Demis Volpis „Krabat“ in Stuttgart Foto: dpa

Er hat das Stuttgarter Ballettpublikum mit seinem „Karneval der Tiere“ zum Staunen gebracht und mit „Krabat“ verzaubert. Nun erhält Demis Volpi, seit dieser Spielzeit Haus-Choreograf des Stuttgarter Balletts, den Deutschen Tanzpreis Zukunft 2014.

Stuttgart - Ohne Stuttgart, wird gerne geunkt, gehe bei der Vergabe des Deutschen Tanzpreises gar nichts. Für das Jahr 2014 stimmt das mal wieder. Der Hauptpreis geht, wie der Deutsche Berufsverband der Tanzpädagogen am Mittwoch in Essen bekanntgab, zwar an Bertram Müller, den Direktor des Tanzhauses Nordrhein-Westfalen, der mit dieser Einrichtung der Szene eine neue Struktur geschaffen hat. Doch über den Zukunfts-Preis, der junge Künstler auf ihrem Weg ermuntert, darf man sich in Stuttgart freuen. Demis Volpi, dem in der vergangenen Spielzeit mit der Umsetzung von Otfried Preußlers Kinderbuch „Krabat“ ein echter Publikumshit gelang, erhält den „Deutschen Tanzpreis Zukunft 2014“ – wie die Auszeichnung ein wenig sperrig heißt.

Überhaupt nicht sperrig ist dagegen die Art, mit der Demis Volpi alle Teile einer Choreografie zu einem stimmigen Bühnenkunstwerk fügt. Erstmals zu bestaunen war das bei seinem „Karneval der Tiere“, der 2010 für den Nachwuchs der Cranko-Schule entstanden war und bei der Benefiz-Gala für die Aktion Weihnachten unserer Zeitung uraufgeführt wurde. Im Team mit der Ausstatterin Katharina Schlipf war dem jungen Argentinier mit ganz einfachen Mitteln eine Folge schöner, einfallsreicher Bilder geglückt, ohne die sprechende musikalische Vorlage von Camille Saint-Saëns plakativ zu illustrieren. Mit den Augen eines Kindes ließ Volpi sein Publikum damals staunen und die vielen Gesichter der Natur neu sehen: Küken, die aus Eierschalen schlüpfen, eine schwebende Unterwasserwelt, Aufruhr im Wald. „Demis Volpi gelingt ein kleines Ballettwunder“, schrieben wir damals, „nicht nur, weil bei ihm Schwieriges spielerisch leicht aussieht und jeder Mühe enthoben scheint.“

"Krabat" brachte viele junge Menschen ins Ballett

Ein kleines Ballettwunder, mit dem Demis Volpi nicht nur der Cranko-Schule, die er selbst absolviert hat, eine einzigartige Visitenkarte schenkte, sondern auch sich selbst. Da ist einer, der erzählen und Bilder finden kann, stand darauf, und der nach einer individuellen Bewegungssprache sucht. Aufträge von der eigenen und von anderen Kompanien – von Birgit Keil aus Karlsruhe oder aus New York – folgten.

Gruppentänzer war Demis Volpi damals noch, mit Stücken für Noverre-Abende wie 2006 seinem Debüt, dem Duett „on and on and on“, hatte er erste Erfahrungen als Schrittmacher gesammelt, durch die Mitarbeit bei Operninszenierungen wie „La Juive“ die Theatermaschinerie kennengelernt. Inzwischen ist er Haus-Choreograf des Stuttgarter Balletts und vom 8. März 2014 an – dann werden die Preise in Essen verliehen – auch Träger des Deutschen Tanzpreises Zukunft. Über diesen Zusatz wird sich der Choreograf besonders freuen. Denn wichtig war ihm, als er „Krabat“ auf die Bühne zauberte, dem Ballett ein neues Publikum zu erobern – „ein extrem wichtiger Schritt in die Zukunft“, wie er selbst fand.

Gelungen ist ihm das zweifelsohne. Denn sein „Krabat“ brachte in der vergangenen Spielzeit viele junge Menschen vielleicht erstmals ins Opernhaus. Hier wollte sie Demis Volpi nicht nur unterhalten und faszinieren, wie er anmerkte, „sondern auch zum Nachdenken über Freiheit bringen und dazu, sich mit etwas auseinanderzusetzen, was für die meisten bis zu dem Zeitpunkt sicherlich total fremd war: nämlich Tanz, Musik, Bühnenausstattung und künstlerische Interpretation“.

Vom 14. Januar an steht „Krabat“ gerade wegen der großen Publikumsnachfrage wieder auf dem Spielplan. Absolut sehenswert ist, wie Demis Volpi die Geschichte vom aufbegehrenden Zauberlehrling mit dramaturgischem Gespür auf die Tanzbühne bringt. Der Mühlenraum aus aufgetürmten Mehlsäcken oder die sich in den Kleidern der Mädchen wiederholende Landschaft sind echte Hingucker, die Tricks des Meisters verblüffend, die Musik fasst das Drama bestens. „Das alles wurde ganz bewusst so gewählt, um für ein neues Publikum eine Brücke in die Tanzwelt zu schaffen und um diesem neuen Publikum die Angst vor dem Opernhaus zu nehmen und davor, dass man nichts versteht und dass dort nur vor sich hin getanzt wird“, so Volpi.

Als Symbol für Freiheit hat der Tanz in Volpis „Krabat“-Konzept eine klare Funktion – und fast zu wenig Raum für die mit dem Stuttgarter Ballett verbundenen Ansprüche. Doch denen wird ein Profi, zu dem Demis Volpi inzwischen gereift ist und der sich von Vorbildern wie Marco Goecke längst gelöst hat, sicherlich schon bei der nächsten Premiere wieder gerecht. Im April ist er einer der „Fahrenden Gesellen“ – so der Titel des neuen Ballettabends, der neben einem Stück von Maurice Béjart auch eine Uraufführung Volpis zu einer Auftragskomposition von Stefan Seyrich-Hofmeister bieten wird.