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Mit den Hartz-IV-Gesetzen sollen Arbeitslose und Langzeitarbeitslose rasch in den Arbeitsmarkt eingegliedert werden - doch das gelingt zu selten. Wir geben Antwort auf die wichtigsten Fragen.

Berlin - Mit den Hartz-IV-Gesetzen sollen Arbeitslose und Langzeitarbeitslose rasch in den Arbeitsmarkt eingegliedert werden - doch das gelingt zu selten. An Vorschlägen zur Reform mangelt es nicht.

Während NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) von einer "Generalrevision" spricht, weist seine Parteikollegin Ursula von der Leyen darauf hin, dass sie keine "Totalveränderung" wolle. In ihrer Amtszeit als Arbeitsministerin wolle sie aber das verbessern, was bei Hartz IV zu hastig umgesetzt worden sei. Hessens Ministerpräsident Roland Koch blitzte am Dienstag mit seinem Vorstoß für eine strenge Arbeitspflicht von Hartz-IV-Empfängern bei den Spitzen der schwarz-gelben Koalition ab. Der Präsident des CDU-Wirtschaftsrates, Kurt Lauk, erklärte hingegen: "Wir müssen gegen die Ungerechtigkeit angehen, dass Drückeberger es sich auf Kosten von Fleißigen mit geringem Einkommen wohl ergehen lassen." Einen Teil der Regelungen stellt die Politik selbst auf den Prüfstand, einige Änderungen gibt aber auch das Bundesverfassungsgericht vor. Aber was ist sinnvoll?

Mehr Geld für Kinder?

Derzeit wird der Satz, der Kindern zusteht, nicht eigenständig ermittelt. Vielmehr bekommen sie einen prozentualen Anteil des Regelsatzes der Erwachsenen (359 Euro). Kinder bis fünf Jahre bekommen 215 Euro, Kinder zwischen sechs und 13 Jahren 251, 14- bis 17-Jährige 287 Euro. Ob dies auch bedarfsgerecht ist, hat niemand überprüft. Gerichte haben dieses Thema schon im Visier: In einer mündlichen Verhandlung zur Sache hat das Bundesverfassungsgericht bereits die Ermittlung der Sätze gerügt, für den Februar ist das Urteil angekündigt. Der Bund dürfte dabei verpflichtet werden, die Sätze korrekt zu berechnen. Sehr wahrscheinlich werden dabei höhere Sätze herauskommen.

Ja, denn die prozentuale Berechnung des Kinderbedarfs ist unbefriedigend. Gerade Kleinkinder benötigen häufig mehr Geld als Erwachsene, etwa für Kleidung und Schuhe. Allerdings: Der Bund muss mit erheblichen Mehrausgaben rechnen. Unter den 6,7 Millionen Hilfeempfängern sind knapp 1,7 Millionen Kinder.

Muss sich Leistung lohnen?

Bezieher von Arbeitslosengeld II sollen einen Anreiz haben, sich eine bezahlte Beschäftigung zu suchen. Bislang dürfen sie bei Nebenverdiensten lediglich 100 Euro vom Bruttolohn behalten. Bei einem Einkommen zwischen 100 und 800 Euro dürfen sie 20 Prozent behalten, zwischen 800 und 1200 Euro zehn Prozent. Den Rest müssen sie an die Bundesagentur abliefern. Viele Experten sind dafür, dass Betroffene mehr Geld von Nebenbeschäftigungen behalten können. Man verspricht sich davon, dass die Eigeninitiative von Langzeitarbeitslosen stärker gefördert wird.

Ja. Das Arbeitsministerium will bis zur Jahresmitte Vorschläge für höhere Hinzuverdienstgrenzen erarbeiten. Das Problem ist nur, dass die finanziellen Folgen schwer abschätzbar sind. Denn: Bei höheren Grenzen haben auch mehr Niedriglöhner Anspruch, von der Bundesagentur aufstockende Hartz-IV-Bezüge zu bekommen.

Alg I je nach Beitragsdauer?

In der Regel wird Arbeitslosengeld I zwölf Monate lang gezahlt, seit 2008 bekommen über 50-Jährige bis zu 15 Monate, über 55-Jährige bis zu 18 Monate und über 58-Jährige bis zu 24 Monate Arbeitslosengeld I, bevor sie ins deutlich niedrigere steuerfinanzierte Alg II abrutschen. Kritiker argumentieren, dass es gerechter wäre, die Bezugsdauer beim Arbeitslosengeld I konsequent an die Beitragsdauer zu koppeln. Dies hieße: Wer lange einzahlt, hätte am längsten Anspruch auf die Versicherungsleistung.

Nein, denn die Arbeitslosenversicherung ist eine Schadensfallversicherung. Wenn der Schadensfall, also die Arbeitslosigkeit, eintritt, springt die Versicherung ein. Tritt der Schadensfall nicht ein, hat der Versicherte keinerlei Ansprüche auf seine eingezahlten Beiträge. Wichtiger noch: Forscher sind sich einig, dass lange Alg-I-Bezugszeiten den Wiedereinstieg in einen anderen Job hemmen.

Hilfen für Alleinerziehende?

Alleinerziehende bleiben statistisch gesehen länger langzeitarbeitslos als Familienväter und -mütter ebenso wie Kinderlose. Laut Nürnberger Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) leben 40 Prozent aller Alleinerziehenden von Hartz IV. Häufig scheitern selbst sehr gut ausgebildete Frauen mit kleinen Kindern bei der Jobsuche. Ihr Problem sind fehlende Betreuungsplätze für ihre Kinder. Es fehlen Kindertagesstätten, Ganztagesplätze in Horten und Hausaufgabenbetreuung für Schulkinder.

Ja, vor allem das Betreuungsangebot muss besser werden. Das geht allerdings nicht über Nacht. Die Länder und Kommunen sind bereits seit Jahren dabei, ihre Angebote aufzustocken, der Bund hilft dabei.

Pauschalen für Mieten?

Bislang übernimmt der Staat bei Langzeitarbeitslosen die Kosten für eine angemessene Wohnung und die Beheizung der Räume. Im Gespräch ist, dass künftig nicht mehr die „echten“ Mieten abgerechnet werden, sondern Pauschalen gezahlt werden. Im scharz-gelben Koalitionsvertrag ist ein Prüfauftrag vorgesehen. Eigentlich geht es hier um einen Streit zwischen dem Bund und den Ländern und Kommunen. Der Bund hatte Anfang des Jahres seinen Anteil an den Unterkunftskosten reduziert. Die Kommunen befürchten nun, auf den Kosten sitzenzubleiben.

Naja, eigentlich ist das Gerangel zwischen den verschiedenen staatlichen Ebenen kein guter Grund, warum die bisherige Praxis aufgegeben werden sollte. Schließlich ist eine Abrechnung der „echten“ Mieten die gerechteste Variante. Bei Pauschalen gäbe es immer Gewinner und Verlierer.

Mehr Schonvermögen?

Langzeitarbeitslose dürfen derzeit pro Lebensjahr 250 Euro für eine zusätzliche, über die gesetzliche Rente hinausgehende Altersvorsorge behalten. Alles, was darüber hinausgeht, muss zunächst aufgebraucht werden, bevor Arbeitslosengeld (Alg) II bezogen werden kann. Bereits im Koalitionsvertrag hatte Schwarz-Gelb beschlossen, dieses sogenannte Schonvermögen kräftig anzuheben. Es ist eine Verdreifachung des Schonvermögens geplant. Künftig sollen je Lebensjahr 750 Euro anrechenfrei bleiben. Das Kabinett hat dies schon beschlossen, es muss noch vom Parlament bestätigt werden.

Ja, denn wenn der Staat die Bürger anhält, privat mehr für das Alter zurückzulegen, sollte er es ihnen nicht im Gegenzug bei Arbeitslosigkeit wieder nahezu komplett wegnehmen. Allerdings: Die Zahl der von einer solchen Regelung Betroffenen hält sich offenbar in engen Grenzen, die Rede ist von 25.000.