Das Gebäude der US-Notenbank (Fed), aufgenommen in Washington D. C. Foto: dpa

Es gibt einen Wechsel an der Spitze der mächtigsten Notenbank der Welt. Warum diese Personalie auch Deutschland interessieren sollte.

Ein Wort von Ben Bernanke genügt, um die Weltbörsen in Hysterie oder Euphorie zu stürzen. Nach acht Jahren an der Spitze der US-Notenbank  Fed tritt er am Samstag ab. Wird seine Nachfolgerin Janet Yellen nun die milliardenschweren Konjunkturspritzen drosseln? Und was bedeutet das für Sparer in Deutschland?

Die Fed unter „Helikopter-Ben“: Der Spitzname wird Ben Bernanke sicher noch lange anhängen – auch dann, wenn Janet Yellen die US-Notenbank Fed (Federal Reserve) längst als Präsidentin führt. Am 1. Februar übernimmt sie den Posten offiziell. Den Namen „Helikopter-Ben“ hat Bernanke einem Scherz zu verdanken. Er verwendete einst in einer Rede das Sprachbild des Wirtschaftsnobelpreisträgers Milton Friedman und erklärte, die Fed könnte notfalls auch aus einem Helikopter Dollar-Scheine abwerfen und so die Wirtschaft ankurbeln.

Einen Helikopter braucht Bernanke dafür nicht. Der Notenbanker hat andere Instrumente. Als er im Februar 2006 das Spitzenamt von Alan Greenspan übernimmt, scheint es der Konjunktur noch gutzugehen. Die Arbeitslosenquote liegt bei fünf Prozent, das Wirtschaftswachstum bei 5,3 Prozent. Doch mit dem Ausbruch der Finanzkrise und der Pleite der US-Bank Lehman Brothers ist der Ökonom vor allem als Krisenmanager gefragt. Die Wirtschaftsleistung bricht ein, die Arbeitslosenquote in den USA erreicht 2009 mit fast zehn Prozent ihren Höhepunkt. Um die schwache Konjunktur zu stützen, senkt Bernanke den Leitzins der Fed so lange, bis er gerade noch knapp über der Nulllinie liegt – schrittweise von 5,25 auf bis zu 0,13 Prozent.

Der Leitzins ist eines der wichtigsten Instrumente der Fed. Wie andere Zentralbanken auch, leiht sie Banken Geld, damit diese Unternehmen und Privatleuten Kredite geben können. Sinkt der Leitzins, müssen die Geldhäuser weniger dafür zahlen, steigt er, wird es für sie teurer. Das wirkt sich in der Regel auch auf den Zinssatz aus, den Banken dann für Darlehen verlangen.

Die Fed, der größte Gläubiger des amerikanischen Staates: Die US-Notenbank hält den Leitzins seit Ende 2008 auf einem Rekordtief von null bis 0,25 Prozent. Mit dieser extrem lockeren Zinspolitik will sie eine Kreditklemme verhindern. Denn eine wichtige Erkenntnis hat Bernanke in seinen Studien über die Große Depression in den 30er Jahren gewonnen: In der Weltwirtschaftskrise verliehen Banken weniger Geld. Weil Unternehmen deshalb weniger investierten, ging es mit der Wirtschaft noch weiter bergab. Die Fed hätte den Zusammenbruch verhindern können, wenn sie damals rechtzeitig gegengesteuert hätte, ist Bernanke überzeugt.

Da die Fed beim Leitzins keinen Spielraum mehr hat, pumpt sie seit 2009 über andere Wege zusätzlich Milliarden in den Finanzmarkt und kauft Monat für Monat Staatsanleihen und Hypothekenpapiere im Wert von 85 Milliarden Euro (62 Milliarden Euro). „Quantitative Easing“ nennt Bernanke dieses Programm, bei dem Staat und Banken mit frischem Geld versorgt werden. „Drei solcher Runden hat die Fed eingeläutet und damit ihre Bilanz mehr als vervierfacht – von 890 Milliarden Dollar im Jahr 2007 auf mehr als vier Billionen Dollar (2,92 Billionen Euro)“, sagt Wirtschaftsprofessor Ansgar Belke von der Uni Duisburg-Essen. Mit vier Billionen Dollar – einer Zahl mit zwölf Nullen – ist die Fed der größte Gläubiger des amerikanischen Staates.

„Bernankes wichtigster Erfolg war es, dass die Fed die Fehler der Großen Depression nicht wiederholt und eine noch viel schlimmere Entwicklung verhindert hat“, sagt Belke. Dem stimmt auch Clemens Fuest zu, der Präsident des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung: „Wenn die amerikanische Wirtschaft stabil ist, profitiert auch Deutschland davon. Die USA sind einer der größten Abnehmer deutscher Waren.“

Die Entscheidungen der Fed und ihre Auswirkungen: Die Fed ist die mächtigste Notenbank der Welt. „Sie kontrolliert den Dollar, und damit die Weltleitwährung“, sagt Clemens Fuest. „Die Geldpolitik der Fed hat Auswirkungen auf andere Länder, vor allem die Länder, die ihre eigene Währung an den Dollar koppeln oder Dollar in großen Mengen als Reserve halten.“ Fuest erinnert an die „Tequila-Krise“ von 1994/95. Damals führten Zinserhöhungen in den USA zu einer Entwertung des m exikanischen Peso. Er verlor innerhalb von wenigen Tagen mehr als die Hälfte seines Wertes. Banken gerieten an den Rand des Abgrunds und konnten nur mit staatlicher Milliarden-Hilfe gerettet werden.

Die Entscheidungen der Fed können nicht nur die Entwicklung in Schwellenländern beeinflussen. „Die Fed setzt einen Trend“, sagt Christoph Balz, USA-Wirtschaftsexperte bei der Commerzbank Frankfurt. „Die Vergangenheit hat gezeigt, dass die anderen Notenbanken der Fed mit Verzögerung folgen, wenn sie an der Zinsschraube dreht.“ Das bestätigt auch Chefökonom Uwe Burkert von der LBBW. „Ein Börsensprichwort besagt: ‚Don’t fight the fed‘ – das heißt so viel wie ‚Stell dich niemals gegen die Fed.“‘ Seit 2008 hat auch die Europäische Zentralbank den Leitzins von 4,25 auf 0,25 Prozent gesenkt.

Die Fed, der Sparzins und die Börsen: Das von den Notenbanken geschaffene Billiggeld beeinflusst auch die Aktienmärkte und Sparzinsen. Mit dem Leitzins geben die Notenbanken die Entwicklung für die kurzfristigen Zinsen vor – etwa fürs Tagesgeldkonto, Festgeld oder Sparbuch. Je niedriger der Leitzins, desto mickriger sind in der Regel auch die Erträge für solche Anlagen.

Langfristige Zinsen basieren meist auf dem Zins von Staatsanleihen mit einer Laufzeit von zehn Jahren. Je mehr solcher Staatsanleihen die Fed kauft, desto größer ist die Nachfrage. „Wenn die Nachfrage steigt, muss der Staat keine so hohen Zinsen für die Anleihen zahlen, deshalb fällt die Rendite“, erklärt LBBW-Chefökonom Uwe Burkert. Dies kann Auswirkungen auf den Zinssatz für deutsche Staatsanleihen – sogenannte Bundesanleihen – haben. „Die Entwicklung in Amerika ist auch etwas nach Deutschland übergeschwappt, die Rendite für zehnjährige Bundesanleihen lag zuletzt bei 1,70 Prozent“, sagt USA-Wirtschaftsexperte Christoph Balz von der Commerzbank. „Internationale Anleger vergleichen die Zinsen, wenn sie beispielsweise in Deutschland mehr Zinsen für Staatsanleihen bekommen als in Amerika und deshalb verstärkt Bundesanleihen kaufen, sinkt auch in Deutschland der Zinssatz.“

Je weniger Sparbuch und Co. abwerfen, desto mehr investieren Anleger in Aktien – ein Blick auf das Börsenjahr 2013 genügt: Der Deutsche Aktienindex (Dax) stieg um 25 Prozent – und damit der Wert der 30 größten Börsenunternehmen in Deutschland. Auch für den US-amerikanischen Aktienmarkt war 2013 ein grandioses Jahr.

Das Erbe von Bernanke: Der Notenbank-Chef hat Ende 2013 angekündigt, die Anleihekäufe sanft zu drosseln. Im Januar senkte die Fed die monatlichen Käufe um zehn auf 75 Milliarden Dollar, im Februar sollen sie um weitere zehn Milliarden Dollar reduziert werden. Christoph Balz von der Commerzbank geht deshalb davon aus, dass „der Zins für zehnjährige Bundesanleihen in einem Jahr auf 2,1 Prozent steigen wird“. Der Präsident des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung, Clemens Fuest, warnt jedoch: „Das große Risiko ist eben, dass ein großer Absturz droht, wenn am Ende die Anleihekäufe eingestellt werden.“ Bei einem zu schnellen Verkauf würden die Zinsen für Anlagen in US-Dollar plötzlich steigen. Die Folge wäre: „Investoren ziehen ihr Geld aus anderen Ländern ab, vor allem aus Schwellenländern, aber auch weltweiten Aktienmärkten, und verlagern es in US-Dollar.“

Die künftige Fed-Chefin Janet Yellen, darin sind sich Ökonomen einig, muss viel Fingerspitzengefühl zeigen – auch dabei, wie sie der Öffentlichkeit ihre Geldpolitik vermittelt. Als die Fed im Sommer 2013 ankündigte, sie denke darüber nach, weniger Geld zu drucken, brach der Dollar ein, und die Renditen für Anleihen in der Euro-Zone sprangen nach oben. „Ein weicher Faktor wie die Ankündigungen von Notenbankern wird plötzlich zu einem harten Faktor“, erklärt Ansgar Belke von der Uni Duisburg-Essen.

Das nötige Geschick für das Spitzenamt trauen Wirtschaftsexperten Yellen zu. Die 67-Jährige ist seit 2010 Vizepräsidentin der Fed und hat Bernankes Entscheidungen mitgetragen. „Unter Notenbankern wird die Arbeitsmarktexpertin eher als Taube gesehen“, sagt Belke. Tauben gelten als Währungshüter, die den Leitzins eher später als zu früh erhöhen. Uwe Burkert von der LBBW rechnet damit, dass die Fed den Leitzins „frühestens 2015 anhebt“. Für Sparer heißt das: Die Durststrecke hält auch 2014 noch an.