Heimatgeschichte: Alte Gerberei in Calw lädt zu Kaffee und Kuchen / Rückblick auf die Anfänge des ehrwürdigen Hauses

Originiales altes Straßenpflaster, alles rund um die Gerberei und ein engagiertes Team im Verein. All das bietet das Gerbereimuseum in Calw, das seit nunmehr 20 Jahren in Betrieb ist.

Calw. Am Samstagmittag feierte der Bürgerverein "Alte Gerberei" das 20-jährige Bestehen des Gerbereimuseums in Calw. Die Gäste feierten bei Kaffee und Kuchen die erfolgreiche Umsetzung eines Museumskonzeptes, das alle Beteiligten viel Kraft, Mut und Engagement abgefordert hat.

In tausenden Arbeitsstunden hat der Verein ein zeitgeschichtliches Juwel der Handwerkskunst und Zeugnis Calwer Geschichte wieder zum Leben erweckt. Dabei wurde viel Wert auf Details gelegt. So erscheinen die Räume und Maschinen des Museums heute so, als hätte sie der letzte Gerber erst gestern verlassen.

Der Verein hatte sich bereits 1996 gegründet, nachdem die Stadt Calw das Gebäude der ehemaligen Weißgerberei Balz in Calw erworben hat. Aufgabe des Vereins war es zunächst, die Sanierung des Gebäudes zu koordinieren und voranzutreiben. Dazu wurden mehrere Tausend Arbeitsstunden durch die Vereinsmitglieder abgeleistet, eine Museumskonzeption entwickelt, die Räumlichkeiten entsprechend gestaltet und mit unterschiedlichsten Ausstellungsobjekten ausgestattet. Ziel war es, die letzte Calwer Gerberei für die Nachwelt zu erhalten. Calw war nachweislich eine Tuchmacher- und Gerberstadt, wie ein Freiheitsbrief aus dem 15. Jahrhundert belegt. Außerdem sollte durch den Erhalt eines Originalschauplatzes der Bezug zu Hermann Hesse hergestellt werden, der seine Heimatstadt in der Literatur als "Gerbersau" bezeichnet.

Calw hatte noch um 1900 etwa zwölf Gerbereien, die meisten waren Rotgerbereien. Das Anwesen Balz war das letzte seiner Art und befand sich mehr als 100 Jahre in Familienbesitz. Die Familie kann auf eine 400-jährige Tradition des Weißgerbens zurückblicken und ist damit ein Beispiel für die typischen Familienbetriebe der Handwerker im Nagoldtal.

Der Fluss Nagold spielte besondere Rolle

Dies wollte der Verein für die nachfolgenden Generationen erhalten und auch aufzeigen, warum gerade das Gerberhandwerk in Calw zu besonderer Blüte gelangen konnte. Wichtig waren dafür der Fluss Nagold, die Gäuseite mit ihrer Schafzucht und die waldreiche Seite Altburgs – von dort kamen die Rinden für die Gerbstoffe.

Im Erdgeschoss des Museums kann man in der ehemaligen Wasserwerkstatt Spezialmaschinen bewundern, die durch einen Elektro-Motor und über verschiedene Transmissionen in Gang gesetzt werden können, sodass ein nahezu authentisches Bild der Arbeitssituation der Dreißiger- bis Fünfzigerjahre des vergangenen Jahrhunderts entsteht. Im ersten Stockwerk befinden sich die Räume der Trockenverarbeitung: das Felllager, die Messstube, mit der nahezu 100-jährigen Messmaschine und die Zurichtstube. In den ehemaligen Wohnräumen im Obergeschoss wurde eine Ausstellung eingerichtet, die Endprodukte unterschiedlicher Gerbverfahren zeigt. Eine Stube des Gebereimuseums zeigt außerdem einige Ausstellungsobjekte der Calwer Tuch- und Deckenfabriken, die die beim Verarbeitungsprozess anfallende Gerberwolle abnahm und verarbeitete.

Von den zahlreichen Schulklassen, die das Museum besuchen, darunter auch Klassen aus Frankreich, Italien, Polen und Großbritannien, wird besonders geschätzt, dass die Schüler bei den Führungen einbezogen werden und viele Objekte angefasst werden können. "Wir sind ein lebendiges Museum", erklärt Irmhild Mansfeld, Vorsitzende des Vereins. "Alles darf angefasst und ausprobiert werden."

Zum Museumsbereich gehört ein Hofraum, in dem das letzte originale Straßenpflaster Calws zu sehen ist. Nachdem die Stadt das zum denkmalgeschützten Komplex der ehemaligen Weißgerberei Balz gehörende Vorderhaus erworben hatte, wurde die Planung zur Erweiterung des Gebäudes als Handwerkermuseum in Angriff genommen. Nachdem die Stadt einen Sanierungszuschuss von 50 000 Euro an den Verein bewilligte, konnten die Renovierungsarbeiten im Jahr 2013 beginnen.

Ein desolater Laden und ein alter Ölkeller mit niedrigerem Bodenniveau wurden zu einer ebenerdigen Ladeneinheit zusammengeführt. Im Mai 2014 konnte hier ein nostalgischer Museumsladen im Erdgeschoss des Vorderhauses eingebaut und eröffnet werden. Da auch im Gerbereimuseum der Schwerpunkt der Ausstellung auf den Jahren zwischen 1920 und 1950 liegt, passt das vom Verein erworbene Mobiliar genau in das Zeitraster.

Durch die Erweiterung des Museumsbereichs in das Vorderhaus ist das Gerbereimuseum nun besser erschlossen. Der Zugang erfolgt von der Badstraße aus durch den breiten Durchgang des Vorderhauses in den Hofraum der Gerberei, die direkt am Fluss in der zweiten Häuserreihe liegt.

Mit dem Laden hat der Verein auch die Hoffnung verbunden, in der vom Ladensterben besonders betroffenen Badstraße eine belebende Konstante zu bieten und so einen positiven Impuls für die Stadtentwicklung zu setzen.