68 Prozent der jungen, minderjährigen Flüchtlinge im Kreis befinden sich aktuell in einer dualen Ausbildung. Foto:Schmidt Foto: Schwarzwälder Bote

Integration: 68 Prozent der jungen Flüchtlinge im Kreis Calw sind bereits in dualen Ausbildungen / Zahl ist rückläufig

Da waren selbst die sonst so kritischen Mitglieder des Jugendhilfeausschusses (JHA) des Calwer Kreistags sichtlich beeindruckt: 68 Prozent der im Landkreis lebenden "UMA" (unbegleitete minderjährige Ausländer) befinden sich derzeit in einer dualen Ausbildung. Ein echter Rekord.

Kreis Calw. Landesweit sei dieser Wert tatsächlich "absolut einzigartig", so Ralf Bühler, in der Kreisverwaltung für die Jugendhilfe für Neuzugewanderte zuständig. Bühler übernahm es in der jüngsten Sitzung des JHA im Großen Sitzungssaal des Kreistags, ausführlich über die Situation der hiesigen UMA zu berichten.

Aktuell leben demnach 96 UMA im Kreis Calw; in Spitzenzeiten (2017) waren es bis zu 115. Wie bei den übrigen Flüchtlingen, sei auch bei den UMA die Zahl der Neuzugänge stark gesunken. Im Landkreis gebe es demnach aktuell keine weiteren Zuweisungen. Die Strukturen der Unterbringung und Betreuung der UMA mussten seinerzeit sehr kurzfristig aufgebaut werden. Dies sei mit Hilfe privater Träger auch gelungen: der Erlacher Höhe Calw, dem Sprachheilzentrum Calw-Stammheim, dem CJD Altensteig und der Einrichtung Seehaus aus dem Landkreis Böblingen. Inzwischen konnten einige der seinerzeit gegründeten Wohngruppen im Kreis bereits wieder geschlossen werden.

Hilfe nur in Einzelfällen eingestellt

Generell seien für die Betreuung der UMA die Ziele Spracherwerb, Orientierung in Deutschland, Erwerb eines Schulabschlusses und der Übergang in eine berufliche Ausbildung definiert und "sehr intensiv verfolgt worden", so Bühler weiter. Künftig würden der Abschluss der Berufsausbildung und die Vorbereitung auf eine selbstständige Lebensführung außerhalb der Jugendhilfe im Mittelpunkt der Hilfen stehen. Die Hilfeverläufe seien insgesamt gut, in "sehr wenigen Einzelfällen" allerdings musste die Jugendhilfe auch wegen fehlender Mitwirkung oder wegen Verhaltensproblemen der UMA beendet werden. Auf Nachfrage aus den Reihen der JHA-Mitglieder erklärte Bühler dazu, dass diese UMA in den "normalen" Flüchtlingsunterkünften untergebracht, aber auch dort weiter intensiv betreut würden.

Was die Mitglieder des JHA auch überraschte: nur drei Prozent der UMA sind heute als Asylbewerber anerkannt, weitere 32 Prozent stünden unter dem sogenannten "subsidären Schutz" – das heißt, ihr Aufenthalt wird befristet geduldet. Ein Drittel der UMA hätte noch laufende Asylverfahren. Das letzte Drittel aber sei bereits als Asylbewerber abgelehnt, in der Regel schlössen sich dem jedoch dann das Klageverfahren gegen den Bescheid an. Hintergrund dazu: die überwiegende Zahl der UMA im Kreis Calw (53 Prozent) kommt aus Afghanistan, das offiziell als "sicheres Herkunftsland" gilt.

"Die fehlende Aufenthaltsperspektive erschwert unsere Arbeit erheblich und Ablehnungsbescheide führten häufig zu Krisen, die mit sehr viel Aufwand aufgefangen werden mussten", erläuterte Bühler dazu in seinem Bericht. Weiter habe ein sehr großer Teil der UMA gehofft, dass auch die Eltern im Rahmen einer Familienzusammenführung nach Deutschland kommen könnten – doch die Vorraussetzungen hierfür hätten letztlich nur zwei erfüllt. Weitere erschwerende Faktoren im Hilfeprozess seien große psychische Belastungen durch die Flucht und die Trennung von der Familie, bei acht UMA wurde gar der Verdacht auf eine posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert und eine fachärztliche Behandlung eingeleitet.

Umso beachtlicher die erreichten Ergebnisse in der (schulischen) Ausbildung der UMA. Die meisten von ihnen wurden in VAB-O Klassen (Vorbereitung Arbeit und Beruf ohne Sprachkenntnisse) an den Kreisberufsschulzentren Calw und Nagold aufgenommen und beschult. UMA unter 16 Jahren wurden allerdings in den Vorbereitungsklassen der örtlichen Regelschulen eingeschult. Meist wurde im ersten Schuljahr das Sprachniveau A1 erreicht und im zweiten Schuljahr das Sprachniveau A2. Das für den erfolgreichen Abschluss einer Ausbildung notwendige Sprachniveau B1 in den Bereichen Hören, Sprechen, Lesen und Schreiben konnten bisher allerdings erst 25 Prozent der hier lebenden UMA erreichen. Die größten Schwierigkeiten lägen im Bereich Lesen und Schreiben. In den zurückliegenden Sommerferien hätten deshalb allein 18 UMA mit Ausbildungsvertrag an einem Sprachkurs "Deutsch für Flüchtlinge" teilgenommen, um hier ihre Sprachkompetenz für eine kommende Ausbildung zu verbessern.

"Ein gigantisch tolles Ergebnis"

Trotz der noch bestehenden Sprachdefizite sei der Übergang von der Schule in eine Ausbildung sehr gut gelungen. Wie erwähnt befänden sich 68 Prozent der UMA aktuell in einer dualen Ausbildung, weitere neun Prozent in berufsvorbereitenden Maßnahmen und 23 Prozent noch in der schulischen Ausbildung. Ein "gigantisch tolles Ergebnis", wie Kreisrat Lothar Kante (SPD) kommentierte. Dabei besonders bemerkenswert: Die meisten Ausbildungen fänden in sogenannten "Mangelberufen" statt – also Pflegeberufe (22 Prozent), Maurer (28 Prozent; Stichwort "internationale Maurerklasse"), Maler (13 Prozent), Fachlagerist (neun Prozent), Bäcker (acht Prozent), Restaurantfachmann (sechs Prozent), Einzelhandelskaufmann (fünf Prozent) und Hotelfachmann (drei Prozent).