Glanz in der Hütte: Harald Glööckler war zur Eröffnung geladen. Foto: Andreas Rosar

Stuttgarts Oberbürgermeister Frank Nopper hat vor einer reichen Schar bunter Lokalprominenz das erste Fass es 176. Cannstatter Volksfestes angestochen. Das letzte wird am 8. Oktober geleert.

Ob die Geschäfte noch so gut laufen, wenn man zu Zwecken des Lebensunterhalts zur Volksfest-Eröffnung kommt? Eigentlich hat er ganz gut verdient zuletzt. 200 000 Euro habe Harald Glööckler, so munkeln angeblich gut unterrichtete Kreise, für den Besuch im Dschungelcamp bekommen. Ob es stimmt? Wer weiß das schon. Es ist ja das Wesen solcher Shows und ihrer Promis, dass man Gerüchte streut. Hauptsache im Gespräch.

Warum kommt der Promi?

Und so umwabern Glööcklers Heimatbesuch in Schwaben natürlich auch Legenden aller Art. Speis und Trank und das Hotelzimmer werde angeblich vom Schwabenbräu-Wirt Wilhelmer bezahlt. Vom Eintrag in das Goldene Buch der Stadt wird erzählt. Und Nopper persönlich habe angefragt. Richtig ist, Wilhelmer und Glööckler kennen sich schon lange. Glööckler hat Wilhelmers Hochzeitsanzug geschneidert. Und weil Glanz in der Hütte nie schadet, hat der Wirt den Promi gefragt, ob er nicht zur Eröffnung vorbeischauen wollte. Glööckler wollte, hat aber gleich ein Kamerateam dabei, das ihn filmt. Für eine Doku, angeblich kommt die Produktionsfirma für Kost und Logis auf.

Wer ist sonst noch da?

Ob das Volksfest es braucht, dass ein Glööckler dort hingezerrt wird? Da scheiden sich die Geister. Die Traditionalisten sehen deshalb schon das Abendland in Gefahr. Die anderen freuen sich, dass mal nicht nur Großkopfete und kleinkopfete Honoratioren und Honoratiorinnen im Breuninger-Dirndl und in grobem Karo auf den Bierbänken sitzen. Wobei auch eine große Abordnung des VfB aufmarschiert. Hansi Müller hat eigens seinen Urlaub verschoben, Karl Allgöwer, Fernando Meira, Cacau, Frank Verlaat, Bordon, man könnte eine veritable Mannschaft basteln aus all diesen ehemaligen Könnern. Lokale Prominenz im Saal, auf der Bühne geht alles den gewohnten Gang. Die Eröffnung und Glööckler sind sich in ihrer Berechenbarkeit sehr ähnlich.

Er führt sich selbst vor

Der Bub aus Maulbronn hat sich mit mehr Operationen im Gesicht als Ös im Namen eine Fassade gebaut, geht als Harald Glööckler spazieren und verdient Geld mit einer Kunstfigur, die provoziert, aber r ganz milde bitte, man will ja niemanden verschrecken. Gewieft hat er die Rolle des Hofnarren perfektioniert; der Freaks, die man früher auf den Rummeln dieser Welt vorführte, die Dame ohne Unterleib, der Mann mit den zwei Köpfen: Früher zahlte man dafür Eintritt, heute sind die Währung Klicks und Selfies. Ein Foto bitte. Glööckler lässt sich nicht vorführen, er führt sich selber vor und manchmal alle am Nasenring durch seine eigene Manege. Er verkauft Mode, Schmuck, Leuchten – und vor allem sich selbst.

Göckele statt Kundu-Penis

Ob das nun im Dschungel in Australien ist oder auf dem Cannstatter Wasen bei der Eröffnung. Da muss er keinen Kundu-Penis essen wie angeblich im Camp. Beim Volksfest ist auch Göckele drin, wo Göckele draufsteht. Aber der Mann ist ja Vegetarier. Doch zunächst darf ohnehin keiner essen. Alle sollen sich konzentrieren. Auf die Bühne schauen. Da sticht der OB das erste Fass an. Vier Schläge, dann fließt das Bier. Nein, das macht nicht Glööckler. Das macht der OB selbst. Den Schlegel lässt er sich keinesfalls aus den Händen nehmen. Da ist es wie bei Schauspieler und Waffennarr Charlton Heston, der einstmals gesagt hat, sein Gewehr lasse er sich nur aus seinen toten, kalten Händen winden. Vorgänger Fritz Kuhn wirkte ja immer so, als habe man ihn unter Waffengewalt auf die Festzeltbühne zwingen müssen und er es kaum erwarten könne, dass die Sache endlich rum sei.

Der OB liebt das Reden

Nopper mag diese Auftritte. Er knipst das Strahlen an und schafft es zu vermitteln, dass es ihm Spaß macht mit Bierbrauerschürze auf der Bühne zu stehen, ein Festzelt zu unterhalten, über die Bayern zu lästern und die Schwaben zu loben. Darüber mag man schmunzeln. Aber das ist keine geringe Sache in einer Stadt, die die Kummerfalten erfunden hat. Einfach mal genießen, sich an Ritualen erfreuen wie einer Eröffnung, essen, trinken, vielleicht auch zu viel, zur etwas anderen Blasmusik der Brasserie tanzen, schunkeln, mal raus aus der Haut, was nicht Zielführendes tun, das ist nicht arg schwäbisch. Aber jetzt ist Volksfest; jetzt darf jeder ein kleines bisschen Glööckler sein.