Kretschmann im Gespräch mit Staatssekretärin Petra Olschowksi auf dem Weg zur Pressekonferenz. Foto: dpa/Bernd Weißbrod

Die Infiziertenzahlen steigen, die Arztpraxen sind überlastet. Ministerpräsident Kretschmann sieht keinen Anlass, über einen Ausstieg aus den Coronabeschränkungen nachzudenken. Trotz anderslautender Forderungen.

Stuttgart - Nachbarländer wie Österreich lockern die Coronavorschriften, Bundespolitiker erheben laute Forderungen. Doch Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) will von einer Aufhebung der Beschränkungen derzeit nichts wissen. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass es vor Ostern zu Exitstrategien kommt“, sagte Kretschmann am Dienstag. Angesichts nach wie vor steigender Infektionszahlen sagte er, „eine Exitdebatte wäre völlig unangemessen und ein völlig falsches Signal“.

Zwar seien die Intensivstationen gegenwärtig nicht so stark belastet, aber man müsse weiterhin die Krankenhauseinweisungen im Blick behalten. Auch aus Arztpraxen höre er viele Klagen, berichtete der Regierungschef. Daher sei man jetzt „wirklich nicht in der Situation“ über eine Exitstrategie zu sprechen. Jetzt gelte es, die im Land weithin geltende FFP2-Maskenpflicht einzuhalten, „weiter sorgsam die Regeln zu beachten und sich impfen zu lassen und das nicht durch haltlose Exitdebatten zu konterkarieren“.

SPD verlangt Perspektiven

Unterstützung für den grünen Ministerpräsidenten kommt – zumindest in Teilen – von der oppositionellen SPD. Ihr Fraktionschef Andreas Stoch findet, „der Ministerpräsident hat Recht, dass es im Moment leider noch keinen Grund gibt, einen Exit umzusetzen“. Allerdings liege Kretschmann falsch mit seiner Weigerung einen Exit überhaupt zu planen und vorzubereiten, wie eine Rückkehr zur Normalität aussehen könnte. „Wer meint, die Bevölkerung würde alle Vorsicht fahren lassen, nur weil man über einen Exit spricht, unterschätzt die Bürgerinnen und Bürger gewaltig“, meint Stoch.

Stoch: Nicht wieder auf den letzten Drücker handeln

Eine Öffnungsperspektive hält er vielmehr für „eine Motivation für alle – auch dafür, mit der eigenen Impfung zu einem schnelleren Ende der Pandemie beizutragen.“ Stoch verlangt von Kretschmann einen klaren Fahrplan. Bisher seien die Coronaverordnungen häufig „auf den letzten Drücker gebastelt“ worden und deshalb oft fehlerhaft gewesen, kritisiert Stoch. Das habe „zum Schlingerkurs der Regierung“ geführt.

Kretschmann hatte angekündigt, man werde sich höchstens sehr vertraulich darüber austauschen, welche Parameter für Exitstrategien entscheidend sein könnten. Vor der nächsten Ministerpräsidentenkonferenz am 16. Februar seien keine Lockerungen geplant. Allerdings gilt inzwischen wieder das Stufenmodell in Baden-Württemberg. Sollten die Krankenhauseinweisungen und gleichzeitig die Belegung der Intensivstationen unter bestimmte Grenzwerte fallen, würde die aktuelle Alarmstufe I nicht mehr greifen.

Der Koalitionspartner CDU hat einen etwas anderen Zeithorizont. Fraktionschef Manuel Hagel betont, die Koalition werde weiterhin „faktenbasiert, lageabhängig und entlang wissenschaftlichem Rat“ entscheiden. Ansichts der Fallzahlen und der Krankenhauseinweisungen sind sich Grüne und CDU laut Hagel „einig, dass wir bis Aschermittwoch weiter konsequent bleiben müssen“. Sollte sich die pandemische Lage aufhellen „werden wir nach Aschermittwoch auch über Lockerungen und den sukzessiven Ausstieg aus der Verordnungspraxis sprechen können“. Dann müsse man „noch mehr als bisher, auf Eigenverantwortung setzen“.

Die FDP rügt Kretschmanns Politik

FDP: Entscheidend sind die Auswirkungen der Variante

Hans-Ulrich Rülke, der Vorsitzende der Landtags-FDP sagt zu Kretschmanns Äußerungen knapp: „Das ist ein erneutes Beispiel für ein völlig willkürliches Politikverständnis. Man muss sich doch an der Lage orientieren und nicht am Osterhasen.“ Er erklärte auf Anfrage, es sei jetzt an der Zeit, sich über Exitstrategien Gedanken zu machen, weil nicht klar sei, wie sich das Infektionsgeschehen entwickle und wie es in den nächsten Wochen um die Hospitalisierung bestellt sein werde. Davon sollte man Lockerungen abhängig machen, so Rülke.

„England und Dänemark beispielsweise heben die meisten Maßnahmen auf, weil sich offenbar Omikron bei ihnen nicht dramatisch auswirkt. Diese Möglichkeit sollten wir nicht von vornherein ausschließen“, so der Liberale.