Wer in der Designbranche Erfolg haben will, kann nicht nur Schönes entwerfen. Junge Gestalter entwickeln Produkte für eine sich in Bewegung befindende Gesellschaft und sie denken über schonende Herstellungsmethoden.
Viel Neues ist zu sehen gewesen jüngst bei den Möbel- und Designmessen in Köln und Paris, allerdings war darunter häufig Bewährtes in neuem Gewand – anderes Holz, neue Lackierung, Stühle, die dank Armlehne zum Sessel werden oder ein Lounge-Chair-Klassiker jetzt mit outdoortauglichem Bezug. Sicherlich ist der Grund nicht, dass Designer keine Ideen mehr haben. Es liegt eher daran, dass die Hersteller auf Bewährtes setzen, das sicher Käufer finden sollte. Und dann steht eben auch das Design immer wieder in der Kritik. Es bediene oft kurzlebige Trends statt nachhaltige, weil gute und ausgereifte Dinge im Programm zu behalten.
Allerdings – das hat jüngst auch die Chefin der Designabteilung des Museum of Modern Art von New York, Paola Antonelli, in einem Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“ bestätigt – berücksichtigen viele Designerinnen und Designer bei ihren Entwürfen längst Nachhaltigkeit und ökologisch möglichst korrekte Herstellung und Wiederverwertbarkeit.
Reparierbarkeit mitdenken
Auch arrivierte Designer wie Stefan Diez denken über einfache Reparierbarkeit von Leuchten wie jene für Midgard nach, oder sie entwerfen stapelbare Plastikstühle nur aus Recyclingmaterial wie Konstantin Grcic für Magis.
Bei der Möbelmesse in Köln war auch zu erleben, wie der Nachwuchs so arbeitet – da werden jedes Jahr beim „Pure Talents Contest“ junge Talente ausgezeichnet. Und sie reagieren auf die sich ändernden Lebensverhältnisse und Anforderungen an gute Gestaltung. Recyclingfähigkeit ist dabei nicht für alle ein wichtiger Punkt. Manche Gestalter sagen, nicht zu Unrecht, dass sie Langlebiges entwickeln, das möglichst so gut ist, dass keiner es wegwerfen will. Umso wichtiger ist ihnen, dass auch schon bei der Herstellung auf möglichst schonende Verfahren gesetzt wird.
Flexible Möbel
Gewonnen hat zum Beispiel ein selbsttragender runder Paravent komplett aus Textil, entworfen von der Niederländerin Fenna van der Klei. Es sei, lobte die Jury, eine Lowtech-Lösung, die durch kunstvolle Verarbeitung in innovativer Handwerkstechnik beeindruckt, zugleich leicht zusammenzufalten und zu transportieren. Gedacht für eine nomadische Gesellschaft, in der Flexibilität auch der Lebensorte gefordert ist, also auch praktisch. Das Textil wird außerdem ohne Bindemittel, Klebstoffe oder harte Materialien versteift.
Eine sich in Bewegung befindliche Gesellschaft hat auch Anton Defant von der Universität für angewandte Kunst Wien im Sinn: Er erhielt in Köln eine Anerkennung für sein superschnell zusammenbaubares Sofa „Ballast“ für drei Personen. Das Sofa ist radikal auf Sitz- und Rückenlehne reduziert, die an einem faltbaren Rahmen eingespannt sind.
Die junge Gestalterin Teresa Egger, die 2021 ihren Abschluss an der New Design University in St. Pölten/Österreich gemacht hat, erhielt Preise für ihr Möbelstück „Ludo“, das sowohl als Spielmöbel für Kinder als auch als Beistelltisch funktioniert. Was schon deshalb interessant ist, weil in vielen Häusern und Wohnungen zwar Kinderzimmer bestehen, die lieben Kleinen aber häufig spielend im Wohnbereich unterwegs sind und so kann das Möbelstück dort stehen bleiben, wenn die Kinder nicht mehr damit herumtollen.
Ursprünglich entworfen hat es die Designerin aber, um „die fortschreitende Verdrängung des Spiels aus dem Alltag zu adressieren und die damit einhergehende Tendenz, Kinder in der Gestaltung von Allgemeinräumen zu übersehen“.
Flexibilität steht ebenso im Zentrum bei der mobilen Sauna namens „MFG“ (Mobil für Gelassenheit) von den jungen Designern Emil Löber, Sophia Reißenweber, Friedrich Gerlach von der Kunsthochschule Halle.
Sie ist mit vier Quadratmeter Größe so klein, dass sie neben ein Tiny House passt, auf einen Parkplatz, in den Garten oder auch zu Leuten, die öfter umziehen und sich nicht jedes Mal eine neue Sauna in den Keller stellen können und wollen. „Diese Mikroarchitektur bietet bequem Platz für vier bis fünf Personen und kann von drei Personen aufgebaut und zu Fuß transportiert werden.“
Das ist schon alles smart, beeindruckend aber sind auch Lösungen, die sich mit verwandten Disziplinen befassen, der Architektur- und Bauwirtschaft beispielsweise. Beim Nachwuchsdesignerpreis der Mia-Seeger-Stiftung wurden jüngst die Produktdesigner Friedrich Gerlach und Julia Huhnholz von der Bauhaus-Uni Weimar gelobt und haben beim Rat für Formgebung mit ihrer Abschlussarbeit reüssiert, waren Zweitplatzierte beim James Dyson Award 2023
Sie erhielten den Preis für Biozement – gezeigt am Beispiel eines Sitzmöbels. Er wird mithilfe von Bakterien hergestellt– und zwar mithilfe von Harnstoff, auch Urea genannt. Die Produktion erfordert keinen Brennvorgang und emittiert kein umweltschädliches CO2. „Dabei werden die recycelten Ziegelsteine durch die enthaltenen Bakterien mit Kalziumkarbonat verbunden und zu einem belastbaren und stabilen Biozement“, so die Studierenden. „Auch auf Sand, ein zunehmend knapper werdender Rohstoff, der normalerweise für Biozement verwendet wird, kann völlig verzichtet werden.“
Produkte aus Abfall
Zu dem Thema forscht auch Carolin Schelkle von der Universität ÉCAL/École cantonale d’art de Lausanne in der Schweiz mit „Wasted Treasure“. Sie nutzt Abfall und gewann damit in Köln einen Preis. Bei der Palmölproduktion fällt eine enorme Menge Biomasse an – vor allem aus den Palmblättern. Die Pflanzenfasern sind wegen ihrer Feuer- und Wasserfestigkeit sowie Stabilität biologisch schwer abbaubar.
Genau diese problematischen Eigenschaften macht sich „Wasted Treasure“ zunutze. Getrocknet und fein gerieben ergeben die Fasern durch Zusatz von Kalkstein und dem Recyclingmaterial Ziegelmehl ein wetterbeständiges und leichtes Baumaterial.
Doch ob solche Erfindungen jemals zum Einsatz kommen? Mut zum Experiment ist nicht nur der Design-, sondern auch der Baubranche zu wünschen