"Expressway Sketches" mixten verschiedenste Stilformen der populären Musik.Foto: Stöß Foto: Schwarzwälder Bote

Jazz: "Expressway Sketches" elektrisiert Publikum von erster Minute an

Calw-Hirsau. Jazz am Schießberg – mal ganz anders. Zum einen fand das Konzert von "Expressway Sketches" nicht im Forum des Calwer Hermann-Hesse-Gymnasiums, sondern im Hirsauer Kursaal statt. Zum anderen erlebte das aufgeweckte Publikum eine Vielfalt an Musikgenres. Vor allem surften vier fröhliche Jungs auf musikalischen Wellen der 1950er- und 60er-Jahre. Die (Mit-)Organisatoren Ralf Recklies und Philipp Ratz freuten sich, dass sie in Hirsau neben dem treuen Jazz-am-Schießberg-Stammpublikum neue Gäste entdecken durften.

"Expressway Sketches" mixte mit Lust und Freude verschiedenste Stilformen der populären Musik. Jazz war ebenso dabei wie Improvisationen und Experimentelles. Doch auch Blues und bislang unbekannte E-Sounds verschwisterten sich zu berauschenden Wellenbrechern. Das Publikum war von der ersten Minute an elektrisiert.

Es bewahrheitete sich wieder einmal, dass "Kleider Leute machen". Traten doch vier, nach bürgerlichen Maßstäben adrette, ordentlich gekleidete Traum-Schwiegersöhne auf die Bühne. Doch wurde sehr rasch deutlich, dass Aussehen alleine falsche Erwartungen wecken kann. Denn die "Fab-Four" in ihrer klassischen Instrumenten Formation (Guitar, Bass, Tasten, Drums) legten ordentlich los, was Dynamik, Ausdrucksstärke und Einfühlungsvermögen anging.

Da war der Schlagzeuger Max Andrzedjewski, der immer wieder mit geschlossenen Augen in den rhythmischen Wellen sein Bad nahm. Man sah: Er genoss das wohltuende Gefühl. Oder der stets lächelnde Benjamin Schäfer am Keyboard. Das war nicht bloß Keyboard-Spiel. Seine Körpersprache verriet: Er war schlicht und einfach sehr gut drauf. Meinte man, kurz mal die Doors zu erkennen, lauschte man plötzlich Experimentellem in Echoform.

Keyboarder schafft ständig ganz neue Klangfarben

Schäfer drehte an Knöpfen, spielte gleichzeitig seine Tasten, schuf neue Klangfarben. Manches erinnerte an einen Tripp in den Underground (Ältere Zeitgenossen kennen diese Radiosendung aus den frühen Siebzigern). Klang hier etwas wie ein experimentelles Stück, Pink Floyd tat dies immer wieder gerne, verwandelte sich die Musik plötzlich so, dass man sich an die Shadows erinnerte.

Den rhythmischen Groove erlangte das Gesamtwerk der Band durch den stets präsenten E-Bass eines Frank Schönhofer. Das Spiel des diplomierten wie preisgekrönten Jazz-Musikers fügte sich prägend in das Gesamte ein. Dem Ganzen drückte ein wahrer Magier an den Gitarrensaiten den Stempel auf. Der Gewinner des "Echo Jazz in der Kategorie Instrumentalist des Jahres 2015", Tobias Hoffmann. Der bekennende Ray Charles-Fan, "der gar nicht surfen kann", beteuerte seine Liebe zur frühen Surf-Musik. Angelehnt an den Gitarren Stil eines Dick Dale, einer der einflussreichsten Gitarristen der frühen Sechziger. Wie dieser benutzte Hoffmann ausschließlich eine Fender-Gitarre. Dank der Eigenheiten dieses Instrumentes, nur durch diese erklingt solch ein unverkennbarer Surf-Sound, fand man sich als Zuhörender gedanklich rasch an diesen perfekten Sandstränden wieder. Am besten mit Sonnenuntergang, einer wunderbaren Folge von eintreffenden Wellen und eben diesen verrückten, wellenreitenden Freaks. Doch dann riss Hoffmann den Träumenden im Auditorium mit einem plötzlichen Staccato-Anschlag in eine nächste Musikwelt. Seine drei Mitstreiter surften auf Hoffmanns Welle kongenial mit.

Man merkte – diese Beach Boys hatten richtig Spaß. Miteinander und mit ihrem Publikum. Mit "Shurly Wurly" gab die Band den Fans einen Tipp mit auf den Heimweg: Im gleichnamigen You-Tube Video entledigen sich die Musiker ihres, im Eingang erwähnten, feinen Zwirns und enden, danz Surfin-like, stilgerecht in Badeshorts. Es lohnt sich, reinzuhören.