Die Polizei ist, wie hier in der Landeshauptstadt, verstärkt unterwegs. Foto: Gollnow

Land veröffentlicht Bußgeldkatalog für Verstöße gegen Corona-Verordnung. Mehr Polizei auf der Straße.

Tübingen - Die Einschränkungen sind scharf, die Bußgelder deftig. Dennoch hat die Polizei nach wie vor alle Hände voll zu tun. Tübingens OB sieht sich ebenfalls gezwungen zu handeln.

Newsblog zur Ausbreitung des Coronavirus in der Region

Sie sind immer zu zweit unterwegs, ihre Routen ändern sie, um nicht berechenbar zu werden, jede Nacht sind es mehrere Streifen. Seit gut einer Woche ist in Tübingen ein privater Sicherheitsdienst im Einsatz. Die Angst vor Einbrüchen in Corona-Zeiten ist groß im Rathaus. Man wolle "den Verlust der sozialen Kontrolle ausgleichen, der durch die weitgehende Ausgangsbeschränkung entstanden ist", heißt es. Tübingens grüner Oberbürgermeister Boris Palmer stellt klar: "Wir wollen, dass potenzielle Einbrecher erst gar nicht auf dumme Gedanken kommen." Die Altstadt sei nachts verwaist, die Gefahr, bei etwas Illegalem gesehen zu werden, entsprechend gering.

Eine stichprobenartige Umfrage bei den Polizeipräsidien in Baden-Württemberg zeigt dagegen: Die Kriminalität nimmt seit einigen Tagen deutlich ab. Weniger Diebstähle, weniger Verkehrsunfälle, weniger Streitereien in Kneipen oder im Freien. "Das Nachtleben ist gestrichen, es sind kaum Leute auf den Straßen", sagt etwa Pressesprecher Dennis Häfner vom Mannheimer Polizeipräsidium. "Es gibt gefühlt weniger Straftaten", auf valide Zahlen müsse man noch eine Weile warten.

Einzig die Corona-Trickbetrügerei scheint zu boomen: Kriminelle geben sich als infizierte Angehörige aus, um bei ihren Opfern Geld zu erschleichen. Oder sie behaupten, Amtspersonen zu sein, die angeblich einen Virustest machen sollen und bedienen sich nebenbei in der Wohnung. "Das ist der Enkeltrick umgemünzt auf Corona", warnt Häfner.

Arbeit geht Polizisten dennoch nicht aus

Zur Einhaltung der Corona-Verordnung des Landes sind überall mehr Polizeistreifen unterwegs, so auch in Reutlingen und Tübingen. "Wir haben unsere Präsenzmaßnahmen verstärkt", sagt Björn Reusch, Sprecher beim Reutlinger Polizeipräsidium, am Wochenende sei auch Bereitschaftspolizei eingesetzt worden. Sämtliche Straftaten im öffentlichen Raum seien zurückgegangen, es gebe deutlich weniger Einbrüche. Das könne an vielem liegen – womöglich auch "am Ende der dunklen Jahreszeit".

Die Arbeit geht den Polizisten im Südwesten dennoch nicht aus. Mehrere sogenannte Corona-Partys, Gartenfeiern und sogar ein Treffen in einer Shisha-Bar mussten die Beamten am Wochenende auflösen – Hunderte von Menschen wurden angezeigt. Auf der Schwäbischen Alb fielen der Polizei Wandergruppen auf, in Rottenburg (Kreis Tübingen) attackierte eine Gruppe von Jugendlichen die Beamten, und in Hechingen (Zollernalbkreis) wurde die Schutzhütte eines Grillplatzes bei einer Party zerstört. Innenminister Thomas Strobl rief dazu auf, festgestellte Verstöße gegen die Regeln der Polizei zu melden. "Ich finde es in Ordnung, wenn die Menschen wachsam sind", sagte der CDU-Politiker am Montag.

In Tübingen ist die Nachtstreife beschlossen worden, weil Mitte März in ein Tabakgeschäft eingebrochen worden war. Seither wurde in der Innenstadt noch ein nächtlicher Einbruch in eine Spielhalle gemeldet, bei dem die Alarmanlage losging und der Täter im Gebüsch hockend gefasst werden konnte. Für Palmer war das Anlass genug, um den privaten Sicherheitsdienst weiter zu beschäftigen.

"Ich habe Sorgen, dass die Innenstadtgeschäfte überhaupt überleben", da solle nicht noch ein Einbruch dazukommen. Außerdem werde der kommunale Ordnungsdienst, der auch nachts mal Runden drehe, zurzeit ausschließlich tagsüber benötigt. Er sei etwa am Tübinger Festplatz im Einsatz, um bei der Corona-Abstrichstelle für Ordnung zu sorgen. Insgesamt habe man das Personal schon aufgestockt.

Tatsächlich ist es nachts denkbar ruhig in Tübingen, Bußgelder wurden bisher nicht verteilt. Und wenn jemand die Polizei anruft, geht es höchstens darum, dass sich ein unerlaubtes Grüppchen von drei oder mehr Menschen gebildet hat. Da scheint die soziale Kontrolle also ziemlich intakt zu sein.

Wiederholte Verstöße können bis zu 25.000 Euro kosten

Mittlerweile hat das Land Baden-Württemberg auf Grundlage der Novelle des Infektionsschutzgesetzes einen Bußgeldkatalog veröffentlicht. Bereits beim Überfliegen der festgelegten Sanktionen wird deutlich; wer sich nicht an die Regeln hält, muss tief in den Geldbeutel greifen. So können die kommunalen Ortspolizeibehörden bis zu 1000 Euro Bußgeld verlangen, wenn man sich mit mehr als zwei Personen im öffentlichen Raum aufhält. Wer eine eigentlich geschlossene Einrichtung wie beispielsweise einen Frisörsalon, eine Bar oder einen Club weiterbetreibt, muss 2500 bis 5000 Euro hinblättern. Bei wiederholten Verstößen stehen Bußgelder bis zu 25.000 Euro im Raum. Der komplette Bußgeldkatalog ist auf der Homepage des Landes-Sozialministeriums einsehbar.

Wer andere Menschen sogar vorsätzlich anhustet oder angeht, der begeht laut einem Sprecher des Innenministeriums kein Kavaliersdelikt und muss mit einer Anzeige und einer Verurteilung wegen Körperverletzung rechnen. "Solche Handlungen haben absolut nichts mit eine Scherz zu tun."