

Der Grundsatzbeschluss samt zwei Empfehlungsbeschlüssen an die Schulleitung wurde bei einer Gegenstimme (Martin Häsler) mehrheitlich gefasst. Die Empfehlungen sollen die Wünsche der Eltern transportieren. Dort ist zum Beispiel festgehalten, dass die Drittklässler aus Böhringen bei einem Wechsel nach Dietingen im selben Klassenverband bleiben und dieselbe Lehrerin erhalten. Die Kinder aus Irslingen sollen voraussichtlich zum Schuljahr 2024/2025 an den Standort Dietingen wechseln. Der Schulbetrieb in Böhringen soll voraussichtlich nach Ende des Schuljahres 2020/2021 eingestellt werden. Im Ort werden weitere Betreuungskapazitäten aufgebaut. Dort sollen, wenn möglich, bereits 2021/2022 zwei Krippengruppen im bisherigen Schulgebäude entstehen. Die gesamte Kindertagesstätte soll dort unterkommen.

Der Grundsatzbeschluss bildet die Grundlage für die weiteren Planungen der Gemeinde. "Das Personal und die Eltern müssen klar wissen, wie es weitergeht", betonte Scholz.