Das Rathaus steht an der Albert-Sammt-Straße – sie ist benannt nach einem treuen Hitler-Anhänger. Foto: Gemeinde Niederstetten

In der Stadt werden zwei alte Ehrenbürgerschaften zu einem aktuellen Thema. Es geht um die Frage, wie weit man historische Fehler heute korrigiert.

Das landschaftlich so schöne Hohenlohe hat viele braune Flecken. Hier gibt es „Reichsbürger“, die zur Waffe greifen und das frühere Fürstentum am liebsten im „Königreich Deutschland“ sähen. Es gibt einen Bürgermeister im Ruhestand, der jahrzehntelang Aufmärsche an einem SS-Gedenkstein duldete. Und hier lehrt der „Bund für Gotterkenntnis Ludendorff“ in einem Kinderheim Zucht, Ordnung und Antisemitismus.

Zu diesem Bild kommt jetzt eine neue Facette hinzu: der Umgang der Stadt Niederstetten mit zwei Ehrenbürgern. Es geht um einen jüdischen Unternehmer und einen Zeppelin-Flieger mit NS-Parteibuch. Beide wurden einst zu Ehrenbürgern ernannt und anschließend doch ganz unterschiedlich behandelt.

Günter Emig hat die Geschichte öffentlich gemacht

Aktuell gemacht hat diese alte Geschichte der Literaturwissenschaftler Günter Emig, der sich über viele Jahre hinweg mit diesem Teil der Stadtgeschichte von Niederstetten beschäftigt hat und nun eine ausführliche Dokumentation dazu vorgelegt hat. Es geht um die beiden Ehrenbürger Wilhelm Bernheim (1874–1953) und Albert Sammt (1889–1982), die sich sogar gekannt haben müssen in diesem kleinen Ort, in dem jeder jeden kennt.

Bernheims Vater war Lehrer, die Familie jüdisch. Wilhelm Bernheim lebte die längste Zeit in der Schweiz, seine Ausbürgerung aus Deutschland im Jahr 1933 beantragte er selber. Wohlhabend wurde er als Fabrikant von St. Galler Spitzen. 1953 starb er.

Dem Ort seiner Kindheit blieb er lange eng verbunden. In den 1920er Jahren war er jemand, der sich nie vergeblich um Hilfe bitten ließ. Er finanzierte unter anderem den „Heimatbrunnen“ an dem Platz, der damals seinen Namen bekam. In der Begründung der 1925 verliehenen Ehrenbürgerwürde steht, er habe „in schwerer Zeit durch zahlreiche nennenswerte Wohltaten seine treue Heimatliebe bewiesen und diese Ehre wohl verdient“. 1938, inzwischen hatten die Nazis in Deutschland die Macht übernommen, las man es anders: „Der von dem Juden Bernheim früher gestiftete Brunnen verschandelt das Ortsbild, er wird deshalb in nächster Zeit entfernt und durch einen neuen Brunnen ersetzt.“

Das Rathaus liegt an der Albert-Sammt-Straße

Nach Albert Sammt benannt ist die Straße, an der das Rathaus von Niederstetten liegt. Sammt bekam ein Museum, seine Autobiografie „Mein Leben für den Zeppelin“ ist noch zu haben. Er war ein begeisterter Anhänger des Diktators Adolf Hitler. Als Kommandant des Luftschiffs „Graf Zeppelin“ flog Sammt zu Wahlzeiten über deutsche Städte, auch mal über Niederstetten, und ließ dabei Hakenkreuzfahnen abwerfen – plus tausende Zettel, auf denen stand „Sagt JA zu Hitler“.

Als die „Graf Zeppelin“ im Mai 1937 in Lakehurst (USA) in Flammen aufging, war Sammt als Erster Offizier mit an Bord. Einen Monat später wurde er Ehrenbürger von Niederstetten. Im Oktober 1941 stellte er einen Antrag auf Mitgliedschaft in der NSDAP, seit 1. Januar 1942 war er offiziell Parteimitglied mit der Nummer 8.827.359.69.

Gemeinderat lehnt Ehrenbürgerwürde ab

Der Stadterforscher Emig, der diese Fakten zusammentrug, beantragte Ende 2022 bei der Stadt Niederstetten, Bernheim die Ehrenbürgerschaft zurückzugeben. In der Antwort des Gemeinderates heißt es dazu lapidar, Bernheim habe die Ehrenbürgerwürde zwar verdient, aber „für Ihren Vorschlag hat sich keinerlei Zustimmung aus dem Kreis der Stadträte und Stadträtinnen unserer Stadt ergeben.“ Im Blick auf die gesamte Thematik wird noch festgestellt: „Im übrigen kann es nicht Aufgabe des Gremiums sein, die Gemeinderatsprotokolle vergangener Zeiten zu durchkämmen, um dann alle Beschlüsse, die nach unserem heutigen Rechtsempfinden unkorrekt waren, zurückzunehmen oder sich für sie zu entschuldigen.“

Protokolle, die es nicht mehr gebe, könne man nicht mehr durchforsten, bemerkt dazu Günter Emig. Die Gemeindeordnung räume den Kommunen aber ausdrücklich das Recht ein, über die Frage der Ehrenbürgerschaft eigenverantwortlich zu entscheiden. Das gilt auch für die Aberkennung dieses Ehrentitels wie auch für eine durchaus mögliche Wiederverleihung der Ehrenbürgerschaft.