Broadway statt Jakobsweg: Der Wissenschaftskabarettist Vince Ebert nutzt seine Midlife-Crisis für ein 30 Jahre verspätetes Auslandssemester in den USA. Dort kannte den ARD-Mann zwar keiner, aber er erkannte die Prioritäten des Lebens. Ein Fenster in der Küche gehört zum Beispiel dazu, auch wenn der Kühlschrank davor steht. Foto: Thiercy

Feinsinnig, sezierend und wissenschaftlich fundiert ist der Samstag Abend in der Balinger Stadthalle gewesen. Kabarettist Vince Ebert gastierte mit seinem Programm "Make science great again." Darin berichtet er unter anderem über seine Zeit in New York. "Broadway statt Jakobsweg" also, wie auch sein neuestes Buch heißt.

Balingen - Mehr als hundert "Impflinge" ließen sich laut Stadthallenchef Matthias Klein mit einer saftigen Prise Humor gegen die Widrigkeiten des oftmals grauen Alltags immunisieren. Wer wäre besser dafür prädestiniert als ein Wissenschaftler? Der ist Vince Ebert nämlich. Der Physiker erklärte auch den von vielen als Schlingerweg empfundenen Kurs von Drosten & Co.: "Die Wissenschaft irrt sich Stück für Stück weiter."

Sicher allerdings sei, dass der Mensch die Hälfte seines Erbguts mit einer Banane gemein habe. Aus zwei Bananen könne man also einen Homo Sapiens machen. Bei etlichen Zeitgenossen habe man auch genau diesen Eindruck.

Die Wissenschaft freilich erkläre nur die Zusammenhänge. Machen müsse der Mensch schon selbst. So wie Vince Ebert, der 2019 mit seiner österreichischen Frau sein "Studiensemester" 30 Jahre zu spät in New York absolvierte.

Studiensemester 30 Jahre zu spät

Quasi seine Kompensation der Midlife Crisis, wegen der er sich nicht eine 28-jährige Zweitfrau anlachte, für einen Marathon trainierte oder sich zur Entschleunigung ins Kloster zurückzog.

Im Gegenteil. Ebert hat Power. Und ist neugierig. Wie ticken denn die Leute in einem Land, in dem ein einstiger Immobilienmogul aus dem Trump-Tower ausziehen müsse in ein vom Staat bezahltes Haus? Wie ist das in einem Land, in dem es 172 Sorten Toast gibt, aber nur zwei Parteien? Zunächst einmal teuer. 3000 Dollar für 30 Quadratmeter in Manhattan. Dafür bekäme man im Odenwald ein ganzes Dorf.

Dort, aus Amorbach, kommt Ebert her, einem "Dorf mit 4000 Einwohnern, aber nur drei Nachnamen." Als er Kind war, habe man einen Blindgänger gefunden. Die Bewohner wurden evakuiert, und der Busfahrer sagte: "Wenn der hoch geht, könnt ihr nie wieder nach Hause zurück." Da habe er zum ersten Mal im Leben so etwas wie Hoffnung gespürt.

Ebert, der in der ARD-Sendung "Wissen vor acht" Zuschauerfragen auf den Grund geht, lebte seinen amerikanischen Traum. Er trat am Broadway auf und im Kennedycenter. Und stellte unter anderem fest, dass Flachspüler und Reiserücktrittsversicherung ein rein deutsches Phänomen sind. Das Klo als in Keramik gegossenes Manifest einer ganzen Gesellschaft.

Das mag durchaus eine Priorität sein. Aber ist es auch die richtige? Auch dieser Frage ging der Kabarettist am Samstag nach. Eine sehr deutsche Priorität sei die Gesundheit. So habe seine eigene Mutter in der Coronapandemie regelmäßig "Dr. Google" konsultiert. Einmal sagte seine Mutter einen Besuch ab, da das Internet bei ihr einen Schlaganfall diagnostiziert hatte. Ebert antwortete: "Mutter, das kann nicht sein, du bist letzte Woche am Milzbrand gestorben."

"Wenn wir es vor 80 Jahren nicht verbockt hätten, dann wäre Deutsch immer noch die weltweite Sprache in der Wissenschaft." Dem ist aber nicht so, und Ebert bricht eine Lanze für seine amerikanischen Forscherkollegen. 50 Prozent aller Nobelpreise gehen über den großen Teich. Was vielleicht aber auch nur daran liegt, dass ein Professor in Berkeley nur dann einen eigenen Parkplatz bekommt, wenn er diesen Preis in der Tasche hat.

"Muss man in Zeiten von Corona übers Gendern sprechen?" Ebert meint: nein! Ein besseres Thema seien da schon die Becherhalter in US-amerikanischen Autos. Die Amerikaner würden die Kaufentscheidung nach der Anzahl der Becherhalter treffen. Er selbst habe 17 Stück in einem Wagen gezählt, der für maximal sieben Personen ausgelegt war. Nun ja, man muss eben Prioritäten setzen im Leben. In Balingen war es definitiv der immens kluge Humor des Künstlers.