Der Heimatbrief existiert seit 1957. Foto: Reinhardt

Es war das Jahr 1957, als der damalige Deißlinger Bürgermeister Edwin Reuter, der 1954 gewählt wurde, die Idee hatte, allen Deißlinger Bürgern und abgewanderten Deißlingern die Möglichkeit zu geben, die Entwicklung ihres Dorfes mitzuverfolgen. 1957 erschien der erste Heimatbrief. In diesem Jahr ist es der 63. Jahrgang.

Deißlingen - Der erste Heimatbrief umfasste die Jahre 1955 bis 1957. Reuter schrieb damals: "Ich habe im Verlauf dieses Jahres (1957) festgestellt, dass eine ganze Anzahl ehemaliger Deißlinger Einwohner, bedingt durch die Entwicklungen in unserem Vaterland, die alte Heimat nach dem Ersten oder Zweiten Weltkrieg verlassen hat, um sich anderweitig im In- und Ausland eine Existenz aufzubauen. Ich habe im Verlauf dieses Jahres erfahren, dass viele der Ausgewanderten nach wie vor sehr an ihrer angestammten Heimat hängen, ihre Entwicklung verfolgen und gerne an die Jahre ihres Hierseins denken."

Dieser Heimatbrief ist längst zur Tradition geworden. Er erscheint seither jedes Jahr im Dezember. So auch in diesem Jahr, trotz oder besser gesagt gerade wegen Corona. Mit dem 63. Jahrgang setzt Bürgermeister Ralf Ulbrich die Tradition fort.

Das neue Schulzentrum

In seinem 75-seitigen "Almanach" beschreibt Ulbrich, reich bebildert, das vergangene Jahr aus seiner Sicht. Mit dem Jahrbuch kann sich jeder ein Bild machen, was alles im vergangenen Jahr in und um Deißlingen geleistet wurde. Allem voran das neue Schulzentrum der Gemeinde.

Das zurückliegende Jahr beschreibt der Deißlinger Schultes in seinem Vorwort als "das nicht erhoffte gute Jahr, das uns aus der Pandemie herausführt". Es war zwar das Jahr, so Ulbrich, in dem schnell entwickelte Impfstoffe tatsächlich auf den Markt kamen und die Nachfrage danach auch größer als die Herstellungskapazitäten waren, "dennoch ist es uns als Gesellschaft ganz offensichtlich nicht gelungen, genügend Menschen von den Vorteilen und der Notwendigkeit des Impfens zu überzeugen. Die Lage ist demzufolge schlimmer geworden."

Opfer der Pandemie

In Deißlingen und Lauffen gäbe es zum Jahresende mehrere Todesfälle im Zusammenhang mit Corona zu beklagen, beschreibt der Bürgermeister die Lage. Diese Virus lege viele Schwachstellen der Gesellschaft schonungslos offen.

Die vielleicht schwerwiegendste sei, dass es offensichtlich einen nennenswerten Teil in der Bevölkerung gäbe, die das Vertrauen in den Staat, die Wissenschaft und wohl sogar in die Gesellschaft an sich verloren habe.

Vor wenigen Jahren habe man sich mit Grauen von den Anhängern eines Donald Trump abgewandt, die von "alternativen Fakten" fabulierten. "Heute", so schreibt Ralf Ulbrich in seinem Vorwort zum Heimatbrief, "sind wir wohl auf dem gleichen Niveau angekommen." Im Zeitalter der künstlichen Intelligenz "geht uns wohl der gesunde Menschenverstand zunehmend verloren".

Prüfstein für die Gesellschaft

Schon vor einem Jahr hatte der Deißlinger Bürgermeister geschrieben, dass Corona ein Prüfstein für die Gesellschaft sei. Er war aber zuversichtlich, dass man gestärkt aus dieser Prüfung hervorgehen werde. Zwölf Monate später ist sich der Deißlinger Bürgermeister dessen nicht mehr sicher.

"Ich hoffe und wünsche mir, dass wir es schaffen, uns wieder zu besinnen und Vertrauen in unsere Gesellschaft und unsere Demokratie aufzubauen. Dass wir zwar weiterhin kritisch sind, aber es wieder lernen, dabei unseren eigenen Verstand zu gebrauchen. Und dass wir akzeptieren, dass es keine absoluten Wahrheiten und Sicherheiten gibt, sondern unsere Welt vielschichtig ist." Man werde weiterhin viel Kraft, Mut und Vertrauen aufbringen müssen.

Bürgermeister Ralf Ulbrich wünscht zum Schluss allen ein friedliches Weihnachtsfest und für das Neue Jahr alles erdenklich Gute.