Willkommen in Tokio: Foto: imago/ Christian Walgram

Für Athleten sind Olympische Spiele der absolute Höhepunkt, doch auch für andere eine echte Herausforderung: Die Logistiker kämpfen zwar nicht um Medaillen, spielen aber trotzdem eine gewichtige Rolle – Tonne für Tonne.

Tokio/Stuttgart - An der Platte ist Dimitrij Ovtcharov ein ausgeschlafener Kerl, stets hellwach, putzmunter. Er träumt davon, in Tokio die zweite Olympiamedaille nach Bronze 2012 zu gewinnen. Damit es kein böses Erwachen gibt, hat er vorgesorgt. Der Tischtennisspieler gehört zu jenen Athleten, die das Angebot des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) angenommen haben, private Utensilien nach Japan zu versenden. Ovtcharov packte seine Wohlfühldecke und ein bequemes Kissen ein. „Ich schlafe einfach sehr gerne“, sagt er, „und wenn ich gut schlafe, spiele ich auch besser.“ Was nur zeigt: Wer in Japan etwas holen will, sollte zu Hause nichts Wichtiges vergessen.

 

Genau in einer Woche, am 24. Juli, geht es ab 11 Uhr (4 Uhr MESZ) in Tokio um den ersten Medaillensatz – im Straßenrennen der Radprofis. Maximilian Schachmann hat extra auf die Tour de France verzichtet, um aufs Podium zu fahren. Dementsprechend groß ist die Vorfreude. Bei ihm, aber auch bei den Leuten, deren Arbeit spätestens dann erledigt sein muss, wenn die Wettkämpfe beginnen. „Olympische Spiele“, sagt Christoph Bilke, der Cheflogistiker des DOSB, „sind für uns die ultimative Herausforderung.“ Und eine Plan-Wirtschaft, die nur ein Ziel hat: Es darf an nichts fehlen.

Drei Container nur für die Segler

Das gilt natürlich vor allem für die Sportgeräte, wobei die Logistiker die Wasserdisziplinen im Sommer ganz schön ins Schwitzen bringen. Die Boote für Segler, Ruderer und Kanuten sind nicht nur unhandlich, sondern in ihrer Form auch völlig verschieden. Für den Deutschland-Achter zum Beispiel brauchte es eine speziell angefertigte Transportbox, allein die Segler benötigten für ihre Ausrüstung drei der zehn deutschen Seefracht-Container. Mittlerweile ist das gesamte Material, das verschifft wurde, nach vier Wochen auf dem Meer in Japan angekommen. Was das deutsche Team als erstes Erfolgserlebnis werten darf.

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Denn die auf Grund gelaufene „Ever Given“, die im März sechs Tage lang den Suezkanal blockierte, hat auch DB Schenker stark beschäftigt. Seit den Sommerspielen 2000 in Sydney wickelt das Logistikunternehmen außer den Pferdetransporten, um die sich ein Spezialist kümmert, alle olympischen Güterbewegungen für den DOSB ab. Was diesmal durch die Coronakrise und das Problem im Suezkanal deutlich erschwert wurde. „In der Pandemie haben viele Reedereien die Zahl der Fahrten reduziert, oft waren die Schiffe sehr schnell komplett ausgebucht. Und dann sind sie wegen der Geschichte in Ägypten auch noch Wochen später abgefahren“, sagt Daniel Sperfechter, Projektmanager Sport- und Eventlogistik bei DB Schenker, „das alles ist nicht ganz einfach gewesen.“ Und mittlerweile doch abgehakt.

Das deutsche Team hat einen eigenen Kraftraum

Neben den zehn See-Containern, die rund 15 Tonnen wogen, wurden per Luftfracht weitere 43 Tonnen DOSB-Materialien nach Fernost geflogen. Dazu gehörten auch 55 Fernseher, die in Deutschland wesentlich günstiger sind als in Japan und Abwechslung in die Athleten-Apartments bringen sollen, 20 Fahrräder, mit denen sich Athleten und Offizielle im olympischen Dorf bewegen können, ein Container voller Frühstücksprodukte, der während des Transportes auf 15 Grad gekühlt werden musste, Masken und Desinfektionsmittel. Und natürlich auch die Klamotten für das Team D, dem aufgrund der Corona-Einschränkungen ein eigener Kraftraum zur Verfügung stehen wird wird. Die dafür benötigten Ergo- und Spinning-Bikes, Hanteln und Recks sowie ein großer Luftfilter und Judomatten für eine 16 Quadratmeter große Trainingsfläche wurden ebenso nach Tokio befördert wie das Equipment für die fünf knapp 100 Quadratmeter großen Büroräume, die sich der DOSB vor Ort einrichtet. „Da kommt schon einiges zusammen“, sagt Christoph Bilke.

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Dabei ist der reine Transport nur die eine Seite der Medaille. Dazu kommen die Vorschriften zur Einfuhr, die beachtet werden müssen, was den deutschen Planern vor allem bei den medizinischen Produkten große Kopfschmerzen bereitet hat. Für jedes einzelne Medikament, das die Ärzte auf ihrer Liste hatten, mussten die darin enthaltenen Wirkstoffe ausgewiesen werden – erst wenn die Genehmigung aus Tokio vorlag, konnte eingepackt werden. Um es nicht zu endlosen Diskussionen kommen zu lassen, sind manche Dinge auch mal anders betitelt worden. Aus Massagebänken, die sonst auch ein medizinisches Produkt gewesen wären, wurden Trainingstische, für die sich die japanischen Behörden nicht weiter interessierten.

Der offizielle DOSB-Flieger startet in Frankfurt

Nur weil DB Schenker ein offizieller Partner des DOSB ist (und mit diesem Status werben darf), kostet der tonnenschwere Transport den Verband lediglich rund eine Million Euro. Noch einmal Mittel in ähnlicher Höhe werden für die Flüge der rund 800 Athleten, Trainer, Betreuer und Funktionäre fällig (inklusive Übergepäck). An diesem Sonntag startet der offizielle DOSB-Flieger um 16 Uhr in Frankfurt. Die Logistiker haben ihren Job weitgehend erledigt, nun sollen die Sportlerinnen und Sportler nachziehen. Aufgeweckt und hellwach. Wie Dimitrij Ovtcharov.