Ein Selbstbildnis von Nestor Vandeputte, der eine Karte von Frankreich auf seinen Schultern trägt, zeigt Rolf Fussnecker aus dem Kriegs-Tagebuch des Franzosen. Fotos: Schmidt Foto: Schwarzwälder Bote

Damals: Kriegsgefangenschaft in Dietingen / Vorhaben: Gedenktafel am Fischerheim

Der Zweite Weltkrieg liegt mehr als 70 Jahre zurück. Französische Soldaten wurden damals (ab Juni 1940) als Zwangsarbeiter in Dietingen gefangen gehalten. Nun wird ihnen am Fischerheim ein Denkmal gesetzt.

Dietingen. "Sie kamen als Feinde und gingen als Freunde." Das Tagebuch, das Rolf Fussnecker in den Händen hält, berührt: Es zeuge als Dokument nicht nur von Dietinger Geschichte, sondern auch von der Menschlichkeit der damaligen Bürger.

Nestor Vandeputte, einer der 15 französischen Gefangenen in Dietingen hielt seine damaligen Erlebnisse von seiner Zeit als Soldat über seine Gefangenschaft bis zur Flucht und Wiederheimkehr nach Frankreich in seinem 340 Seiten starken Tagebuch, teilweise mit bemerkenswerten Zeichnungen, fest (wir haben berichtet).

Über ein Verwandtschaftsverhältnis gelang das Tagebuch in die Familie Fussnecker. Der Dietinger Josef Eiberger, ein Onkel von Fussneckers Frau, erlernte in einem christlichen Seminar die französische Sprache. Ein guter Freund des Tagebuchschreibers arbeitete in der Familie Eiberger, erzählt Fussnecker. Alle drei verstanden sich so gut, dass die Freundschaft über den Krieg hinaus dauerte und Nestor Vandeputte sein Tagebuch Josef Eiberger schenkte.

Nach Eibergers Tod schrieb Vandeputte an dessen Frau: Josef war ein Freund, er habe gedolmetscht und in vielerlei Hinsicht geholfen. "Gott war in dieser Familie." Gegenseitig hätten sie sich versichert: "Niemals mehr Krieg zwischen Deutschland und Frankreich."

Auch Rolf Fussnecker hielt mit seiner Frau Kontakt zu Nestor Vandeputte. Bei einem Besuch lag der Franzose mit einem Beinbruch im Krankenhaus. Vor Freude über die Begegnung habe er alle Krankenschwestern zusammengerufen und ihnen von seiner guten Zeit während der Gefangenschaft in Dietingen berichtet.

Vor Ort übersetzt

Fussnecker selbst blieb der Inhalt des Tagebuchs aufgrund der fehlenden Sprachkenntnisse verborgen, bis sich Rosalie von Bissingen und Gisel Hegele aus Dietingen der Übersetzung annahmen.

Im Juni 1940 kamen 15 französische Kriegsgefangene nach Dietingen und wurden in der dafür vorgesehenen Wasser-, Licht- und Elektrozentrale, heute Fischerheim, untergebracht. Nachts waren sie dort eingeschlossen und tagsüber arbeiteten sie in verschiedenen landwirtschaftlichen Betrieben, im Gemeindewald und auf dem Hofgut Tierstein.

Sie wurden gut behandelt, schreibt Vandeputte. "Schon die Ankunft war sehr angenehm." Die erste Stelle sei das Gasthaus Hasen gewesen, wo sie ein warmes Essen bekommen hätten. Von einem Sonntag schrieb er, dass es ein Essen mit gebratenem Speck, gemischtem Gemüse, leckeren Spätzle und Nachtisch gegeben hätte: "Was für eine selige Stunde." Die Beobachtung der Dietinger Kinder auf der Straße bereitete ihm Freude: "Sie sind pausbäckig und gesund. Ganz klein laufen sie barfuß, sorglos und lebhaft und helfen ihren Eltern."

Mit Wehmut erfüllte den damals 25-Jährigen nur der Gedanke an seine Frau: "Wo bist Du?" "Wann wird man verstehen, dass Kriege nichts bringen, dass die Völker sich nicht bekämpfen sollen?"

Viele Seiten sind fast taggenau, sagt Rolf Fussnecker. Auch ohne Französisch-Kenntnisse habe er beim Durchblättern bemerkt, mit wie viel Herz, Verstand, Verlangen nach Freundschaft, Frieden und Völkerverständigung er gedacht und geschrieben haben müsse.

"Verschont dieses Dorf"

Als die Panzer der Alliierten im April 1945 in Dietingen einrollten – Vandeputte war zu diesem Zeitpunkt längst geflohen –, warf sich ein Gefangener dazwischen. "Ich bin Franzose, verschont dieses Dorf", habe er gerufen. "Sie waren menschlich zu uns." So sei kein einziger Schuss gefallen.

Mit einer Gedenktafel soll an diese Zeit nun erinnert werden. Eben da, wo die Gefangenen nachts eingesperrt waren. Das Fischerheim steht im Eigentum der Gemeinde. Fischerverein und Ortschaftsrat stimmten jüngst zu.

Die Kosten für die Tafel trägt die Erwachsenenbildung. Auf ihr sollen alle 15 Namen der Gefangenen verewigt werden. Später soll eine Infoveranstaltung der Erwachsenenbildung folgen.